Vis-à-vis

"Früher war die Marge komfortabel. Heute ist der Channel unter Druck"

Uhr | Updated
von George Sarpong

Harald Wojnowski leitet seit Februar als Managing Director das Schweiz-Geschäft des Distributors Also. Die Herausforderungen in seiner Branche sieht er als Chance für Also und den Fachhandel, neue Geschäftsfelder zu erschliessen.

Das Distributionsgeschäft steht unter gewaltigem Druck. Margen erodieren, Kunden sparen. Momentan macht es keine Freude im Disti-Geschäft tätig zu sein, oder?

Harald Wojnowski: Im Gegenteil. Zugegeben, die Margen im Distributionsgeschäft sinken, wie überall in der IT. Allerdings sehe ich darin auch eine Chance. Denn der steigende Druck führt zu neuen Gedanken: In welchen Geschäftsbereichen will ich aktiv sein? Welche Leistungen möchte ich anbieten? Das verbessert letztlich auch die Qualität der geschäft­lichen Beziehungen.

Sie kamen 1992 zu Also Schweiz. Wie war das Distributionsgeschäft damals?

Damals galt die präzise und rasche Auslieferung von Paketen an unsere Kunden als hohes Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal. Heute sprechen wir von Value-Add-Services. Ein Bereich, der seine Wurzeln ebenfalls in dieser Zeit hat, da wir in jener Phase in den Vertrieb von Technik, wie etwa von Netwerkprodukten, einstiegen. Mit den immer komplexer werdenden Systemen mussten wir auch unser Fachwissen steigern.

Wie hat sich das Distributionsgeschäft seither verändert?

Neben der technischen Entwicklung hat insbesondere der Margendruck das Distributionsgeschäft verändert. Kostete in den 1990er-­Jahren ein hochwertiger PC bis zu 15 000 Franken und bot eine Marge von 30 Prozent, bezahlen Endkunden heute für einen Computer noch 500 Franken, eine Marge von vielleicht 12 Prozent eingeschlossen. Da bleibt beim Händler nicht mehr viel übrig. Diese Entwicklung führte dazu, dass Services vom Fachhandel zunehmend verrechnet werden müssen, die früher durch die Marge abgedeckt wurden. War früher die Integration von Systemen die Kür des Fachhandels, verlangt dieser heute nach weitestgehend vorkonfektionierten Lösungen vom Hersteller. Eine Arbeit, welche die Hersteller inzwischen gerne an die Distribution abgeben.

Der schwarze Peter wird also an Sie abgeschoben?

Nein, im Gegenteil. Diese Entwicklung bietet uns als Schnittstelle zwischen Hersteller und Handel neue Möglichkeiten, unsere Geschäftsbereiche weiter auszubauen und neue Services anzubieten. Neben der Systemintegration sehen wir etwa gute Chancen in der Beratung von Kunden im Bereich Rechenzentren oder im Security-Geschäft. Wir werden die Augen offenhalten, um uns keine Chancen entgehen zu lassen.

Sie haben die Leitung von Also Schweiz von Marc Schnyder im Februar dieses Jahres übernommen. Wie haben Sie das Unternehmen vorgefunden?

So, wie ich es kannte und erwartete: hervorragend positioniert und bestens organisiert. Ich bin schon lange bei Also Schweiz und arbeitete immer nahe mit Marc Schnyder zusammen. Daher gab es keine unerwarteten Überraschungen.

Nun sitzen Sie aber auf dem "grossen Stuhl". Das bringt doch sicher einen Perspektivenwechsel mit sich?

Es kamen natürlich auch neue Themen auf mich zu, mit denen ich mich auseinandersetzen musste. Das sind die neuen Bereiche Services und Supply. Meine grösste Herausforderung besteht aktuell darin, unsere Kunden kennenzulernen. Vor meiner Zeit als Geschäftsführer Schweiz leitete ich das Solutionsgeschäft, das massgeblich Kunden aus dem Datacenter-Umfeld betreut. Heute treffe ich Kunden aus allen Bereichen, vom Retail- bis hin zum Telekom-Kunden, deren Bedürfnisse sich auch noch stark voneinander unterscheiden. Ich muss aber die Geschäftsmodelle aller unserer Kunden verstehen. Das ist ein fortlaufender Prozess der nie abgeschlossen sein wird.

Was sind Ihre weiteren Ziele?

Wir müssen unsere Position am Markt finden, der ja derzeit einer starken Transformation hin zur Cloud unterworfen ist. Wir müssen uns überlegen, welche Rolle wir in der Cloud- Welt einnehmen wollen. Einige Hersteller gehen davon aus, dass es den Handel künftig nicht mehr brauchen wird. Schliesslich lässt sich Software direkt herunterladen und einsetzen. Wir vertreten dagegen die Meinung, dass sich das Vertriebskonzept in der IT über spezialisierte Kanäle auch mit dem Cloud-Ansatz grundsätzlich nicht verändern wird.

Im März übernahm Also den finnischen Marktplatz für Cloud-Anwendungen, Nervogrid, die heutige Also Cloud. Was bedeutet diese Übernahme für den Schweizer Fachhandel?

Also Cloud ist eine spannende Geschichte. Die wichtigste Botschaft hierbei lautet: Wir verkaufen keine Infrastruktur als Service. Also Cloud ist eine Dienstleistung. Unsere Kunden müssen dafür noch nicht einmal eine Software installieren. Wir wollen mit dem Angebot, ganz im Sinne eines Distributors, eine hochautomatisierte Managementplattform für Services anbieten. Für uns ergibt sich da­raus ein weiterer Absatzkanal, um den Fachhandel zu bedienen. Die Idee hinter der Also Cloud ist, die Margen des Fachhandels nicht noch durch einen aufwändigen Vertrieb weiter zu schmälern. Wenn ein Serviceanbieter etwa eine Mailbox im Wert von 3 Franken für 9 Franken verkauft, bleibt nur eine geringe Spanne für die Prozessintegration übrig. Aktuell bieten wir über Also Cloud vor allem Microsoft-Produkte wie Office 365 an. Im Rahmen des weiteren Rollouts werden wir Also Cloud auf weitere Länder, zu denen auch die Schweiz zählt, ausdehnen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis Ende dieses Jahres mit Pilotpartnern aus dem Fachhandel erste Projekte zu starten. Momentan führen wir Gespräche mit Anbietern aus dem Bereich Managed Service Provider. Starten möchten wir zunächst mit 10 bis 15 Partnern.

Wo müssen Sie noch Lücken im Sortiment schliessen?

Im Bereich Rechenzentren wollen wir etwa die Segmente Software-defined Network und Software-defined Datacenter weiter ausbauen. Genauso wie den Handel mit klassischen IT-Komponenten wie Festplatten oder Memory. Ansonsten geht für uns die Reise in Richtung Lösungen. Wir sind der Meinung, dass es sich für unsere Kunden nicht lohnt, alle Services aus eigener Hand anzubieten. Um ein Beispiel zu nennen: In Zukunft wollen wir zusätzlich Fachhändler im Bereich Managed Print Services ansprechen. Unser Angebot gliedert sich in die Bereiche Analyse und Beratung, wo wir uns anschauen, was der Kunde wirklich braucht. Hinzu kommen der Betrieb der Infrastruktur sowie deren Unterhalt und ergänzende Services. Hierunter fallen die Lieferung von Verbrauchsmaterialien, die Reparatur sowie die Pflege von Druckern und Multifunktionsgeräten.

Damit konkurrieren Sie doch mit Ihren Kunden, oder nicht?

Nein, da wir im Auftrag des Fachhändlers arbeiten. Ich nenne ein Beispiel: Ein Integrator mit dem Schwerpunkt Rechenzentrum hat einen Kunden, der auch noch nach einer Managed-Print-Lösung sucht. Das ist aber nicht die Kernkompetenz des Integrators. Da greifen wir ein. Wir beraten seinen Endkunden und übernehmen auch die Installation und den Service. Diese Leistungen verkaufen wir aber stets im Auftrag des Fachhändlers.

Der Integrator könnte doch hierfür auch mit einem Spezialisten aus dem Druckerbereich kooperieren, was in der Branche auch gang und gäbe ist und überdies von den Herstellern begrüsst wird ...

Dieses Vorgehen birgt für den Fachhändler aber das Risiko, dass er einen Endkunden an seinen Partner verliert. Wir als Distributor werden hingegen als neutrale Instanz im Handel wahrgenommen. Dadurch bieten wir dem Fachhändler die Chance, seine Kunden über zusätzliche Dienstleistungen zu begeistern und so näher an sich zu binden.

Im ersten Quartal dieses Jahres konnte die Also Holding einen gestiegenen Umsatz und Ebit vorweisen. Spürten Sie etwa auch den Windows-XP-Effekt?

Den haben wir tatsächlich gespürt und das freut uns auch. Wir kooperieren mit Microsoft im Rahmen einer Kampagne, mit der wir Händler wie auch Endkunden zum Umstieg auf das aktuelle Windows überzeugen möchten.

Welche Chancen hat Also dabei als Distributor?

Bei den grossen Systemhäusern ist unser Einfluss eher gering. Dort wiegt der Einfluss des Herstellers stärker. Wir stossen dafür bei kleineren Partnern auf Resonanz. Wir nennen ihnen etwa in Workshops die nötigen Argumente, mit denen Sie ihre Kunden von einem Umstieg überzeugen können.

Wie gut gelingt ihnen das?

Unsere Partner reagieren noch etwas verhalten. Windows 8 ist eben anders, als die vorangegangenen Generationen von Microsofts Betriebssystem. Gemäss dem Motto "Never touch a running System" wollen Fachhändler und Endkunden möglichst nichts verändern. Sie fürchten die Effizienz ihrer Arbeitsprozesse  zu verlieren. Diese Bedenken sind aus unserer Sicht nach kurzer Eingewöhnungszeit unbegründet.

Ein weiterer Trend ist der Markt für Digital Signage für den Also in Deutschland einen Showroom unterhält. Auch wurde das Sortiment seither ausgebaut, etwa mit den Produkten von Peerless Audio. Welche Ziele verfolgt Also im Bereich Digital Signage?

Unsere Ziele im Digital-Signage-Geschäft werden wir von den Erwartungen unserer Kunden abhängig machen. Das Thema steht bei Also Schweiz weit oben auf der Agenda. Doch zuvor gilt es, das nötige Fachwissen für das weite Feld Digital Signage zu erwerben. Digital Signage ist ein Spezialthema und muss hochprofessionell angegangen werden. Erst wollen wir dafür eine Gesamtlösung anbieten können und anschliessend werden wir, wenn das Bedürfnis besteht,einen Showroom einrichten.

Mit Ingram Micro und Tech Data bieten auch zwei weitere Broadliner neben Waren auch Services an. Daneben gibt es noch Spezial-Distis. Wie hebt sich Also von seinen Marktbegleitern ab?

Das müssten Sie eigentlich unsere Kunden fragen. Ich erwarte von unseren Mitarbeitenden Engagement, Fachwissen und Leidenschaft in allem, was wir tun. Viele unserer Spezialisten greifen für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine langjährige Berufserfahrung zurück. Neben unserer hohen Kompetenz achten wir auch auf die Qualtiät bei der Erbringung von Leistungen. Es ist wichtig, dass wir unsere Grenzen kennen und den Kunden nur das versprechen, was wir auch umsetzen können.

Wie wollen Sie den Channel auf Ihrem Weg ins Lösungsgeschäft begleiten?

Jedes Unternehmen hat eine eigene Vorstellung über die künftigen Veränderungen. Wir wollen niemanden hinsichtlich unserer Vorstellungen überreden. Wir sind hingegen offen für Verbündete, die ähnliche Ideen vertreten und mit uns den Weg in Richtung neuer Methoden beschreiten wollen. Auf diesem Weg werden wir gemeinsam mit unseren Herstellern Schulungen und Workshops anbieten, wie künftige Lösungen integral gebaut und kostengünstig betrieben werden können.

Wie müssen diese Partner aussehen?

Wir sollten in der Denkweise neuer Ansätze kompatibel sein. Wir müssen offen gegenüber Veränderungen und mutig in der Umsetzung sein. Darüber hinaus müssen wir kontinuierlich unsere Kompetenzen auszubauen.

Warum sollte der Fachhandel mit Also zusammenarbeiten?

Wir wollen unsere Partner entlasten, damit sie sich auf Ihre Kunden konzentrieren können. Indem wir etwa Aufgaben übernehmen, die früher als Kür im IT-Geschäft galten, heute jedoch nur noch Pflicht sind und die Kunden einfach erwarten. Durch den eigentlich überholten Manufaktur-Ansatz werden immer noch zu viel Geld und Ressourcen für Leistungen gebunden, die aus Sicht des Kunden selbstverständlich sind. Wenn wir es gemeinsam mit unseren Partnern schaffen, diese Basisleistungen durch vorintegrierte Systeme effizienter zu erbringen, setzen wir für die Endkunden Ressourcen frei, die sie in hochwertige Anwendungen wie CRM-, ERP- oder Big-Data-Systeme investieren können, um aus ihren Geschäftsdaten neue Ideen abzuleiten. Auf Seite der Systemintegratoren wird der erhöhte Grad an Vorintegration und Automation zu einer Umschichtung ihrer Aufgaben führen. Wir gehen davon aus, dass sich zahlreiche unserer traditionellen Partner weg von der Systemintegration hin zur Integration von Geschäftsprozessen in leistungsfähige Software verändern werden. Hierbei wollen wir unsere Partner tatkräftig unterstützen.

Ihre Message an den Channel?

Früher hatten wir eine komfortable Marge. Heute steht der Channel unter Druck. Wir brauchen deshalb wieder mehr Selbstvertrauen, wenn wir unsere Lösungen zum Kunden tragen. Ausserdem sollten wir unsere Denkmuster aufbrechen, um auf kreative Weise neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Bei Also sehen wir neue Ansätze durch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen, die die Arbeitswelt der Endkunden ändern wird. In dieser Welt prüfen wir unsere Chancen. Hierfür wollen wir Lösungen entwickeln und Partner suchen, die mit uns diese Leistungen in den Markt tragen wollen.

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