Nachgefragt bei Chris Keller

Diese Re:Invent-Neuigkeiten findet der AWS-Schweiz-Chef besonders spannend

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von René Jaun und yzu

In Las Vegas findet die AWS-Entwicklerkonferenz Re:Invent statt. Im Interview sagt Chris Keller, der auch das Schweizer AWS-Geschäft verantwortet, was die Hausmesse auszeichnet und welche Neuheiten ihn besonders interessieren.

Chris Keller, Managing Director, AWS Europe Central (Source: Netzmedien)
Chris Keller, Managing Director, AWS Europe Central (Source: Netzmedien)

Zum wievielten Mal nehmen Sie an der AWS re:Invent teil?

Ich war letztes Jahr zum ersten Mal vor Ort mit dabei. Davor, also bevor ich bei AWS tätig war, verfolgte ich die re:Invent jeweils online.

Vor einem Jahr verantworteten Sie noch die AWS-Geschäfte für die Schweiz und Österreich. Das hat sich mittlerweile geändert.

Genau. Anfang 2024 übernahm ich zusätzlich das Gebiet Europe Central. Es umfasst 33 Länder – in 8 davon haben wir Büros. Die vertretenen Länder sind sehr divers und reichen von der Schweiz über Polen, Griechenland bis zur Ukraine.

Wie bringen Sie diese Diversität unter einen Hut?

Als Schweizer sind wir mit einem guten Sinn für Diplomatie ausgerüstet und versuchen, die Balance zwischen den verschiedenen Interessen zu finden. Gleichzeitig finden wir aber auch Gemeinsamkeiten und daraus ergeben sich Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. So unterstützte die Schweiz etwa die Ukraine bei der Entwicklung der Diia-App, die auf der AWS-Infrastruktur läuft. Auf dem Portal kann die dortige Bevölkerung viele Behördengänge digital erledigen, von der Anmeldung einer Geburt über einen Hauskauf bis zur Heirat. Und das Diia ist nur ein Beispiel einer Zusammenarbeit. Die Schweiz ist wirtschaftlich auch mit vielen weiteren Ländern verzahnt.

Was zeichnet für Sie die diesjährige re:Invent aus?

2024 ist die erste re:Invent mit unserem neuen CEO Matt Garman, der die Eröffnungs-Keynote hielt. Ein Highlight war auch der Auftritt von Amazon-CEO Andy Jassy, der Einblick in die Amazon-Perspektive gab. Dazu kommen natürlich die vielen Neuheiten, die mich sehr stark interessieren.

Welches sind Ihre Favoriten?

Unsere Bedrock-Plattform, mit der Unternehmen KI-Modelle verwalten können, erhält eine Reihe neuer Features. Eines davon ist "Bedrock Model Distillation". Damit können Kunden ein auf dem Markt befindliches umfangreiches Basismodell (wie etwa Llama) auf ihren spezifischen Anwendungszweck hin abspecken. Sie könnten es zum Beispiel darauf optimieren, Kundenanfragen zu übersetzen. Das benötigt nur ein Subset der ursprünglichen Daten des Modells und lässt sich mit unternehmenseigenen Daten weiter verfeinern. Das Resultat ist ein kleineres, günstigeres und schnelleres Foundation Model.

Eine weitere grossartige Neuigkeit ist der "Amazon Q Developer Agent für die Codetransformation". Dieser vereinfacht beispielsweise die Migration von alten auf neue .Net-Versionen erheblich. Auch für die Legacy-Programmiersprache Cobol bietet Amazon Q einen Transformation-Service. Damit lassen sich entsprechende Applikationen in wesentlich kürzerer Zeit dokumentieren und modernisieren.

Die in meinen Augen grösste Neuigkeit ist das neue Basismodell "Amazon Nova". Es kann nicht nur Text-zu-Text-Aufgaben erledigen, sondern auch Bild-zu-Text, Audio-zu-Audio und vieles mehr.

Ist "Nova" ready für die Schweiz? Versteht es unsere Landessprachen?

Die verstehenden Nova-Modelle, die Text-Ausgaben produzieren, verstehen über 200 Sprachen, darunter auch Deutsch, Französisch und Italienisch. Die kreativen Modelle, die Bilder oder Videos generieren, verarbeiten aktuell englische Prompts.

An der re:Invent präsentieren sich auch zahlreiche AWS-Dienstleister. Was tragen Schweizer Unternehmen zum Ökosystem bei?

Viele AWS-Kunden und -Partner aus der Schweiz sind in Las Vegas. Einer davon ist Nexthink, ein Start-up aus Lausanne. Die Softwarefirma bietet Endpoint-Security-Lösungen aus der Cloud an. Ihre Dienste sind im AWS-Marketplace verfügbar und ermöglichen zum Beispiel die sichere Verwaltung von PCs oder Tablets. Auch Kudelski Security, die zum Beispiel Managed Disaster Response (MDR)-Dienste anbieten, sind vor Ort.

Ganz allgemein, wie geht es dem Schweizer Channel aktuell?

Wir haben über 100 aktive Partner in der Schweiz. Mit unserem wachsenden Angebot wachsen auch die Partner. Für uns zeigt sich das in der stetig steigenden Zahl an Zertifizierungen für Firmen und Fachkräfte. In den vergangenen Jahren vervielfachte sich beispielsweise das Geschäftsvolumen im Bereich der Systemmigrationen von On-Prem in die Cloud. Auch im SAP-Bereich hat das Geschäftsvolumen zugenommen.

Was bedeuten die vielen Ankündigungen der re:Invent 2024 für Ihre Partner?

Die Herausforderung für unsere Partner ist das Aufbauen von Expertise. Sie müssen nicht unbedingt die unterliegende Hardware kennen. Sie müssen aber die neuen Fähigkeiten verstehen, die mit der modernisierten Hardware möglich werden. Wir bieten beispielsweise neu den Graviton-4-Prozessor als Teil unserer Infrastruktur an. Er ist leistungsfähiger und energieeffizienter als sein Vorgänger. Daraus folgert für Partner, dass sie Services, wie etwa eine Website, auf dieser Infrastruktur günstiger betreiben können als auf einem bestehenden X86-Prozessor.

Blicken wir noch voraus: Was wird AWS und Ihre Schweizer Kunden 2025 umtreiben?

Zentral dürfte weiterhin bleiben, flexibler zu werden, die Resilienz zu erhöhen und die Innovationsfähigkeit zu stärken. Schweizer Kunden werden sich ausserdem eingehend fragen, wie sie mit KI ihre Geschäftsprozesse so bereichern können, dass ein praktischer Nutzen spürbar wird. Das kann eine Produktivitätssteigerung, eine bessere Nutzererfahrung und ein höherer Umsatz sein. Ich glaube, dass die KI-Adoptionswelle auf die Schweiz zurollt.

Und sind Unternehmen bereit dazu? Sind gewinnbringende KI-Prozesse nicht mega teuer zu implementieren?

Ich bin von Natur aus optimistisch und glaube, dass Technologie Unternehmen und der Gesellschaft helfen kann, produktiver zu werden und etwas Gutes zu bewirken. Tatsächlich ist es für Unternehmen wichtig, eine Datenstrategie zu haben und den Zugang zu ihren Daten zu organisieren. Für viele Unternehmen ist dies noch eine Herausforderung, aber es ist wichtig, dass sie sie anpacken, denn nur so kann KI einen praktischen Nutzen entfalten.

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