Der Storage der Zukunft
Hyperkonvergente Infrastrukturen sind im Trend. In der Schweiz. Im Silicon Valley hingegen sind das Banalitäten. Dort werden Server zu Software-Defined-Storage umprogrammiert. Selbst die gerade aufkommende Container-Technik von Docker wird überholt, wie eine Tour durch das Valley zeigt.
Im Intelligent Office, einem Büroturm in San Francisco, in einem Meeting-Raum begrüsst Bruce Gilpin die Besucher. Der Teppich schluckt die Schritte der Besucher, die sich an einen edlen Holztisch setzen. Ein Provisorium aus einfachem Beamer und Leinwand für die Präsentation sucht man hier vergebens. Stattdessen startet Gilpin seine Präsentation am 50 Zoll grossen Display an der Wand. So präsentieren sich heute also Start-ups.
Gilpin ist CEO und Co-Gründer von Versity und ein erfahrener Manager. Seit über fünf Jahren begleitet er die Entwicklung des jungen Unternehmens. Zuvor arbeitete er als COO bei Mobi TV, einem On-Demand-Videoanbieter, und einer Investementfirma. Gilpin steht synonym für andere "Jungunternehmer" im Silicon Valley. Er ist Manager und Ingenieur, der Jahre an Erfahrung bei IT-Firmen mitbringt und keine Eierschalen mehr hinter den Ohren hat. Wie auch seine Kollegin Harriet Coverston, eine Ingenieurin von Sun Microsystems. Zuvor arbeitete sie als Vice President Technology bei Large Storage Configuration, das seinerzeit das File-System SAM-QFS entwickelt hatte, das heute von Versity für seine Storage-Management-Software eingesetzt wird. Versity nutzt hierfür den SAM-QFS-Quellcode von Sun Microsystems unter einer CDDL-Lizenz. Diese erlaubt es Nutzern, quelloffene Software für proprietäre Lösungen einzusetzen.
Alte Technik, neue Ansätze
Einen weiteren Vorteil seiner Technologie sieht Gilpin darin, dass diese eine reine Softwarelösung sei. Als Speicher könnten Kunden Commodity-Hardware oder Cloud-Angebote nutzen. Gilpin propagiert den Einsatz von Commodity-Servern im Datacenter. So wie überhaupt die meisten Start-ups, die derzeit im Silicon Valley an der Storage-Architektur der Zukunft tüfteln. Der Grund ist klar: Sie wollen ihr Stück vom Speichermarkt erhaschen. Dieser wird dominiert von Firmen wie EMC, Netapp und HP Enterprise. Alles Anbieter vermeintlich alter Technik, wenn man den Vertretern der jungen Firmen Glauben schenken mag.
Dabei setzen auch die besuchten Start-ups auf bewährtes und entwickeln von Anwendern bereits akzeptierte Technik weiter. Die Firma E8 Storage etwa bietet ein All-Flash-Array an. Dieses wird in ein Server-Rack geschoben, angeschlossen und dient fortan als schneller Speicher-Tier. Vergleichbares liesse sich auch bei traditionellen Herstellern bestellen. Die Geräte von E8 werden mit handelsüblichen Consumer-SSDs ausgerüstet, wie Zivan Ori, Co-Gründer und CEO, erklärt. Diese seien zuverlässig genug, böten grosse Kapazitäten und kosteten wenig. Während sich traditionelle Speicherhersteller ihre Flash-Speicher vergolden liessen, bietet E8 Arrays mit günstigen SSDs an. Im Prinzip sei der Storage von E8 ein zentralisierter NVMe-Array für 40GE- und 100GE-Netzwerkumgebungen.
Durch das NVMe-Protokoll werde die Datenbandbreite auch dann aufrechterhalten, wenn weitere SSDs mit höherer Kapazität eingebaut würden. Das System könne 10 Millionen IOPS (Random 4kB Read) liefern und bis zu 100 Server parallel bedienen, sagt Ori. Die Lösung von E8 sei ideal für Datenbanken, Echtzeit-Analytik, High Performance Computing und andere Anwendungen, bei denen Daten rasch verarbeitet oder dargestellt werden müssten – oder grundsätzlich für jedes Unternehmen: "Wir glauben einfach, dass jeder schnellen Speicher braucht", sagt Ori. Bevor er im Herbst 2014 E8 gründete, hatte er bei Stratoscale gearbeitet, wo er deren hyperkonvergente Speicher gestaltete. Davor arbeitete er bei IBM an deren XIV-Speichern im Bereich Forschung und Entwicklung. Sein Kollege Alex Friedman war Entwicklungsleiter der XIV-Linie. Bis im August wollen sie nun ihren Formel-1-Speicher auf den Markt bringen.
Datrium und der Wahnsinnsmodus
Viele Storage-Entwickler im Silicon Valley zielen vor allem auf eines ab: Weg mit SAN und NAS! Commodity-Hardware wie etwa einfache x86-Server ab Stange und SSDs aus dem CE-Handel reichen aus für hochskalierbare und performante Speicher. Ein weiterer Vertreter dieser Glaubensrichtung ist das Start-up Datrium.
Dahinter steht CEO und Co-Gründer Brian Biles, der schon Data Domain gründete – ein Unternehmen, das heute zum Speicher-Primus EMC gehört. Datriums Technikchef Hugo Patterson kennt Biles noch aus Data-Domain- und EMC-Zeiten, wo er ebenfalls CTO war. Datrium sieht seine Nische darin, dass im Datacenter viele Storage-Funktionen mittlerweile auf den Server übertragen wurden. Hinzu kommt, dass das Geschäft der traditionellen Speicherhersteller bröckelt. EMC wurde von Dell übernommen, IBMs Geschäft schrumpft genauso wie das von Netapp. Junge Hersteller wie Pure Storage und Nimble drängen bereits auf den Markt. Hersteller wie Datrium rücken nach.
Biles sagt, dass Flash in Servern deutlich günstiger sei als in Speicher-Arrays. Ausserdem sei Flash für SAN-Umgebungen zu schnell. In einem System mit mehreren Multicore-Prozessoren könnten mehrere VMs gleichzeitig Daten abfragen. Das führe zur Bildung von Schlangen, wodurch sich die Latenz erhöhe. Wer Datriums Speicherlösung auf seinem System nutzen will, sollte mindestens 8 CPU-Kerne in seinem Server haben. Ein Fünftel der Leistung wird per Default als Reserve vorgehalten. Neu bietet das System von Datrium einen sogenannten Wahnsinnsmodus an. Dabei wird 40 Prozent der Leistung der Prozessorkerne per Mausklick freigesetzt. Datrium zielt auf Mitbewerber im Bereich der Midrange-Systeme und nicht nur auf traditionelle Storageanbieter, sondern auch auf neue Player wie Pure oder Nimble.
Ein weiterer Mitbewerber von Pure und Nimble ist Kaminario. Das Unternehmen bietet wie E8 eine eigene Architektur für All-Flash-Arrays an. Kaminario hat nur ein Produkt. "Wir wollen kein breites Portfolio, wie es etwa EMC anbietet", sagt Dani Golan, Gründer und CEO des Flash-Array-Anbieters. Ein anderer Grund dürfte wohl sein, dass der Markt von All-Flash-Arrays – obwohl erst wenige Jahre jung – bereits hart umkämpft ist, wie auch Golan bemerkt. Um sich durchzusetzen, tüfteln die Entwickler von Kaminario an neuen Flash-Storage-Architekturen.
So entwickelt Kaminario, ähnlich wie E8 Storage, Architekturen für den NVMe-Standard. Künftig soll auch eine Trennung von Computing und Storage möglich sein. Jeder Controller soll Zugriff auf alle Speicher erhalten. Auf die Frage, weshalb das Unternehmen nicht einfach hyperkonvergente Storagesysteme herstelle, antwortet Golan, dass diese Geräte Kompromisslösungen seien. Die Skalierbarkeit sei schwierig. Unternehmen müssten Speicher aus- und hochskalieren (scale-up, scale-out) können. Also abhängig davon, ob sie mehr Rechenleistung oder Speicher brauchten, die passende Hardware hinzukaufen.
Hyperconverged Infrastructure ist ein alter Hut
Auch Ori von E8 Storage redet hyperkonvergente Storagesysteme klein und lobt die Vorteile anderer Speicher. Ori verspricht, dass seine Speicherlösung 70 Prozent weniger Kapazität der verbauten SSD schlucke als hyperkonvergente Speichersysteme. Dem hält Springpath dagegen. Das Unternehmen funktioniert mittels seiner Software Server zu hyperkonvergenten Infrastrukturen um und setzt dabei auf OEM-Partner. Aber eigentlich nur auf einen: Cisco. Der Netzwerkspezialist bietet mit Hyperflex eine eigene hyperkonvergente Lösung an. Das Softwarelayer stammt von Springpath. Hyperflex sei das erste grosse neue Produkt von Cisco, betont ein Manager des Unternehmens.
Hyperflex biete zwei Vorteile. Compute und Storage könnten voneinander getrennt skaliert werden. Dies sei sonst nicht möglich bei hyperkonvergenten Strukturen und einer der grössten Kritikpunkte an der Technik. Cisco will aber noch ein weiteres Ass im Ärmel haben. Hyperflex könne mit geringem Aufwand in ein Netzwerk eingebunden werden, was bei vergleichbaren Geräten von Drittherstellern so nicht möglich sei. Springpath hat das Softwarelayer von Hyperflex von Grund auf neu gebaut. "Wir glauben, dass wir mit unserer Technik dem Markt um drei bis vier Jahre voraus sind", sagt Ciscos Produktspezialist.
Object-Storage könnte SAN/NAS ablösen
Voraus sein will auch Cloudian. Das Unternehmen setzt auf Object Storage und bietet seine Speichersoftware Hardwarepartnern wie Lenovo an. SAN/NAS-Speicher lassen sich ab einer gewissen Grösse nicht mehr kostengünstig skalieren. Im Petabytebereich greifen Unternehmen dann eher zu Object Storage. Hier gibt es keine verzweigte Dateihierarchie, alle Teile eines Speichers, sogenannte Knoten, bilden gemeinsam einen Speicherpool oder Cluster. Die Technik verspricht einfache und kostengünstige Skalierbarkeit.
Praktisch alle Start-ups, welche die Redaktion besuchte, hatten Object Storage in ihre Produkte integriert oder die nötige Schnittstelle zu einem passenden Cloud-Angebot implementiert. Für Michael Tso, CEO von Cloudian, wie für viele andere im Silicon Valley ist Object Storage die Speichertechnik der nächsten Jahre. Insbesondere Amazons Object-Speicher-Technik S3 ist sehr beliebt und entwickelt sich zum De-facto-Standard, wie auch Tso bestätigte: "S3 wird für Amazon so wichtig wie einst das Network File System für Sun Micrososystems." Moderne Arbeitsmethoden wie Dev-Ops verlangten nach modernen Speicheransätzen wie S3. Daher sei auch das Network-File-System veraltet, meint Tso, auch wenn Cloudians Speicher NFS unterstützen.
Ähnlich spricht auch Avinash Lakshman, Gründer und CEO von Hedvig. Die künftigen Anforderungen an das Business benötigten eine neue IT. Die IT-Abteilung müsse rasch auf neue Anforderungen reagieren und Innovation ermöglichen, sagt Lakshman. Deshalb entwickelt das Team von Hedvig ebenfalls Software für Software-Defined Storage. Das Rezept von Hedvig lautet daher: Standard-Server + Hedvigs Storage-Software = Hedvig Distributed Storage Platform. Damit hat das Unternehmen auch in Europa Erfolg. So setzt etwa das schwedische Bergbauunternehmen LKAB auf Hedvigs Lösung.
Open IO und das Grid of Apps
Eine Stufe weiter als andere Object-Storage-Anbieter scheint Open IO zu sein. Das französische Start-up vereint mit seiner Software verschiedene Storage-Knoten zu einem Cluster. Für die Datenverwaltung setzt Open IO auf ein indirektes Tabellensystem: Dieses zeichnet auf, wo Daten in einem Container abgelegt wurden und wo dieser Container ist. Auch auf welchem Knoten ein Container am besten abgelegt werden sollte, sodass Daten rasch am besten abgerufen, bearbeitet und gespeichert werden können.
Dieses Netzwerk an Knoten verwendet kein konstantes Hashing und Rebalancing, um zu "wissen", an welchem Ort sich welche Datei befindet und wie der Cluster ausgelastet ist. Stattdessen setzt Open IO auf Realtime Load Balancing für eine auf Performance getrimmte Datenablage. Ein weiteres Alleintstellungsmerkmal sei das Grid of Apps, wie CEO Laurent Denel erklärte. Beim Grid of Apps können Applikationen direkt im Speicher ausgeführt werden.
Neues für Container
Container sind im Silicon Valley der letzte Schrei. Die jüngste Ausgabe der Konferenz Dockercon in Seattle diesen Juni zog 4000 Fachleute in ihren Bann. Start-ups wie Portworx und Sysdig nutzten die Konferenz, um neue Lösungen vorzustellen. Beide Unternehmen wollen die Arbeit mit Containern vereinfachen. Das 2014 gegründete Portworx präsentierte an der Konferenz eine Software, mit deren Hilfe die IT-Abteilung Commodity-x86-Hardware in Speicherumgebungen für Docker-Container wandeln können.
Portworx legte bei der Entwicklung Wert darauf, dass die Software einfach zu bedienen sei, denn bisher seien Container nur mit Aufwand einzurichten und zu verwalten gewesen, erklärt Co-Gründer und Technikchef Gou Rao an der IT-Presstour.
"Docker ist das neue VMware"
Die Software soll im Juli auf den Markt kommen. Sysdig-Gründer und CEO Loris Degioanni hatte schon Wireshark ins Leben gerufen. Mit Wireshark können IT-Verantwortliche den Traffic im Netzwerk beobachten. Das Prinzip des Network-Monitoring hat Degioanni auf Container in einer Speicherumgebung übertragen. Über den Datenverkehr im Storage Cluster schliesst die Software-Sysdig-Cloud, wo welche Daten liegen und bildet die zugehörigen Container in einer grafischen Benutzeroberfläche ab.
Auf diese Weise sollen Admins rasch Probleme in ihren Speichern entdecken und fehlerhafte Container auf einen Blick erkennen können. Für Degioanni ist heute schon klar: "Docker ist das neue VMware." Über die Hälfte des Entwicklerteams von Sysdig arbeitet in Europa und Serbien, sagt Degioanni. Er kam während seiner Studienzeit ins Silicon Valley.
Silicon Valley ist das Herz der IT-Welt
Für Sysdig ist der Standort San Francisco aber auch ein klarer Standortvorteil. Trends wie Docker boomen. Das passende Ökosystem und die Kunden sind also vorhanden. Für den Standort spricht aber auch ein anderes Argument. Wer gross werden will, muss ins Valley, wie mehrere Gründer sagen. Ori von E8 Storage stammt ursprünglich aus Israel. Das Land investiert stark in Technologie-Start-ups.
Dennoch plant Ori, mit seiner Familie ins Silicon Valley ziehen. Nur dort könne sein Unternehmen rasch wachsen. Ähnlich sieht es das Team von Open IO. Das französische Unternehmen wird von Business France unterstützt, ähnlich der Förderagentur für Innovation des Bundes, KTI. Open IO nutzte die Möglichkeit, um im Silicon Valley Fuss zu fassen. Denn, wie Open IOs Co-Gründer Guillaume Dellaporte sagt: "Das Silicon Valley ist das Herz der IT-Welt."
IT-Presstour
Eine Gruppe europäischer Journalisten ist Ende Juni ins Silicon Valley gereist, um sich die jüngsten Entwicklungen in der IT-Infrastruktur anzusehen. 10 Start-ups präsentierten ihre Entwicklungen und zeigten auf, wohin der Trend bei der Infrastruktur im Rechenzentrum geht.
An der Reise, organisiert von IT-Presstour, nahmen ein Dutzend IT-Journalisten aus mehreren europäischen Ländern teil.