Interview

So will Infoniqa Sage Schweiz und Run My Accounts integrieren

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2021 hat Infoniqa zuerst Sage Schweiz und danach Run My Accounts übernommen. Wie es nun weiter geht, erklären Infoniqa-CEO Léon Vergnes, Schweiz-Chef Thomas Hersche und Run-My-Accounts-CEO Thomas Brändle im Interview. Auch sprechen sie darüber, ob noch weitere Zukäufe geplant sind.

Léon Vergnes, CEO von Infoniqa. (Source: Mario Boro | Agentur B.)
Léon Vergnes, CEO von Infoniqa. (Source: Mario Boro | Agentur B.)

Ursprünglich ist Infoniqa ein österreichisches Unternehmen. Was erhoffen Sie sich von der Expansion in die Schweiz und nach Deutschland?

Léon Vergnes: Kleine und mittlere Unternehmen standen immer im Fokus von Infoniqa. In Österreich sind wir bereits ein führender Anbieter für Payroll- und HCM-Lösungen. In Deutschland sind wir der Anbieter mit dem schnellsten Wachstum. Zudem erhalten wir viel positives Feedback von unseren Kunden. Wir wissen aber auch, dass sich die Lohnbuchhaltung auf einzelne Regionen beschränkt – unsere HCM-Lösungen können wir dafür überall anbieten. Mit den Zukäufen erweitern wir unser Unternehmensprofil mit Buchhaltung, ERP und Treuhand.

Was ist besonders am Schweizer Markt interessant, dass Sie hier gleich zwei Unternehmen aufkaufen?

Léon Vergnes: Wenn man sich das gesunde Wachstum des Schweizer Finanz- und ERP-Markts anschaut, wird klar, dass dies zunehmend an der Professionalisierung von HR und Buchhaltung liegt. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderung, es gibt also immer mehr zu beachten und wir beobachten eine Verschiebung von "Vor-Ort"-Lösungen hin zur Cloud. Das sind unserer Ansicht nach die grössten Treiber in der gesamten DACH-Region. Für ein starkes Wachstum ist jedoch die Personaldecke sehr dünn, der Kampf um Talente hoch; für die KMUs ist es schwer, Fachkräfte wie Buchhalter zu finden.

Warum haben Sie gerade Sage Schweiz und Run My Accounts übernommen?

Léon Vergnes: Die Übernahme von Sage Schweiz ist für uns der Einstieg in den hiesigen Finanz- und ERP-Markt. Mit Run My Accounts fügen wir ausserdem noch weitere Service-Komponenten hinzu. Run My Accounts bietet ihre Buchhaltungslösung jetzt schon über 600 Schweizer KMUs an. Damit können wir eine Kombination aus Software und Dienstleistungen bereitstellen, die die gesamte Palette an Buchhaltung, Steuern und Lohnbuchhaltung abdeckt. Für uns ist also diese strategische Kombination aus Sage Schweiz und Run My Accounts hochsynergetisch und macht uns auf dem Markt sehr attraktiv. Wir können mit diesem Angebot, etwa die Produktivität der Buchhaltung erhöhen und Betriebskosten senken.

Wie wirken sich die beiden Übernahmen auf Kunden und Partner aus?

Thomas Hersche (ehemals Sage Schweiz): Die einfachste Veränderung ist die Namensänderung. Sage Schweiz wird künftig Infoniqa. Die Kunden können mit ihren Lösungen weiterarbeiten, die Ansprechpartner und auch die Services bleiben gleich. Wir haben nun jedoch dank Infoniqa ein breiteres Angebot, wie beispielsweise Infoniqa One HCM. Unsere Bestandskunden können so weitere Komponenten hinzufügen.

Thomas Hersche, Managing Director von Infoniqa Switzerland. Zuvor Country Manager von Sage Schweiz. (Source: zVg)

Was passiert mit der Marke Sage? Die entsprechenden Produkte sind immerhin bekannt.

Thomas Hersche: Da müssen wir die Produktnamen ein wenig auseinandernehmen. Wir bleiben mit den Namen eng an den bisherigen Bezeichnungen Start, 50 und 200 und ersetzen "Sage" durch "Infoniqa". Ausserdem erhalten die Produktnamen einen "Verbinder". Die Produkte werden also "Infoniqa One Start", "Infoniqa One 50" und "Infoniqa One 200" heissen. Grundsätzlich wollen wir sicherstellen, dass jeder Kunde versteht, was er hat und dass es das gleiche Produkt bleibt. Zudem investieren wir natürlich weiter.

Thomas Brändle (Run My Accounts): Run My Accounts bleibt ganz bewusst eine eigene Marke. Wir werden also nicht in den Brand Infoniqa überführt. Wir behalten auch unseren eigenen Sitz.

Thomas Brändle bezeichnete den Kauf von Run My Accounts als "Glücksgriff". Sehen Sie das auch so, Herr Vergnes?

Léon Vergnes: Absolut, sonst hätten wir nicht zugegriffen. Wir kennen die Vorteile von Run My Accounts für das Geschäft und für die Skalierung. Dadurch wollen wir Synergien schaffen. Die Übernahme von Run My Accounts ermöglicht es uns, unser Profil zu vervollständigen. Wir bringen damit unsere Dienstleistungen zusammen.

Was muss ein Unternehmen bieten, um aus Ihrer Sicht potenziell interessant zu sein?

Léon Vergnes: (lacht) Ja, sag niemals nie. Aber um es kurz zu machen: Ein Unternehmen muss in unsere Strategie und unsere Vision passen. Es sollte zu unserem Angebot beitragen. Wenn das alles stimmt, sind wir interessiert.

Welche Unternehmen stehen auf Ihrer Einkaufsliste?

Léon Vergnes: Es geht darum, unser Profil zu vervollständigen. Und in keinem unserer Geschäftsgebiete haben wir momentan ein so vollständiges Portfolio wie in der Schweiz. Wir wären gerne in Deutschland und Österreich mit einem ähnlichen Profil vertreten. Daher kann ich sagen, dass wir uns um potenzielle Akquisitionen in diesen Regionen bemühen.

Wollen Sie den Schweizer ERP-Markt konsolidieren?

Thomas Hersche: Ziel ist es, mit unseren Produkten einen Mehrwert zu generieren. Für uns stehen die Kunden, Partner und Mitarbeiter im Vordergrund. Darauf konzentrieren wir uns. Und wenn wir es schaffen, den Kunden das richtige Angebot zu erstellen, dann entwickelt sich ein "Sog". Die Kunden kommen zu uns. Wir wollen aber nicht per se eine Konsolidierung erreichen. Es ist uns wichtiger, dass unsere Kunden und Partner zufrieden sind.

Sie sagen, dass die Dienstleistungen gleich bleiben, was werden die nächsten Schritte ihrer Strategie sein?

Thomas Brändle: Wir wollen nicht alles verändern, sondern auf unserer Basis aufbauen. Wir haben eine super Grundlage und riesiges Entwicklungspotenzial. Dazu fokussieren wir uns auf drei Schlüsselprioritäten: Erstens die Investition in Kundenzufriedenheit mit Support und Service Excellence. Das Zweite ist die Innovation und Erweiterung. Beispielsweise erweitern wir "Infoniqa One 200" mit dem HCM von Infoniqa. Und dann gibt es noch den dritten Bereich: "Business Process as a Service" (BPaS). Damit bieten wir einen neuen Outsourcing-Prozess für die Treuhänder an. Dabei greifen Software und Service ineinander über.

Thomas Brändle, CEO von Run My Accounts. (Source: zVg)

Wofür steht Run My Accounts? Welches Ziel wollen Sie mit dem Unternehmen erreichen?

Thomas Brändle: Ich habe Run My Accounts gegründet, um die Buchhaltung für KMUs zu vereinfachen. Das Ziel ist nun, für Treuhänder ein optionales Add-on für das heutige Sage 50 Extra (Infoniqa ONE 50) anzubieten. Damit werden sie in der Lage sein, ihren Endkunden ein cloudbasiertes Frontend basierend auf Technologie und Tools von Run My Accounts anzubieten. Erste Pilotkunden, sprich Treuhänder, sind bereits an Bord. Der Kunde kann Belege hochladen können, die dann automatisch verarbeitet werden. Diese Schnittstelle testen wir gerade mit einem unserer Treuhänder. Dieser braucht für den ganzen Vorgang dann weniger Ressourcen und kann seine Fachkräfte für die Kundenbetreuung einsetzen. Dieser Service wird am Ende so einfach sein wie "Strom aus der Steckdose zu beziehen".

Sie hätten mit dieser Idee auch eigenständig bleiben können. Warum haben Sie sich für den Verkauf an Infoniqa entschieden?

Thomas Brändle: Der grosse Vorteil der Integration von Run My Accounts in Infoniqa ist, wir zusammen ein viel breiteres Publikum erreichen können. Treuhänder können mit ihrer bisherigen Lösung weiterarbeiten und ihre Tausenden von Kunden einfacher bedienen. Es ist auch für den Markt eine Erleichterung, weil sie kaum noch qualifizierte Buchhalter finden. In solchen automatisierten Dienstleistungen liegt grosses Potenzial.

Wie geht es für die Kunden und Partner weiter?

Thomas Hersche: Mit Add-on und HCM schaffen wir für Kunden und Partner ein zusätzliches Angebot. Wir entwickeln ein cloudbasiertes Angebot, das KMU-Kunden und Treuhändern einen Wettbewerbsvorteil verschafft, indem es die kaufmännische Administration hochgradig digitalisiert und automatisiert.

Léon Vergnes: Ich möchte noch die Arbeitnehmerseite ergänzen. Denn ohne die Mitarbeitenden könnten wir so eine Reise nicht antreten. Für die Verwirklichung unserer Vision möchten wir die Expertise jedes Einzelnen bestmöglich einsetzen. Das ist der Grund, warum wir mit dem Kauf alle 130 Mitarbeitenden von Sage Schweiz übernommen haben. Dasselbe gilt auch für Run My Accounts.

Es gibt sicherlich auch Überschneidungen. Was können Sie Ihren Angestellten dazu mitteilen?

Léon Vergnes: Durch die Dachstruktur unseres Unternehmens schaffen wir es, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen: der lokale Fokus von Sage Schweiz und Run My Accounts, die Nähe zu Kunden, Partnern und Mitarbeitenden. Gleichzeitig wollen wir unser Fachwissen einbringen. Wir wollen also Synergien finden und Doppelarbeit reduzieren. Dadurch steigt die Effizienz. Infoniqa geht nicht alleine vorweg, wir lernen voneinander und nutzen Best Practices.

Was bringt Sage Schweiz mit, was Infoniqa vorher nicht hatte?

Thomas Hersche: Sage Schweiz bringt sein Channel-Geschäft mit. Das war immer Teil unserer Struktur. Es war wirklich interessant zu sehen, wie Infoniqa mit einer umgekehrten Herangehensweise dazukam. Sie wollten unbedingt ein Unternehmen mit einem Channel. Das war für uns das Signal, dass wir gut zusammen passen. Für beide Seiten ist das indirekte Geschäft ein wichtiger Part. Der Channel ist ein strategisches Thema und bleibt es auch. Diese Nachricht möchten wir unseren Kunden und Partnern mitgeben. Für die gesamte Infoniqa bleiben Partner wichtig.

Wo sehen Sie sich auf dem Weg zum vollintegrierten Anbieter?

Thomas Brändle: Dafür, dass wir erst im Dezember angefangen haben, sind wir schon sehr weit. Wir arbeiten derzeit an besagtem Add-on, was wir auch schon testen. Mit dem Feedback unserer Kunden wollen wir dieses Projekt weiter ausbauen. Wir sind da bereits mit einem "Minimum viable Product" am Start bei Treuhändern und arbeiten intensiv an der Entwicklung. Da passiert sehr viel, sehr schnell.

Wie hat die Coronapandemie die Unternehmensziele beeinflusst?

Léon Vergnes: Aus rein geschäftlicher Perspektive hat uns die Pandemie nicht geschadet. Das steht natürlich im klaren Kontrast zu all dem Leid und den Schäden, die Corona in der Gesellschaft angerichtet hat. Dennoch hat die Pandemie beispielsweise die Beschleunigung des Outsourcings gefördert und Unternehmen haben erkannt, dass SaaS-Technologie hilft, ihre Arbeit effizienter abzuwickeln. Insofern verhalf uns die Pandemie aber auch zu einem gesunden Wachstum.

Was sind die Schlussfolgerungen aus so einer zweijährigen Ausnahmesituation?

Thomas Hersche: Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass Firmen für den Erfolg die nötigen Technologien und Tools benötigen. Firmen, die das mitgebracht haben, sind gesünder aus der Pandemie herausgekommen. Auch beim Thema Liquidität sehe ich die ERP-Anbieter in der Pflicht. Ein ERP-System kann viel dazu beitragen, dass Unternehmen frühzeitig erkennen, woher die Gelder kommen und wie sie angelegt sind. So kann man sich schneller und besser absichern. Das gab es vor allem in kleinen Unternehmen, den typischen KMU, nicht schon immer. In den letzten Jahren hat sich diese Situation jedoch verändert. Die Firmen legen mehr Wert auf "Reporting". Und das nicht nur Day-by-Day, sondern langfristig.

Eine Buchhaltungssoftware umfasst sehr vieles. Mit Run My Accounts und Sage und Infoniqa kommen jetzt zwei Buchhaltungssoftwares aus einem Haus. Wie verhindern Sie, dass Sie sich da nicht auf die Füsse treten?

Thomas Brändle: Run My Accounts zielt vor allem auf den Buchführungsprozess ab, der der Kunde zu uns auslagert. Bei einem Infoniqa One 50 beispielsweise ist dieser Prozess heute in house beim Kunden. In dieser Hinsicht sind wir sehr unterschiedlich. Wir sind wie eine Buchhaltungsabteilung mit einer Software. Infoniqa dagegen hat Produkte am Start, die sich primär an Buchhalter richten. Von daher glaube ich, dass beide auch unabhängig voneinander weiter bestehen werden. Sie erfüllen andere Ansprüche.

Thomas Hersche: Nicht nur die Zielgruppe ist anders, der Einsatz der Tools ist völlig unterschiedlich. Während Run My Accounts mit einem Service dafür sorgt, dass der Kunde rundum zufrieden ist, bieten wir dem Kunden die Software an. Daraus ergeben sich ganz andere Einsatzmöglichkeiten. Natürlich wissen wir nicht, wo wir in 5 oder 10 Jahren stehen, aus heutiger Sicht ergänzen wir einander gut.

Was können Sie nun gemeinsam, was einzeln nicht möglich war?

Thomas Hersche: Wir sind im intensiven Austausch und schauen, wie wir Kunden, Partner und Treuhänder glücklich machen können. Das sagen wir auch nicht einfach so, wir wollen wirklich, dass unsere Kunden zufrieden sind. Dazu gehört, dass man mal von der einen Seite etwas loslassen muss. Wenn also ein Kunde von Infoniqa One 50 zu Run My Accounts wechseln möchte, dann ist das für uns in Ordnung. Es soll für die Kunden passen.

Thomas Brändle: Die Kundenbedürfnisse können sich auch mal ändern. Bei Run My Accounts haben wir viele Start-ups, die unseren Prozess wollen. Trotzdem kann der Zeitpunkt kommen, an dem ein Unternehmen ein ERP-System braucht. Dann ist es natürlich von Vorteil, wenn wir eine Lösung in der Gruppe anbieten können. Die Bedürfnisse ändern sich und mit uns können die Kunden skalieren.

Erst kürzlich erweiterte Infoniqa die Führungsebene. Es gibt dort einen neuen CTO, COO und CPO. Was die neuen Führungspersonen jetzt erreichen wollen lesen Sie hier.

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