Wie die Digitalisierung den Schweizer Arbeitsmarkt beeinflusst
Mit der Digitalisierung verändern sich Berufe laufend. Negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse hatte dies bisher nicht, sagt der Bundesrat. Dennoch gibt es Klärungsbedarf, etwa im Bereich internetbasierter Plattformen.
Die Schweiz meistert den digitalen Wandel gut. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat, der am 9. Dezember 2022 zwei Berichte verabschiedete, in denen er sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Schweiz befasst.
Kaum negative Auswirkungen
Schwerpunkt des ersten Berichts ist der hiesige Arbeitsmarkt. Dieser habe die Herausforderungen der Digitalisierung bisher erfolgreich bewältigt, fasst der Bundesrat zusammen. In den letzten Jahren hätten sich Berufe und Tätigkeiten laufend verändert. So verloren automatisierbare Tätigkeiten an Wichtigkeit, zugunsten nicht automatisierbarer Arbeiten. Negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse ergaben sich dadurch jedoch nicht. Namentlich sei das Angestelltenverhältnis in der Schweiz unverändert die dominierende Erwerbsform, und auch der Anteil der Arbeitnehmenden, die einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt sind, sei in den letzten Jahren stabil geblieben.
"Negative Auswirkungen auf das Normalarbeitsverhältnis, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung teilweise befürchtet werden, waren in der Schweiz kaum feststellbar", heisst es im Bericht. Atypische Arbeitsformen wie etwa befristete Arbeitsverhältnisse, der Personalverleih, die Soloselbstständigkeit oder internetbasierte Plattformdienstleistungen seien "von relativ kleiner Relevanz" geblieben.
Dagegen erlangte die Telearbeit im Zuge der Coronapandemie eine besondere Bedeutung. Nach der Pandemie dürfte ihre Bedeutung wieder abnehmen, jedoch höher bleiben als vor Corona, schätzt der Bundesrat.
Bildung, Rahmenbedingungen und Innovationsförderung gegen den Fachkräftemangel
Als wichtigen Faktor im Rahmen des digitalen Wandels bezeichnet der Bundesrat das hiesige Bildungssystem. Es sei flexibel und durchlässig und ermögliche darum die Anpassung an strukturelle Veränderungen. Von zentraler Bedeutung ist laut dem Bundesrat auch die enge Koordination zwischen Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt, die für adäquate Lerninhalte sorge.
Mit Bildung alleine bekämpft die Schweiz den Fachkräftemangel jedoch nicht, wie es weiter heisst. Im Zentrum der weiteren Massnahmen, um das hiesige Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen, stehen die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Schaffung guter Rahmenbedingungen zur Erwerbstätigkeit bis zum Rentenalter und darüber hinaus die Förderung von Innovationen.
Man prüfe zur Zeit aber auch verschiedene Massnahmen, um das aktuelle Zulassungssystem für erwerbstätige Drittstaatsangehörige mittelfristig bedarfsgerechter und wettbewerbsfähiger auszugestalten. "Insgesamt sollen langfristig gute Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es der Schweiz ermöglichen, den Fachkräftebedarf nachhaltig decken zu können", schreibt der Bundesrat.
Laut einer aktuellen Adecco-Studie hat sich der Fachkräftemangel in der Schweiz erneut zugespitzt. Softwareentwicklerinnen und -entwickler gehören zu den meistgesuchten Profis. Dagegen geht die Nachfrage nach E-Commerce-Spezialisten zurück, wie Sie hier lesen können.
Fragen bleiben offen
Bei allem Optimismus räumt der Bundesrat auch Klärungsbedarf ein. Mehrfach erwähnt er im Bericht offene Geschäfte und noch nicht beantwortete Fragen. Bezüglich künstlicher Intelligenz (KI) schreibt er, sie biete "Fragestellungen, die sich heute erst partiell beurteilen lassen" und verweist auf ein nationales Forschungsprogramm, mit dem er die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützt.
Seit dem Homeoffice-Boom sei auch die Regulierung von Arbeitsverhältnissen wieder verstärkt in den Fokus gelangt. Zwar können viele neue Entwicklungen durch die bestehende Gesetzgebung geregelt werden, findet der Bundesrat. Dennoch würden mögliche Gesetzesanpassungen fortlaufend geprüft.
Rechtliche Fragestellungen ergeben sich auch bei den internetbasierten Plattformen. Hier geht es laut dem Bundesrat um die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit. Zwar biete das aktuelle System der sozialen Sicherheit genügend Flexibilität. Optimiert werden, könne jedoch noch die Information der Beschäftigten über ihre versicherungsrechtliche Situation. Allerdings, merkt der Bundesrat an, seien die neuartigen Beschäftigungsformen in der Schweiz bislang wenig verbreitet gewesen. Die Exekutive beruft sich hier auf Zahlen aus dem Jahr 2019. Eine neue Erhebung soll es 2022 geben.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen überprüfen
Im zweiten Bericht befasst sich der Bundesrat mit den Entwicklungen im Bereich der digitalen Wirtschaft. Auch hier kommt die Covid-19-Pandemie zur Sprache, welche die Digitalisierung zusätzlich vorangetrieben habe.
Im internationalen Vergleich sei die Schweiz bei der Digitalisierung nach wie vor stark positioniert, heisst es im Bericht. Trotzdem regt der Bundesrat an, die Rahmenbedingungen in der Schweiz zu überprüfen, um den Veränderungen gerecht zu werden und sich bietende Chancen zu nutzen.
Konkret könne und solle der Staat etwa primär durch attraktive wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen ein positives Umfeld für die digitale Wirtschaft schaffen. Dagegen hält der Bundesrat industriepolitische Konzepte – im Sinne einer gezielten Förderung bestimmter Branchen, Sektoren, Firmen oder der von diesen verwendeten Technologien – für nicht zielführend.
In einem Grundlagenbericht vom Oktober 2022 zeigt das Bundesamt für Kommunikation auf, wie der Service public digitaler werden soll. Der Bund will nicht nur die Telko-Infrastruktur verbessern, sondern auch einen Verhaltenskodex für den Betrieb von vertrauenswürdigen Datenräumen einführen. Mehr dazu lesen Sie hier.