Vom Hype zum Standard
Bisher galt: Rechenzentren sind geheimnissvoll, hochtechnisiert und irgendwie schick. Künftig wird die Aura von Exotik dem Muff von Verbandsmeierei weichen. Das ist gut so, denn auf die Rechenzentrenbetreiber kommen, trotz guter Marktaussichten, Probleme zu. Eines heisst Energiewende.
Geschäftsmodelle wie Software-as-a-Service, Infrastructure-as-a-Service oder Online-Back-up-Services stellen hohe Anforderungen an die rund 500 Datacenter in der Schweiz. Die Fläche dieser Rechenzentren (RZ) summiert sich auf rund 37 000 Quadratmeter. Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Qualität haben ihren Preis: Für einen Quadratmeter State-of-the-Art-Rechenzentrum müssen zwischen 10 000 und 20 000 Franken investiert werden. Jedes Jahr, so hat der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut) errechnet, werden 200 bis 400 Millionen Franken für Datacenter verbaut. Hinzu kommt, dass mittlere und grosse Unternehmen ihre Datacenter-Infrastruktur in den nächsten Jahren aufrüsten, outsourcen oder neu bauen müssen. Die Marktforscher von Tier-1-Research und Credit Suisse schätzen, dass die RZ-Fläche in den nächsten drei Jahren jährlich um rund sieben Prozent steigen werde. Mittlerweile haben auch die Wirtschaftsverbände die Rechenzentren für sich entdeckt. Allen voran der Telekomverband Asut und der Wirtschaftsverband Swico. Innerhalb des Swico spielen die Interessengemeinschaften (IGs) eine tragende Rolle. Sie bündeln die Interessen verschiedener Bereiche am ICT-Markt. Eine IG Rechenzentrum suchte man bisher vergebens. Diese Lücke will der Swico nun schliessen und plant eine IG für Colocation-Anbieter, wie Verbandspräsident An dreas Knöpfli an der diesjährigen Swico-GV Anfang Mai ankündigte. Dafür wurde auch der Swico-Vorstand mit Marco Dottarelli, Managing Director des Colocation-Betreibers Equinix Switzerland, erweitert.
Auch auf Provider-Seite sieht man Handlungsbedarf. Laut Asut gibt es bis heute keine landesweite Vereinigung, die sich dafür einsetzt, dass die in der Schweiz tätigen RZ-Betreiber wirtschaftlich und politisch optimale Rahmenbedingungen erhalten. Der Providerverband glaubt zudem, dass sich die Schweiz, vergleichbar der Uhrenindustrie, als Exporteur von hochwertigen ICTLösungen positionieren kann.
Verbände sind gut für die Branche
Es geht also, für Asut wie Swico, um Geld für die Mitglieder und Einfluss für die Verbände. Das ist gut für die Schweizer RZ-Branche, denn es werden Probleme auf sie zukommen. Eines ist die sogenannte Energiewende: Der Bund will Energie sparen, und Rechenzentren brauchen viel davon. Walter Steinmann, Direktor des Bundesamts für Energie warnt: "Rechenzentren werden ein Problem geben." Die ICT-Industrie müsse ihren Beitrag zur Reduktion des Energieverbrauchs leisten. Es gehe ihm nicht darum, dass Rechenzentren nicht mehr in der Schweiz stehen dürften, weil diese viel Strom brauchen. Aber sie sollten so energieeffizient wie möglich arbeiten.
Standardgeräte drängen ins Datacenter
Das Thema Energieeffizienz haben auch die Hersteller erkannt und werben immer öfter mit integrierten Systemen für Rechenzentren. Diese sollen dank aufeinander abgestimmter Komponenten, wie Server, Switche und Speicher, effizienter arbeiten. Also auch weniger Energie verbrauchen. Netapp bietet hierfür seine Flexpod-Systeme an, das Pendent zu EMCs Vblock. Erst im letzten Monat stellte EMC mit VSPEX ein weiteres Best-of-Breed-Konzept fürs Rechenzentrum vor.
Cisco zählt für seine UCS-Systeme mittlerweile gut 200 Kunden in der Schweiz. IBM bietet mit seinen Puresystems ebenfalls fertige Appliances für das Datacenter an. Die Kombination aus hochintegrierter IT und Software gilt nicht nur als Möglichkeit zum Stromsparen, sondern auch als Wachstumsmarkt: Nach Einschätzung des IT-Marktforschers Forrester wächst das Geschäft mit den kombinierten Hardware-Software-Paketen um rund 18 Prozent jährlich. Gut für Outsourcer: Wie MSM Research in seiner Studie Datacenter Outlook 2012 zum RZ-Markt in der Schweiz ermittelt hat, wägen 20 Prozent der Schweizer Unternehmen Möglichkeiten ab, Datacenter- und Cloud-Services von externen Anbietern zu beziehen. Gemäss den Schweizer Marktforschern wächst der Umsatz mit Outsourcing-Services von 3,22 Milliarden Franken 2011 auf 3,26 Milliarden dieses Jahr und 3,4 Milliarden Franken nächstes Jahr.