Wie und warum Arrow ECS sein öffentliches Bild verändern will
Anfang März hat er das Ruder bei Arrow ECS übernommen: Marco Pierro. Seit 15 Jahren arbeitet er bereits für den Distributor. Auf dem Chefsessel will er nun das öffentliche Bild von Arrow korrigieren. Wie, und was IoT und künstliche Intelligenz damit zu tun haben, sagt er im Interview.
Sie sind nun rund ein halbes Jahr im Amt. Wie waren die ersten Monate auf dem Chefsessel?
Marco Pierro: Sehr positiv. Ich habe von Anfang an viel Unterstützung erhalten. Sowohl von meinen Mitarbeitern bei Arrow ECS als auch von unserem Ökosystem: Unsere Partner und Hersteller reagierten sehr positiv auf den Wechsel.
Ihr Vorgänger, Reto Nobs, leitete die Geschäfte von Arrow über 14 Jahre lang. Wollen Sie seine Amtszeit überbieten?
Ich hoffe schon. Und ich halte es auch durchaus für möglich. Der Schlüssel ist es, das richtige Umfeld zu haben. Bei Arrow haben wir das definitiv. Das sieht man etwa daran, dass ich viele Mitarbeiter habe – auch in anderen Ländern wie Spanien oder Grossbritannien –, die schon viele Jahre im Unternehmen sind. Obwohl Arrow mittlerweile über 20 000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt.
Wie verlief die Stabübergabe von Reto Nobs zu Ihnen?
Reto Nobs und ich haben zuvor schon sehr eng zusammengearbeitet – Hand in Hand sozusagen. Er ermöglichte mir stets, meinen eigenen Weg zu gehen und eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Ich fange also nicht bei Null an. Die Übergabe im März konnten wir dementsprechend reibungslos und rasch über die Bühne bringen. Das war uns auch ein Anliegen: Im Interesse aller Beteiligten wollten wir, dass der Wechsel in überschaubarer Zeit erfolgte.
Sie sind nun 15 Jahre für Arrow tätig – fast Ihre komplette berufliche Karriere. Hatten Sie nie das Bedürfnis, mal zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln?
In der Zeit hat sich das Unternehmen sehr stark gewandelt. Das ist der Grund, warum es nie infrage kam, mich nach einem anderen Arbeitgeber umzusehen. Weil sich Arrow stetig weiterentwickelt, schafft das für die Mitarbeiter auch stetig neue Möglichkeiten, sich selbst weiterzuentwickeln. Dies motiviert die Mitarbeiter und bindet sie zugleich an die Firma.
Wie hat Ihre Zeit bei Arrow Sie auf Ihre neue Rolle vorbereitet?
Ich kam über verschiedene Rollen zu meiner heutigen Position. So lernte ich die unterschiedlichen Bereiche aber auch die verschiedensten Persönlichkeiten kennen. Einerseits war das für mich eine Gelegenheit zu sehen, was nicht funktioniert und was ich selbst gerne für meinen Führungsstil adaptieren möchte. Andererseits lehrte mich diese Erfahrung auch, wie wichtig es ist, sich mit den richtigen Personen zu umgeben. Darum habe ich auch heute noch ein Team, von dem ich profitieren und lernen kann.
Wo gab es nach Ihrem Amtsantritt unmittelbaren Handlungsbedarf?
Richtige Baustellen gab es glücklicherweise keine. Die grösste Herausforderung ist wohl, dass der Markt Arrow noch immer als Security-Disti wahrnimmt. Wir kommen zwar tatsächlich aus der Ecke. Aber heute kann Arrow in der Schweiz sehr viel mehr als das. Dieses Bild zu korrigieren, ist sicher mein grösstes Anliegen.
Wie wollen Sie diese Wahrnehmung konkret ändern?
Mit der richtigen Kommunikation. Wir setzen etwa neu auch auf dynamische Kanäle wie Social Media und befüllen diese mit Videoformaten. Zudem ist es wichtig, eine persistente Message zu haben. Diese muss mit Use Cases kurz und knackig aufzeigen, wie Arrow die Partner im Alltag unterstützen kann. Wenn wir das in jedem Bereich und bei jedem Thema schaffen, hat das eine extrem starke Wirkung am Markt.
Inwiefern wollen Sie am Kurs festhalten, den Ihr Vorgänger eingeschlagen hat?
Die Distribution ist im Wandel, und das sollten wir auch sein. Ich werde gewiss an unserem Kerngeschäft festhalten. Beratung, Logistik, Service und Training bleiben auch künftig zentral. Aber es ist genauso wichtig, dass wir neue Themen einbringen, neue Services und neue Go-to-Market-Strategien erarbeiten. Beide sind entscheidend für die Transformation der Distribution. Nur so können wir sicherstellen, dass wir auch morgen und übermorgen noch optimal aufgestellt sind und unsere Partner und Hersteller richtig unterstützen können.
Anfang des Monats lancierten Sie Arrowsphere in der Schweiz. Wie passt die Plattform zu diesen Plänen?
Wir wollen den Partnern damit eine Alternative zum klassischen Business, dem Verkauf von Produkten mit entsprechenden Wartungsverträgen, bieten. Arrowsphere ist eine Brokerage-Plattform. Sie ermöglicht es unseren Partnern, Pay-as-you-go-Modelle anzubieten. Flexible Angebote, die monatlich abgerechnet werden. In Kombination mit AWS kann der Partner zusätzlich noch weitere Lösungen, wie etwa Security von F5 oder Virtualisierungen von Citrix, hinzuschalten.
Wie profitieren die Partner davon?
Mit den Services von Arrowsphere können sie die Schwankungen bei ihren Kunden viel besser abfangen. Etwa wenn ein Unternehmen temporär mehr Mitarbeiter hat. Dann kann man in einem Monat mehr Leistungen beziehen und diese im darauffolgenden Monat wieder absetzen. Und der zuständige Partner verwaltet alles in einer einzelnen Plattform.
Gibt es auch eine White-Label-Version für Partner?
Ja, das ist derzeit ein sehr grosses Thema. Warum sollten die Partner auch die gleiche Plattform entwickeln müssen, die wir schon gebaut haben? Wir bieten den Partnern darum eine Erweiterung namens "MyCloudPortal". Im Prinzip ist es dieselbe Plattform, die wir unseren Partnern zur Verfügung stellen. So können sie wiederum ihre Endkunden anbinden.
Wie viele Partner nutzen die Plattform schon?
Wir haben in den vergangenen Monaten einen Softlaunch gemacht. In der Zeit haben wir rund 100 Partner aufgeschaltet. Die Partner reagierten übrigens sehr positiv auf das Angebot.
Was sind Ihre Ziele für Arrowsphere?
Mittelfristig will ich in den nächsten 18 Monaten etwa 250 bis 300 Partner für die Plattform haben.
Wie wollen Sie die Partner von Arrowsphere überzeugen?
Wir finalisieren derzeit ein "Arrow Cloud Enablement"-Programm für die Schweiz. Das Programm soll die Partner über die Vorteile von Arrowsphere informieren. Besonders wichtig ist es mir, den Partnern aufzuzeigen, dass mit den neuen Modellen nichts wegfällt vom klassischen Geschäft. Zudem soll das Programm auch zeigen, wie die Partner über Schnittstellen das ERP oder Warenwirtschaftssystem ihrer Endkunden andocken können.
Gemäss Mitteilung zu Ihrem Antritt sollen Sie den Fokus bei Arrow künftig auf künstliche Intelligenz (KI), IoT, Cloud und Security ausrichten. Security ist klar und Cloud haben wir schon gehört. Aber was planen Sie im Bereich IoT und KI?
Für das Internet der Dinge spannen wir mit unseren Kollegen aus Rümlang zusammen: Arrow Electronic Components. Wir besuchen gemeinsam Kunden und Partner, um entsprechende Use Cases zu präsentieren. Ferner versuchen wir, im Portfolio wo immer möglich Brücken zu schlagen. Seit Anfang September listen wir etwa Getvisibility. Das irische Start-up bietet Analytics-Lösungen an und verknüpft damit Themen wie KI und Cloud.
Was macht Arrow im Bereich künstliche Intelligenz?
Aktuell bedienen wir das Thema hauptsächlich über die Hersteller, die wir in unserem Cloud-Angebot haben. Aber wer Arrow kennt, der weiss, dass wir auch eigene Entwicklungen betreiben können. 2014 bauten wir beispielsweise eine Corvette Stingray so um, dass der querschnittsgelähmte Rennfahrer Sam Schmidt das Fahrzeug lenken konnte. Ich bin mir sicher, dass auf dem Gebiet der KI noch einiges auf uns zukommen wird.
Ist KI derzeit noch mehr Hype als Business Case?
Ein Hype ist es definitiv: Heute spricht wirklich jeder über KI. Aber überall dort, wo Geschäftsprozesse automatisiert werden, ist KI schon jetzt ein reales Thema. Mit ihr lassen sich Fehlertoleranzen fast auf Null reduzieren. Das macht KI etwa für den Healthcare-Bereich sehr interessant.
Inwiefern entfernt sich Arrow mit diesen neuen Themen vom klassischen Fokus auf Security?
Ich will es nicht einen Weggang nennen. Ich sehe es eher als ein Puzzle, das immer wieder mit neuen Teilen erweitert wird. Was uns in der Vergangenheit ausgezeichnet hat, will ich unbedingt beibehalten. Aber ich will auch mit der Zeit gehen und neue Services und Themen aufnehmen, mit denen Kunden und Partner neue Geschäfte generieren können.
Entwickelt sich Arrow so langsam zu einem Broadliner?
Nein! Broadliner bieten die Produkte von hunderten Herstellern an. Arrow ECS führt aktuell rund 40. Noch viel wichtiger ist aber, dass wir diese Hersteller nicht einfach nur listen. Wir verfügen über zertifizierte Kompetenzen für sämtliche Hersteller in unserem Portfolio – sowohl Sales- als auch technische Skills. Auf diese Weise und mit entsprechenden Programmen für den Channel heben wir uns von klassischen Broadlinern ab.
Das war ein sehr energisches "Nein" ...
Broadliner haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Arrow Electronic Components gehört ja auch zu den grössten Broadlinern weltweit. In den Bereichen, in denen Arrow ECS aktiv ist und auch künftig aktiv sein will, braucht es aber noch das gewisse Extra obendrauf. Nur so kann man Themen wie künstliche Intelligenz oder das IoT richtig adressieren. Und darum ist diese Abgrenzung auch wichtig.
Was erwarten Sie von Ihren Partnern während Arrows Umstellung auf die neuen Fokusthemen?
Einige unserer Partner sind schon seit 15 Jahren dabei. Das heisst, dass sie noch aus dem klassischen Bereich stammen. Ich erwarte von diesen Partnern nur, dass sie offen sind gegenüber neuen Themen. Dass sie sich heute Gedanken darüber machen, was morgen sein wird. Denn wer sich nur mit dem aktuellen Projekt beschäftigt und sich keine Zeit nimmt für die Zukunft, hat auch keine.
Und was können die Partner im Gegenzug von Ihnen erwarten?
Sie können darauf vertrauen, dass ich die Kernwerte bewahren werde, die Arrow schon immer ausgezeichnet haben. Sie können sich aber auch darauf verlassen, dass mein Team und ich als ihr verlängerter Arm agieren werden und tagtäglich daran arbeiten, neue Services und Go-to-Market-Strategien zu entwickeln.
Wie relevant ist der Channel für Arrow?
"Braucht es den Channel noch?" Das höre ich immer wieder. Ich jedoch bin fest davon überzeugt, dass der Channel auch künftig eine noch essenziellere Rolle spielen wird. Wir werden vermutlich weniger Technik brauchen im klassischen Stil. Aber auch das Aufkommen von Alles-as-a-Service wird nichts daran ändern, dass Endkunden weiterhin ihre IT-Partner brauchen werden – und diese werden wiederum auf ihren Distributor angewiesen sein. Diese Konstellation wird sich nicht ändern. Aber es ist wichtig, dass alle Beteiligten im Channel sich den neuen Bedürfnissen stellen und sich entsprechend aufstellen.
Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?
Gemeinsam haben wir 15 unglaubliche Jahre hinter uns. Aber ich bin überzeugt, dass wir eine noch viel sensationellere Zeit vor uns haben. Ich freue mich jetzt schon auf die Herausforderungen der nächsten 15 Jahre und die Geschäftschancen, die diese mit sich bringen werden. Zusammen, davon bin ich überzeugt, werden wir sie stemmen können.
Wie wollen Sie ihren Partnern dabei unter die Arme greifen?
Indem meine Mitarbeiter und ich selbst draussen bei den Partnern sind. Indem wir ihnen aufzeigen, wohin wir uns entwickeln und wie sie sich auch entwickeln können. Drei Punkte sind dabei entscheidend. Erstens: Eine klare Vision, wie man sich in der Zukunft aufstellen will. Was macht man selbst; wo verlässt man sich auf seine Partner im Ökosystem? Zweitens: Ein klarer Fokus, denn Ressourcen sind immer limitiert. Drittens: Die Überzeugung, die man braucht, um auch in schwierigen Zeiten hinter seinen Entscheidungen zu stehen und diese durchzusetzen.
Wie verorten Sie Arrow im Vergleich zur Konkurrenz in der Schweiz?
Es gibt hierzulande durchaus ein paar VADs, die einen guten Job machen in demselben Themengebieten wie wir. Aber es gibt nur wenige Distributoren, die sich den Herausforderungen des Enterprise-Segments stellen möchten und können. Arrow ECS bedient diesen Markt jedoch schon lange sehr gut. Denn wir profitieren von unserer globalen Logistik, etwa wenn es um Staging- oder Export-Expertise geht. Das gibt es in der Form nur bei uns. Wir richten uns aber nicht unbedingt nach der Konkurrenz. Wir versuchen stattdessen uns so aufzustellen, wie es für unsere Partner Sinn ergibt.
Gibt es in einem KMU-Land wie der Schweiz überhaupt genügend Geschäftspotenzial für einen Fokus auf das Enterprise-Segment?
Das Potenzial ist durchaus da. Allerdings ist es nicht so, dass wir KMUs gar nicht bedienen. Gerade mit Arrowsphere wollen wir stärker in die Richtung gehen. Auch unsere kleineren Partner zeigten ein grosses Interesse an den Möglichkeiten, welche die Plattform bietet.
Persönlich
Marco Pierro ist in Zug aufgewachsen und hat dort die Grundschule besucht. Nach seiner Treuhand-Ausbildung suchte er schnell den Weg in die IT. Im Januar 2004 trat er die Stelle als Inside Sales an. Damals war die Internet Security AG ein Start-up und er selbst einer der ersten drei Angestellten in der Schweiz. Drei Jahre später nahm Pierro die Sales-Rolle an, die er bis Ende 2012 besetzte, um von Januar 2013 bis Februar 2019 die Business Unit Networks & Security zu leiten. Seit März 2019 führt er Arrow ECS in der Schweiz. Marco Pierro ist verheiratet und hat einen Sohn (4).
Quelle: Arrow ECS