Der Weg zurück zur Normalität beflügelt den Markt für Business-Software
Nach turbulenten Jahren der Improvisation kehrt die Normalität langsam zurück. IT-Workarounds, die schnell umgesetzt werden mussten, sollen nun wieder in die Geschäftsprozesse integriert werden. Gute Aussichten für die Anbieter von Business-Software-Lösungen – sofern sie gut und sinnvoll beraten können.
474,61 Milliarden US-Dollar – so hoch schätzt Marktforscher Grand View Research das Marktvolumen des globalen Business-Software- und -Services-Geschäfts im vergangenen Jahr ein. Tendenz steigend. Der Marktforscher geht davon aus, dass eine steigende Nachfrage den Markt auch in den kommenden Jahren antreiben wird. Die Gründe hierfür seien eine rasche Zunahme des Datenvolumens sowie der steigende Grad der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Basierend auf diesen Annahmen prognostiziert der Analyst eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 11,9 Prozent für den Zeitraum von 2023 bis 2030.
Die Workarounds werden wieder integriert
Martin Maurer, Managing Director von Profondia, erwartet nach einem durch den Fachkräftemangel und externen Einflüssen geprägten Jahr nun auch in der Schweiz eine Stabilisierung. "Unser Eindruck ist, dass die Firmen vorhaben, 2023 wieder in einen regulären Planungszyklus zurückzukehren, wie dies vor der Pandemie der Fall war", sagt er. "Jedoch werden dabei die Lehren und Entwicklungen aus den letzten turbulenten Jahren weiter berücksichtigt." Damit meint er etwa mobiles und hybrides Arbeiten, die Digitalisierung der Geschäftsprozesse sowie agile Formen der Zusammenarbeit.
In den vergangenen Jahren seien viele Firmen im "Grind abä und secklä"-Modus gewesen. Lösungen hätten rasch gefunden und implementiert werden müssen. Für die Anbieter von Business-Software kommt dies sehr gelegen. "Wahrscheinlich werden sich viele Firmen nun daran machen, diese Workarounds wieder konzeptionell in die Gesamtprozesse zu integrieren", sagt Maurer. Inwieweit dies möglich sei, hänge aber auch von der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen ab.
Die meisten Anbieter werden gemäss Maurer dabei versuchen, ihre Kunden für die Cloud und Subskription-Modelle zu motivieren. Zu einem ungebremsten Cloud-Boom komme es aber nicht. "Nach wie vor wollen, können oder dürfen nicht alle Kunden mit allen Anwendungen die Cloud, insbesondere in die Public Cloud", sagt er. "Zudem haben viele Kunden auch gelernt, die effektiven Kosten der verschiedenen Modelle längerfristig zu vergleichen."
Beratungsexpertise wird gefragt sein
Die Wachstumsprognosen bedeuten jedoch nicht, dass nun alle Hürden für den Markt getilgt wurden. "Der Fachkräftemangel macht sich auch dieses Jahr weiter bemerkbar; er wird sogar weiter zunehmen", schätzt Cyrill Schmid, Managing Partner & Sales bei Topsoft, die Lage ein. Dieser Mangel sei nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Natur: "Die neuen Technologien verlangen anderes Know-how, das ist hier eben auch ein Problem", sagt er. Den Anwendern Orientierungshilfen bieten zu können, werde daher für IT-Anbieter 2023 ein wichtiger Teil ihrer Arbeit sein. Um die Effizienz zu steigern und dem Personalmangel zu begegnen, werden immer mehr Geschäftsprozesse automatisiert. "Hier gilt es für IT-Anbieter auch, am Ball zu bleiben, denn die Kundschaft wendet sich sonst anderen Playern zu, die diese Anforderungen erfüllen können", sagt Schmid. Schmid rechnet ferner mit einem beschleunigten Wechsel in Richtung Mobile. "Es ist jedoch zu beachten, dass die Implementierung von mobilen Lösungen auch Herausforderungen mit sich bringen kann", relativiert er. Dazu zählen etwa die Sicherheit, und auch die Kosten (beispielsweise für die Anschaffung stets aktueller Hardware wie Tablets oder Smartphones).
An Innovationen, die den Markt ankurbeln könnten, mangelt es derzeit nicht. Aber: "Nicht alles braucht eine KI, nicht überall ist IoT sinnvoll, nicht immer braucht es die Blockchain", sagt Schmid. "Ganz im Gegenteil, die allermeisten Unternehmen sind trotz all der neuen Möglichkeiten noch sehr mit den Basics beschäftigt." Darum sei es wichtig, diese Technologien mit Augenmass dort einzusetzen, wo sie wirklich einen Sinn ergeben, sagt Schmid. "Die Verantwortung liegt wiederum zu einem grossen Teil bei den IT-Anbietern, hier nicht über das Ziel hinaus zu schiessen und die Anwender entsprechend zu beraten."