Vis-à-vis Dino Minichiello

Wie Servicenow bei KI den Menschen in den Mittelpunkt setzt

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von Coen Kaat

Anfang 2024 hat Dino Minichiello die Leitung der Schweizer Geschäfte von Servicenow übernommen. Im Interview spricht er über seinen Aufstieg und vor allem auch über künstliche Intelligenz – ein prägendes Thema für das US-amerikanische ­Unternehmen. Der Mensch soll aber bei diesem technologischen Fortschritt im Zentrum bleiben.

Dino Minichiello, Country Leader Switzerland, Servicenow. (Source: Alex Schelbert / wildcard.de)
Dino Minichiello, Country Leader Switzerland, Servicenow. (Source: Alex Schelbert / wildcard.de)

Sie leiten seit Anfang 2024 die Geschäfte von Servicenow in der Schweiz. Was haben Sie als Erstes angepackt?

Dino Minichiello: Um sicherzustellen, dass ich mehr Zeit für die Bedürfnisse und Ideen der Mitarbeitenden habe, habe ich jeden Montag zwei Stunden für einen offenen Austausch im Büro reserviert. Ziel ist es, neue, innovative Ideen zu fördern und sofortiges Feedback zu geben, um die Zusammenarbeit und Produktivität zu verbessern. Durch diese Massnahme möchte ich eine offenere Kommunikation und eine stärkere Einbindung aller Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse sowie ein optimales sowie effizientes Teamwork erreichen.

Sie sind nun rund zehn Jahre für Servicenow tätig. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie die Leitung in der Schweiz übernehmen wollen, und wie hat sich das seit dem Zeitpunkt auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Bei Servicenow legen wir grossen Wert auf Career-Programme und Nachfolgeplanungen, die entscheidend für unsere langfristige Entwicklung und unseren Erfolg sind. Diese Initiativen haben mir und vielen anderen Führungskräften geholfen, klare Karrierewege zu erkennen und sich gezielt auf neue Rollen vorzubereiten. Mir war von Anfang an klar, dass wir noch ein grosses Potenzial haben. Ständig haben wir bewiesen, dass wir in neue Bereiche expandieren können. Seitdem ich diese Rolle übernommen habe, hat sich meine Arbeit in vielerlei Hinsicht verändert. Die Verantwortung hat sich erweitert und ich bin nun stärker in strategische Entscheidungen eingebunden. Zudem habe ich intensiver an der Förderung von Kundenbeziehungen und Partnerbeziehungen gearbeitet und die interne Zusammenarbeit innerhalb unseres Teams gestärkt. Diese Veränderung hat nicht nur meine Führungsqualitäten verbessert, sondern auch zu einem signifikanten Wachstum unseres Marktanteils in der Region der Deutsch- und Westschweiz geführt.

Welche persönlichen Ziele wollen Sie bei Servicenow noch erreichen?

Meine persönlichen Ziele für die Schweiz umfassen die Steigerung der strategischen Bedeutung von Servicenow bei unseren Kunden. Dies soll durch die Etablierung von Servicenow als unverzichtbaren Bestandteil der digitalen Transformation in neuen Geschäftsfeldern ausserhalb der IT erreicht werden. Zudem verfolgen wir das Ziel, strategische Partnerschaften und Allianzen weiter auszubauen, um unsere Marktpräsenz zu stärken und Synergien zu nutzen.

Wie verlief die Übergabe von Ihrem Vorgänger Alain Badoux zu Ihnen?

Die Übergabe verlief fliessend und nahtlos, dank unserer langjährigen engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Besonders wertvoll waren die persönlichen Einblicke in strategische Themen, laufende Projekte und relevante Beziehungen. Alains Unterstützung erwies sich als sehr hilfreich, da ich bereits in verschiedenen Situationen die Stellvertretung für die Schweiz übernommen hatte. Dadurch konnte ich die Komplexität der Aufgabe schnell in der Praxis erfahren und mich effektiv auf meine neuen Aufgaben vorbereiten und diese nun optimal wahrnehmen.

Was wollen Sie anders machen als Badoux?

Es geht nicht darum, etwas grundsätzlich zu verändern, sondern den gemeinsam eingeschlagenen Weg an die sich ständig verändernden Marktsituationen und kommenden Innovationen anzupassen. So wird künstliche Intelligenz (KI) und Gen AI die nächsten Monate und Jahre viel stärker prägen, als wir uns die bis vor kurzem überhaupt vorstellen konnten. Die bedeutet für uns auch, dass wir uns noch viel stärker mit den verschiedenen Geschäftsbereichen unserer Kunden auseinandersetzen müssen. Weiterhin werden wir ein grosses Augenmerk auf den Mittelstand legen, da wir hier viele Chance sehen, in dem wir die Bedürfnisse dieser Kundengruppen noch besser adressieren.

Wie sieht Ihre Strategie für den Schweizer Markt aus?

In unserer wie natürlich auch in vielen anderen Branchen ist Wachstum wichtig und wird somit weiterhin unsere Strategie prägen. Dank des Einsatzes von KI in unseren Lösungen werden wir unsere Marktpräsenz weiter ausbauen können. Zentrale Aspekte dabei sind die Integration generativer KI zur Effizienzsteigerung, wie etwa durch unsere Lösung "Now Assist" in verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Fertigung, Life Science, Gesundheitswesen und dem öffentlichen Sektor. Das Ziel ist es, massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die Kundenbindung zu stärken und neue Marktsegmente zu erschliessen. Insgesamt setzen wir auf technologische Innovation, Marktexpansion und strategische Partnerschaften, um unser Wachstum sicherzustellen und unsere Position als führender Anbieter von digitalen Workflow-Lösungen zu stärken.

Und mit welchen konkreten Massnahmen wollen Sie diese Strategie verwirklichen?

Im Bereich der KI integriert Servicenow generative KI in Produkte wie "Now Assist", um schnelle und relevante Antworten auf Anfragen zu liefern. Diese Integration erstreckt sich auf unsere gesamte Plattform, einschliesslich Human Resources, Customer Services, Field Service Management und natürlich auch IT-Services. Unsere Zusammenarbeit mit führenden Technologieanbietern zielt darauf ab, branchenspezifische KI-Lösungen zu entwickeln, die den Wettbewerbsvorteil unserer Kunden beschleunigen. Neue KI-Funktionen zur automatisierten Fehlerbehebung und zur Verbesserung der Entwicklerproduktivität werden ebenfalls eingeführt.

Welche Hürden sehen Sie bereits am Horizont, die Ihrer Strategie im Weg stehen könnten?

Hürden sehen wir eigentlich keine, aber natürlich ist es herausfordernd, die Akzeptanz und das Vertrauen der Benutzerinnen und Benutzer in generative KI und KI-Lösungen im Allgemeinen zu gewinnen. Unternehmen stehen der Integration dieser Technologien in ihre bestehenden Systeme und Prozesse noch zurückhaltend gegenüber, besonders im Hinblick auf Datenschutz- und Sicherheitsaspekte. Um diese Hürden zu überwinden, setzen wir auf transparente Kommunikation und intensive Schulungen, um den Mehrwert und die Sicherheitsvorkehrungen unserer Lösungen zu verdeutlichen. Ähnliche Herausforderungen hatten wir vor vielen Jahren, als Cloud- und SaaS-Lösungen noch nicht so akzeptiert waren wie heute. Somit wissen wir, mit solchen Herausforderungen gut umzugehen. 

​Wie wollen Sie diese Herausforderungen anpacken?

Die kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung der KI wird elementar sein, um auch in Zukunft mit den sich schnell ändernden Anforderungen und den weiteren technologischen Fortschritten Schritt zu halten. Hierfür investiert Servicenow viel in Forschung und Entwicklung sowie in Partnerschaften mit führenden Technologieunternehmen, um sicherzustellen, dass unsere Lösungen stets auf dem neuesten Stand sind und die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen. Zudem setzen wir natürlich selbst in allen Abteilungen erfolgreich unsere Lösungen lokal und global ein. Die starke Position im Markt zeigt, dass unsere klare Strategie von den Kunden verstanden wird und wir darum weiterhin erfolgreich wachsen werden.

Wie relevant ist der Schweizer Markt für Servicenow? 

Der Schweizer Markt ist für Servicenow von sehr grosser Bedeutung, da er eine hohe Dichte an global agierenden Unternehmen und innovativen Mittelstandsunternehmen aufweist, die fortschrittliche SaaS-Lösungen zur Digitalisierung und Optimierung ihrer Geschäftsprozesse suchen. Durch unsere Präsenz in der Schweiz können wir diese Unternehmen direkt unterstützen und massgeschneiderte Lösungen anbieten, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse und regulatorischen Anforderungen abgestimmt sind.

Und umgekehrt: Wie relevant ist Servicenow für den Schweizer Markt? 

Umgekehrt spielt Servicenow immer stärker eine entscheidende Rolle bei unseren Kunden, da die meisten Unternehmen auf wenige strategische Plattformen setzen und da gehört Servicenow mittlerweile klar dazu. Die Kunden schätzen, dass wir eine leistungsstarke und skalierbare Plattformen bereitstellen, die Unternehmen dabei helfen, ihre Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, Kosten zu senken und ihre digitale Transformation voranzutreiben. Unsere Lösungen ermöglichen es Schweizer Unternehmen, vor allem auch 80 Prozent der KMUs, die unsere Kunden sind, wettbewerbsfähig zu bleiben und ihre Innovationskraft weiter zu stärken.

Wie wird KI die Art, wie wir zusammenarbeiten, verändern?

KI wird die Zusammenarbeit grundlegend verändern, indem sie nicht nur repetitive Aufgaben automatisiert, sondern auch hilft, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen, und die Entwicklung innovativer Lösungen unterstützt und beschleunigt. Durch die Analyse grosser Datenmengen und das Treffen präziser Vorhersagen unterstützt KI die Entscheidungsfindung, wodurch wir schneller fundierte Entscheidungen treffen können. Darüber hinaus steigert KI die persönliche Produktivität durch individuelle Unterstützung, die auf persönliche Arbeitsstile und Präferenzen abgestimmt ist, während virtuelle Assistenten sowohl einfache Aufgaben erledigen als auch die Kommunikation und Interaktion zwischen Teams verbessern, indem sie kontinuierlich dazulernen und sich anpassen. Ein aktuelles Beispiel ist unsere strategische Partnerschaft mit ­Microsoft, welche die generativen KI-Assistenten Servicenow Now Assist und Microsoft Co-Pilot zu einer nahtlosen, intelligenten Lösung kombiniert. So werden auch Mitarbeitererlebnis und -zufriedenheit zusätzlich verbessert.

Was macht Servicenow ferner in dem Bereich?

Bei Servicenow haben wir im KI-Bereich bereits bahnbrechende Fortschritte erzielt. Wir bieten massgeschneiderte KI-Anwendungen für Unternehmen in verschiedenen Branchen wie Versicherungen, Gesundheitswesen, Banken und Industrie an. Diese Anwendungen basieren auf einer Reihe von generativen KI-Lösungen, die wir in Partnerschaft mit führenden Technologieunternehmen entwickeln. Die cloud­basierte Now-Platform und die damit verbundenen Lösungen steigern die Produktivität unserer Kunden, indem sie alle notwendigen Anwendungen miteinander verbinden. KI unterstützt Mitarbeitende und macht Unternehmen mit praxisnahen Anwendungen zukunftsfähig. Das Potenzial der generativen KI, die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend zu verändern, ist unbestreitbar. Die eigentliche Chance besteht darin, dieses Potenzial zu nutzen, um erheblichen Mehrwert für Unternehmen zu schaffen. Der Mensch bestimmt den Kurs: Wir steuern die Technologie und nicht umgekehrt. Natürlich spielt Sicherheit dabei auch eine zentrale Rolle.

Welchen Wert haben menschliche Mitarbeitende in einer zunehmend durch KI automatisierten Welt?

In einer zunehmend durch KI automatisierten Welt behalten menschliche Mitarbeitende einen erheblichen Wert, der sich auf mehrere Kernbereiche konzentriert. Sie zeichnen sich durch emotionale Intelligenz und Empathie aus, die für das Management von Teams, den Kundenservice und das Verhandeln von Geschäften unerlässlich sind. Beziehungen und das Verständnis zwischenmenschlicher Dynamiken sind Bereiche, in denen Menschen unersetzlich bleiben. Obwohl KI bei der Analyse grosser Datenmengen und der Erkennung von Mustern hilft, erfordert die endgültige Entscheidungsfindung oft komplexes und kontextabhängiges menschliches Urteilsvermögen. Menschen können die kulturellen, ethischen und sozialen Implikationen von Entscheidungen besser berücksichtigen. Zudem sind sie notwendig, um die ethischen Aspekte der KI-Nutzung zu überwachen und sicherzustellen, dass KI-Systeme fair, transparent und verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Sie gewährleisten, dass die Implementierung und Nutzung von KI den gesellschaftlichen Normen und Gesetzen entspricht.

Nach eigenen Angaben will Servicenow, wenn es um KI geht, Benutzer und Benutzerinnen in den Mittelpunkt des Designs ­rücken. Eine "People First"-KI. Was heisst das genau?

Der Begriff "People First"-KI bei Servicenow bedeutet, dass die Entwicklung und Implementierung von KI auf die Bedürfnisse und das Wohlbefinden der Benutzerinnen und Benutzer ausgerichtet ist. Dieses Konzept stellt sicher, dass KI-Technologien den Menschen dienen und ihre Erfahrungen verbessern, statt sie zu ersetzen oder ihre Arbeit zu erschweren. "People First"-KI bedeutet, dass bei der Entwicklung stets der Mensch im Mittelpunkt steht. Dies umfasst benutzerzentriertes Design, Transparenz, ethische Überlegungen, Unterstützung menschlicher Arbeit sowie Inklu­sion und Vielfalt. Diese Prinzipien zielen darauf ab, die positiven Auswirkungen von KI zu maximieren und das Wohl der Benutzenden und der Gesellschaft zu fördern.

Und wie stellen Sie sicher, dass der Mensch im Mittelpunkt bleibt?

Um sicherzustellen, dass der Mensch im Mittelpunkt bleibt, ergreift Servicenow eine Reihe konkreter Massnahmen, die auf verschiedenen Ebenen umgesetzt werden. Einige Ansätze beinhalten die aktive Einbeziehung der Benutzerinnen und Benutzer in den Designprozess durch Workshops, Feedback-Sitzungen und Beta-Tests. Feedback wird systematisch gesammelt und in die Weiterentwicklung der Produkte einbezogen. Zudem sorgen wir für klare und verständliche Kommunikation über die Funktionsweisen und Updates der KI-Systeme. Dies hilft den Usern, die Technologien besser zu verstehen und effektiv zu nutzen. Durch diese Massnahmen wird sichergestellt, dass die Bedürfnisse und das Wohlbefinden der User stets im Vordergrund stehen.


Persönlich
Seit Anfang des Jahres leitet Dino Minichiello als Country Leader Switzerland die Geschäfte von Servicenow in der Schweiz. Der neue Schweiz-Chef ist bereits seit 2014 für das US-amerikanische Unternehmen tätig. Vor seinem Aufstieg war er zuletzt als ­Sales Director für die Bereiche Manufacturing, Public Sector und Services verantwortlich. Bevor er zu Servicenow gewechselt ist, sammelte er bei verschiedenen anderen Unternehmen in der Branche Erfahrungen. So war er etwa in verschiedenen Rollen für CA Technologies und Symantec tätig.

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