Neues Beschaffungswesen – es gibt noch viel zu tun
Die IT-Beschaffungskonferenz hat vor allem eines gezeigt: Die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) ist eine Mammut-Aufgabe. Das neue BöB wird kaum vor 2019 in Kraft treten.
Die sechste IT-Beschaffungskonferenz hat über 350 Teilnehmer nach Bern gelockt. Das Kernthema der Veranstaltung war die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), die der Bundesrat anstrebt.
Die Revision ist eine Mammut-Aufgabe
Nationalrätin Regula Rytz hielt das erste Referat. Sie zeigte den Stand der Dinge auf: Der Bundesrat wolle bis spätestens 2019 die WTO-Regeln für Beschaffungen im Schweizer Recht abbilden – bis dann gebe es noch viel zu tun.
Die Präsidentin der Grünen erwartet hitzige Diskussionen im Parlament. Etwa über die Ausdehnung der Freihandvergabe und die Lockerung des Öffentlichkeitsprinzips. Das neue Gesetz müsse vor allem den Wettbewerb fördern und Korruption entgegenwirken, sagte die Nationalrätin.
Was bisher geschah
Rytz blickte zurück auf 23 Jahre Schweizer Beschaffungsrecht. Es entsprang 1994 dem GATT/WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA) und wurde 2012 revidiert. Das neue Abkommen soll vor allem mehr Transparenz und einen leichteren Marktzugang bringen.
2015 startete das Vernehmlassungsverfahren - mit 109 Stellungnahmen in 4 Monaten. Das Eidgenössische Finanzdepartment fasste die Ergebnisse 2016 zusammen. Im Februar 2017 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Revision des BöB. Sie soll die Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen harmonisieren. Parallel dazu gab es vom Bundesrat auch eine Botschaft zum revidierten GPA-Abkommen.
Wie es nun weitergeht
Rytz bewies an der IT-Beschaffungskonferenz eine grosse Dossierkompetenz. Als ehemaliges Regierungsmitglied der Stadt Bern war sie verantwortlich für rund 1600 Beschaffungen, die das Tiefbauamt der Stadt Bern zwischen 2005 und 2012 tätigte. Es gab unter anderem ein 80-Millionen-Franken-Projekt, das den Umbau des Berner Bahnhofplatzes ermöglichte. Auch für die Erneuerung des geografischen Informationssystems trug sie die politische Verantwortung.
2017 und 2018 laufen nun die Beratungen im Schweizer Parlament. 2018 oder 2019 sei es dann möglich, dass ein Referendum gegen das neue Gesetz ergriffen werde. Rytz rechnet darum nicht damit, dass das neue BöB vor 2019 in Kraft tritt.
Neues Dialog-Verfahren
Die Nationalrätin bezeichnete das Beschaffungsrecht als höchstkomplex, was auch mit der föderalistischen Struktur der Schweiz zu tun habe. "Es bleibt kompliziert", sagte Rytz. Sie ging auf einige geplante Neuerungen ein. Etwa auf das neue Dialog-Instrument: Es soll Ausschreibungen als Dialogprozess beim Bund und neu auch bei Kantonen ermöglichen - im Rahmen offener und selektiver Verfahren.
Die Möglichkeit eigne sich dann, wenn das Ziel einer Ausschreibung bekannt sei, nicht aber der Weg zum Ziel. Der Lösungsweg könne so in einer Vorphase zum Angebot durch Ausschreiber und Anbieter gemeinsam erarbeitet werden.
Viele Details zum Gesetz würden schlussendlich aber auf Verordnungsstufe geregelt, sagte Rytz. Und was da kommen werde, sei noch völlig unklar. Unter anderem auch der Vergütungsmechanismus bei Nichterhalten eines Zuschlags.
IT macht nur einen kleinen Teil der Beschaffungen aus
Nach Rytz sprach Pierre Broye, Direktor des Bundesamts für Bau und Logistik. Die öffentliche Hand schreibe jährlich Konsumgüter und Dienstleistungen für 40 Milliarden Franken aus. Das seien 6 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts.
15 Prozent der Ausschreibungen mache der Bund, 10 Prozent davon für IT-Beschaffungen. Der Vorschlag des Bundesrats schaffe bessere Rahmenbedingungen, mehr Wettbewerb und Rechtssicherheit. Verfahren würden so effizienter, sagte Broye.
Die neuen Rahmenverträge mit mehreren Zuschlagsempfängern würden auch Abhängigkeiten verringern und neue strategische Partnerschaften ermöglichen. Und die Möglichkeit der Fristverkürzung für die Einrechungen werde die Verfahren beschleunigen, sagte Broye. Die Umsetzung der neuen gesetzlichen Spielräume und Möglichkeiten sei aber noch eine Herausforderung.
Mehr Effizienz mit Micro-Services
Einen Weg, um Abhängigkeiten zu reduzieren, zeigte Andreas Amsler von Liip auf. Der IT-Experte plädiert dafür, bei Ausschreibungen stärker auf Micro-Services zu setzen. Anstatt grosse Monolithen sollten kleine IT-Bausteine ausgeschrieben werden. Das wäre ein Paradigmenwechsel bei der Vergabe von IT-Beschaffungen. Dieses Vorgehen verringere die Möglichkeit von Kostenüberschreitungen und reduziere die Abhängigkeit von IT-Anbietern und Legacy-Technologien. Projekte sollten sich so auch weniger verspäten und die Systeme besser performen.
Für Micro-Services braucht es standardisierte, offene Schnittstellen. Ein Beispiel dafür ist laut Amsler die Plattform opendata.swiss, die Opendata-Kataloge oder Geodaten des Bundes automatisch an das European Data Portal ausliefere. Die Idee: Einmal bauen, mehrmals verwenden. Ob sich die Beschaffer mit solchen Micro-Services anfreunden können, steht allerdings noch in den Sternen.
Wo liegt der Grenznutzen von Transparenz?
Zum Schluss der Konferenz gab es noch ein Podium, an dem neben Rytz auch der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger teilnahm. Anja Nyffenegger, Geschäftsführerin und Inhaberin von CPM11 und externe Beraterin für Beschaffungsprojekte beim Bund, und Thomas Fischer, Leiter Beschaffungskonferenz des Kantons Bern, diskutierten ebenfalls mit.
Von links: Adrian Lobsiger, Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter; Regula Rytz, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen (Bild: Netzmedien)
Leider verlief die Diskussion etwas eintönig. Lobsiger und Rytz erhielten viel Redezeit, Nyffenegger und Fischer kamen kaum zu Wort. Die Gruppe diskutierte über die geplante Abkoppelung des Öffentlichkeitsgesetzes vom Beschaffungswesen. Lobsiger kritisierte dieses Vorhaben einmal mehr als "Rückfall in die Steinzeit".
Von links: Regula Rytz, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen; Matthias Stürmer, Vorstandsmitglied des Vereins CH Open; Anja Nyffenegger, Geschäftsführerin und Inhaberin von CPM11 und externe Beraterin für Beschaffungsprojekte beim Bund; Thomas Fischer, Leiter Beschaffungskonferenz des Kantons Bern (Bild: Netzmedien)
Fischer konterte: "Wenn es weniger Anbieter gibt, weil alle Angst haben, dass Geschäftsgeheimnisse rausgehen, ist das auch nicht gut." Er wies darauf hin, dass etwa der Kanton Bern noch gar nicht so weit sei, um Transparenz zu schaffen. Viele Daten seien gar nicht vorhanden, auch weil gerade eine ERP-Beschaffung laufe. "Wann ist der Grenznutzen für mehr Transparenz erreicht?", fragte Fischer. Eine Antwort darauf fanden die Diskussionsteilnehmer nicht.
Organisatoren der IT-Beschaffungskonferenz waren die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, das Informatiksteuerungsorgan Bund, die Schweizerische Informatikkonferenz, SwissICT und CH Open. Die Veranstaltung wird nächstes Jahr wieder stattfinden.