"Nur dort, wo der Reseller das will, schliessen wir Verträge direkt ab"
Urs von Ins ist der Herr über das Serviceportfolio von Also Schweiz. Vor über zehn Jahren begann er, das Servicegeschäft der Firma aufzubauen und entwickelt es stetig weiter. Im Interview spricht er über Hintergründe, Ziele und warum sich Also nicht mehr (nur) als Distributor positionieren will.
Wie wichtig ist das Servicegeschäft für Also?
Urs von Ins: Das Servicegeschäft macht heute einen bedeutenden Anteil für Also Schweiz aus und ist eines unserer drei Geschäftsfelder. Ausser der klassischen Distribution haben wir unser Angebot in der Schweiz bereits vor rund 15 Jahren auch mit dem Servicegeschäft diversifiziert und somit unser zweites Standbein aufgebaut. Wir sind inzwischen mit Abstand der grösste Logistikhub für ICT-Produkte in der Schweiz. Etwa rund 70 Prozent aller Smartphones für den Schweizer Markt gehen durch unsere Hände.
Wie unterscheiden sich die drei Geschäftsfelder?
Das erste Feld ist das ursprüngliche Transaktionsgeschäft. Hier verkaufen wir Notebooks, Monitore, Massenware. An Reseller und vor allem an Retailer. Das zweite Feld ist das Solution-Geschäft, das Value-Add-Geschäft. Das spielt sich vor allem im Geschäftskundenbereich ab. Netzwerk, Storage, Server, aber auch Trainings und Ausbildung. Das klassische B2B-Umfeld. Unsere grössten Kunden sind hier Firmen wie MTF, Bechtle und Swisscom Enterprise. Die grossen Corporate Reseller. Im dritten Feld, dem Servicegeschäft, verstehen wir uns als Dienstleister der gesamten Wertschöpfungskette.
Welche Logistikdienstleistungen bietet Also dem Handel?
Wir verstehen uns als Business-Process-Outsourcer und kümmern uns um den Waren-, Informations- und Wertefluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette unserer Kunden: von der Abholung in der Fabrik bis hin zur Auslieferung der Produkte an Privat- oder Geschäftskunden. Spezielle Services bieten wir bei der Beschaffung und Lagerfinanzierung sowie bei der klassischen Ein- und Auslagerung von Waren an. Unsere besondere Stärke liegt im Aftersales Bereich, vom Retourenhandling über Reparaturen bis hin zum 2nd Level Customer Support.
Wer sind Ihre Kunden in diesem Geschäft?
Unser Fokus liegt auf der IT-, CE- und Telekombranche. So arbeiten etwa alle grossen Telekomfirmen mit uns als strategischem Partner. Wir entwickeln uns laufend mit unseren Kunden im Hightech-Bereich und nähern uns damit neuen Branchen an. Wie etwa der wachsenden Smarthome-Branche oder der Medizinaltechnik.
Was hat ein kleiner Reseller davon?
Lagerengpässe bei einem Rollout oder zu wenige Lagerkapazitäten, ich glaube, beinahe jeder Reseller steht einmal vor diesem Problem. Unser Logistikcenter in Emmen bietet auf 350 000 m3 Kapazitäten für die Lagerhaltung. Wir können innerhalb weniger Minuten ein Log-in vergeben, worüber der Reseller seine Bestände zu uns umdisponieren und jederzeit online abrufen kann.
Wie kommen die Waren anschliessend zum Kunden?
Wir arbeiten mit der Post, mit Planzer, DPD und vielen Kurieren zusammen. Pro Jahr verschicken wir schweizweit über 2,5 Millionen Pakete und zählen damit zu den fünftgrössten Post-Kunden. Zurzeit arbeiten wir an einem Transport-Marktplatz, der von der Realtime-Warenverfolgung (Track & Trace) über Schnittstellen zu verschiedensten Transporteuren, Paket-Belabelung, optimierten Konditionen bis hin zur Versicherung von Warenverlust vor allem kleineren Händlern eine Entlastung bringen soll. Unser My-Delivery-Angebot, bei dem Endkunden Lieferzeitpunkt und -ort selbst bestimmen und Waren jederzeit verfolgen können, werden wir auch integrieren und Resellern so zur Verfügung stellen.
Und die Waren müssen dazu bei Also lagern?
Das spielt keine Rolle. Wenn der Reseller ein eigenes Lager hat, kann er die Waren von uns abholen lassen. Dafür planen wir eine Schnittstelle für das Empfangen von Transportaufträgen und senden dem Kunden das Versandlabel elektronisch zu.
Wann wird dieser Transportmarktplatz verfügbar sein?
Wir suchen Pilotkunden, die ab Herbst am Feinschliff des Produkts mitarbeiten wollen. Es sind alle herzlich eingeladen!
Wie gut nimmt der Handel solche Angebote an?
Diejenigen, die unser Warehousing-Angebot nutzen, sind sehr zufrieden. Wir werden immer noch zu sehr in das Licht eines Distributors gestellt. Viele glauben, dass man bei uns einfach nur Waren bestellt. Man bekommt die Waren bei uns, aber Also ist viel mehr als ein Warenlieferant. Wer uns sauber in seine Wertschöpfungskette integriert und den Austausch mit uns sucht, kann viel profitieren.
Was kostet das den Reseller?
Wir berechnen transaktionsbasiert. Sprich pro belegtem Lagerplatz, pro Lieferung, pro Palette. Das Pricing ist einfach sowie transparent und funktioniert auch für kleine Mengen.
Wie verdient der Reseller sein Geld, wenn Also "sauber integriert" ist?
Wie der Reseller Geld verdient, muss er letztlich selbst definieren. Die Wertschöpfung liegt sicherlich in der Kundenbeziehung. Gut funktioniert das etwa bei Managed Print Services. Mittlerweile sind wir hier sehr erfolgreich. Aber es hat eine Weile gedauert, bis wir das nötige Vertrauen der Reseller hatten.
Vertrauen wofür?
Mit uns Kundendaten zu teilen, uns in seine Listen schauen zu lassen. Wer sind seine Top-Kunden, die wir gemeinsam bearbeiten können? Das braucht Vertrauen, und Vertrauen braucht Zeit. Heute sind wir so weit. Die Angst, dass wir dem Reseller so die Kunden wegnehmen, ist verschwunden.
Die Angst ist aber ein Stück weit verständlich. Wenn Sie all diese Kompetenzen haben, was hält Sie davon ab, die Kunden direkt zu bedienen? Wofür braucht Also den Reseller?
Unsere Lösungen, nehmen wir den Also Cloud Marketplace oder Managed Print Service, sind darauf ausgelegt, dem Reseller einen Mehrwert zu bieten und somit seine Kundenbeziehungen zu optimieren. Wir wollen unsere Kernkompetenzen im rückwärtigen Prozess auf möglichst viele Kunden verteilen und von Skaleneffekten profitieren. Das erreichen wir in der Zusammenarbeit mit den Resellern. Nur dort, wo der Reseller das will, schliessen wir Verträge direkt ab.
Das kommt vor?
Ja. Aber diese Form definieren wir mit dem Reseller direkt. Er sagt, was er will und was für ihn passt. Das bestehende Vertrauen ist uns sehr wichtig und wir wollen das nicht gefährden. Die enge Kundenbeziehung, die Reseller mit ihren Kunden pflegen, werden wir nie erreichen.
Am Anfang erwähnten Sie die Telkos, die zu Ihren Kunden zählen. Dazu zählt auch Quickline, wie aus dem Geschäftsbericht 2015 hervorgeht. Die Firma bezieht sehr viele Ihrer Services. Logistik, Financial Services, Reparaturen, Retouren. Gibt es noch andere Firmen, die sich derart breit auf Ihre Services verlassen?
Unsere grossen Kunden wie Sunrise, Swisscom oder Media Markt haben viele Bereiche an uns ausgelagert. Wir betreiben etwa die Endkunden-Hotline für das Reparatur- und Kostenvoranschlagsmanagement von Sunrise.
Wenn ich bei Sunrise anrufe, weil mein Handy kaputt ist …?
Dann landen Sie bei uns. Wir sind tief in der Wertschöpfungskette dieser Kunden eingebettet, und die Kunden sind sehr zufrieden damit.
Was machen solche Kunden respektive Quickline dann noch selbst?
Das Kerngeschäft von Quickline ist nicht der Einkauf und Versand von Set-Top-Boxen. Quickline muss sich darauf konzentrieren können, seinen Kunden TV, Telefonie und Internet zu verkaufen. Denn wenn sich ein Unternehmen mit seinen Leistungen und Angeboten im Wettbewerb differenzieren will, setzt das die Konzentration aufs Kerngeschäft und damit die Stärkung der internen Kompetenzen voraus. Und heute muss niemand mehr Aufgaben, die nicht dazugehören, selbst erbringen. Das lohnt sich gerade in der Logistik. Wer hier auf die Auslagerung verzichtet, riskiert sogar Wettbewerbsnachteile. Für Quickline oder den Reseller geht es dann darum, wie das System oder seine Leistung stimmig zum Kunden kommt, wie der Kunde einen Mehrwert erhält.
Einfach gesagt kann sich der Reseller auf seinen Kunden konzentrieren und darauf, was dieser benötigt. Alles darum herum erledigt der Dienstleister?
Ja. Aber auch einen Partner wie Also muss man managen. Der Reseller braucht vielleicht nicht mehr die gleichen Kompetenzen wie früher. Er muss aber prüfen, wofür genau er die Leistungen des Dienstleisters benötigt, wie er ihn entwickeln will, was seine Bedürfnisse von morgen sind.
Was läuft in dem Umfeld besonders gut?
Wie bereits erwähnt ist der gesamte Aftersales-Service ein wichtiger und gut laufender Bereich. All die Prozesse der Rückwärtslogistik, vom Austausch, dem Rückkauf über die Reparatur bis hin zur Entsorgung, konnten wir in den letzten Jahren professionalisieren. Wir bieten unseren Kunden eine Komplettlösung vom POS bis zum Endkunden und zurück.
Was läuft schlecht?
Wir lancierten letztes Jahr ein Trade-in-Programm für den Rückkauf von gebrauchten Smartphones. Dafür ist der Markt aus meiner Sicht noch nicht reif. Das alte Smartphone landet bisher in der Schublade oder wandert in der Familie weiter. Dabei ist das Gerät oftmals noch sehr viel wert.
Was läge hier für Reseller drin?
Für Reseller ist das Programm eine gute Möglichkeit, ein neues Smartphone günstiger zu verkaufen. Er kann dem Kunden das alte anrechnen. Beim Autokauf funktioniert das schon lange. Konsumenten fragen ihren Autoverkäufer beim Kauf eines Neuwagens, was er ihnen für das alte Fahrzeug bietet. Es gibt tolle Modelle für die Integration des Trade-in-Programms, aber den Markt muss man noch entwickeln. Und wir sind als Also zu wenig respektive gar nicht "Consumer branded", um diese Entwicklung vorantreiben zu können.
Wie geht es weiter aus Ihrer Sicht? Mit Also, mit dem Channel?
Ich kann Ihnen sagen, wie es mit Also weitergeht. Wir haben eine Menge Ideen, wir werden extrem viele Wachstumsinitiativen lancieren, die sehr stark in Richtung Dienstleistungen gehen. Pure Hardware werden wir in Lösungen verpacken und die wiederum Resellern zur Verfügung stellen, damit sie diese ihren Kunden anbieten können.
Ein Beispiel?
Den Transportmarktplatz habe ich genannt. Die anderen Sachen will ich noch nicht verraten.
Und der Channel? Wie entwickelt sich der Channel weiter, was glauben Sie?
Diejenigen, die erfolgreich sind, suchen sich eine Nische. Sie spezialisieren sich. Smart-Format-Displays und entsprechender Content können so eine Nische sein. Privatlösungen im Netzwerkumfeld können eine Nische sein. Support für Privatkunden, Firmenlösungen, Virtualisierungen, Storage, Sicherheit. Es gibt so viele Themen. Ich glaube, die guten Reseller suchen sich so eine oder auch zwei oder drei Nischen, in denen sie stark sind, konzentrieren sich auf die und werden dort sehr erfolgreich sein. Was meiner Meinung nach wenig Zukunft hat, ist der "Ich kann alles selbst"-Weg sowie fehlende klare Differenzierung und Positionierung.
Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Schweizer Channel?
Eine Nische suchen, sich dort starkmachen, tolle Kundenbeziehungen pflegen. Und mit uns diskutieren, wo wir uns einklinken, wo wir unterstützen können.