Im Gespräch mit Beat Tinner, CEO und Eigentümer, Cyberlink AG

"Ich kam zurück, um einen Gang hochzuschalten"

Uhr | Updated
von Marc Landis

Seit Januar ist Beat Tinner wieder selbst CEO seines Unternehmens Cyberlink. Nach fünf Jahren im Hintergrund kam er zurück, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Sein Fokus: infrastrukturbasierte Telekom- und IT-Dienstleistungen für das Geschäftskundensegment.

Beat Tinner, CEO und Eigentümer, Cyberlink (Quelle: Netzmedien)
Beat Tinner, CEO und Eigentümer, Cyberlink (Quelle: Netzmedien)

Sie haben im Januar nach fünf Jahren die Geschäftsführung Ihres Unternehmens wieder selbst übernommen. Mussten Sie die Notbremse ziehen?

Beat Tinner: Nein. Das Unternehmen stand damals finanziell auf soliden Beinen und tut es auch heute. Wir konnten trotz grosser Investitionen jedes Jahr einen schönen Gewinn ausweisen und sind bis vor etwa zwei Jahren auch stets gewachsen. Seither stagnierten die Umsätze. In dieser Zeit reifte der Gedanke in mir, dass ich etwas verändern musste, damit sich das Unternehmen weiterentwickeln konnte. Ich habe deshalb letztes Jahr damit angefangen, unsere Geschäftsstrategie zu überarbeiten. Es wurde mir dann klar, dass ich für die Neuausrichtung selbst als CEO zurückkommen musste. Ich kam zurück, um einen Gang hochzuschalten.

Ist Ihnen die Entscheidung, zurückzukommen, leicht gefallen?

Nein, ganz im Gegenteil. Es kostete mich sogar ziemliche Überwindung. Ich war ja die letzten fünf Jahre nur als CFO im Hintergrund von Cyberlink tätig. Und ich fürchtete mich auch etwas vor all den Problemen und schwierigen und teils schmerzhaften Entscheidungen, die auf mich zukommen würden. Aber ich muss sagen, jetzt im Nachhinein zu sehen, was die Veränderungen bereits bewirkt haben, zu sehen, wie wir weiterkommen, das macht richtig Spass.

Wie sieht die Neuausrichtung nun konkret aus? Was haben Sie in den letzten neun Monaten verändert?

Wir haben unsere auf vier Ebenen liegenden Büros von Zürich-Enge weg hier an den Bahnhof Tiefenbrunnen auf eine einzige Ebene verlegt, unsere Organisation gestrafft und uns vom TV-Geschäft und vom Privatkundengeschäft getrennt. Wir wollen den Umsatz substanziell steigern, dazu braucht es ein hochkarätiges Management-Team und einen klaren Fokus. Wir konzentrieren uns jetzt ausschliesslich auf Geschäftskunden und infrastrukturbasierte Dienstleistungen aus Telekom und IT. Dazu gehören wie bisher hauptsächlich Internet-Access, Connectivity und Standortvernetzungen. Wir werden auch mit unserem starken Engineering-Team unsere Managed Security und Datacenter Infrastruktur-Services für unsere Geschäftskunden ausbauen und können so über alle Bereiche ein Single Service Level Agreement legen. Um diese Angebote weiterzuentwickeln, haben wir mit Marc Chauvin auch einen neuen Head of Engineering eingestellt.

Das ist ein Komplettumbau. Warum war das nötig?

Es war nötig, damit sich das Unternehmen weiterentwickeln kann. In den letzten fünf Jahren hatten wir uns defokussiert. Und ich hatte auch das Gefühl, dass einige unserer Kunden nicht mehr immer so glücklich waren. Wir beschäftigten uns zu sehr mit uns selbst, mit neuen Produkten, neuen Technologien. Wir verzettelten uns. Das wird uns so nicht mehr passieren. Wir sagen jetzt konsequent "Nein" zu Produkten, Services und Kundensegmenten, die nicht zu unserer Strategie passen. Damit hätten wir schon früher anfangen müssen. Wir hätten einige wenige Dinge wirklich perfekt machen müssen. Durch die Fokussierung auf Geschäftskunden wird es uns aber gelingen, das Kundenerlebnis zu perfektionieren.

Wann hat die Verzettelung angefangen?

Es fing an, als wir vor einigen Jahren den Basler Provider Magnet.ch übernahmen. Wir hätten uns nach der Übernahme vom Privatkundensegment trennen müssen. Stattdessen haben wir uns fast zu einem Full-Service-Provider entwickelt und tanzten auf zu vielen Hochzeiten.

Sie waren so etwas wie eine kleine Swisscom…

Ja, das könnte man so sagen.

Das heisst also, Sie waren über fünf Jahre lang mit der falschen Strategie unterwegs. Warum haben Sie so lange zugeschaut?

Ich habe nicht einfach fünf Jahre zugeschaut. Die Strategie war damals sehr stark auf Connectivity und Unbundling Local Loop (ULL) mit einem eigenen Netz in über 60 Swisscom-Zentralen ausgerichtet, und das war richtig so. Wir sind damit auch schön gewachsen. Durch den Boom bei den Glasfasernetzen, war es dann aber in diesem Geschäft immer schwieriger geworden.

Ausstieg aus dem TV-Geschäft, Ausstieg aus dem Privatkundengeschäft – wie haben sich die Veränderungen auf den Geschäftsgang Ihres Unternehmens ausgewirkt?

Natürlich haben wir ein wenig an Umsatz eingebüsst, da wir uns von Geschäftszweigen getrennt haben. Auf der anderen Seite sind damit auch die Kosten gesunken. Wir stecken aber noch mitten in der Neupositionierung. Ich rechne damit, dass wir die Talsohle beim Umsatz Anfang des Jahres durchschreiten werden. Ich bin sicher, dass wir danach sehr solide und nachhaltig wachsen werden.

Wie finanzieren Sie die Neupositionierung?

Wir finanzieren alle unsere Investitionen aus eigener Kraft sowie aus dem laufenden Cashflow.

Gibt es bei Cyberlink nach der Neuausrichtung weiterhin eine indirekte Distributionsstrategie via Reseller und Systemintegratoren?

Ja, sicher. Das Partnerbusiness ist und bleibt sehr wichtig für uns. Wir werden diesen Bereich auch weiter ausbauen. Doch es ist klar, dass wir durch unseren Fokus auf Geschäftskunden auch Geschäfte direkt machen. Wir jagen unseren Partnern aber auf keinen Fall Kunden ab. Oft treffen wir auch auf Konstellationen, in denen ein Partner bei einem Kunden bereits gesetzt ist. Dann ist es logisch, dass wir mit dem Partner den gemeinsamen Weg gehen.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Partnern vor?

Wir möchten gerne Partner haben, die bei uns für ihre Kunden die ganzen Connectivity-, Managed-Security- und Datacenter- Infrastruktur-Services beziehen und weiterverkaufen, und sich dadurch auf die Applikationen und die Systemintegration konzentrieren können.

Gibt es ein Partnerprogramm?

Ja, allerdings müssen wir unser Partner- und Reseller-Modell auch überarbeiten und der neuen Strategie anpassen. Wir werden das Anfang 2013 erledigt haben.

Mit seiner TV-Factory könnte Ihr ehemaliger CEO Ramon Amat ja auch Cyberlink mit TV-Angeboten versorgen … Welche Kooperationen gibt es noch zwischen den beiden Unternehmen?

Es gibt keine Kooperation mehr. Wir haben in den letzten sechs Monaten auch die technische Trennung vollzogen. Die TV-Services liefen ja bei uns im Datacenter. Für Businesskunden brauche ich kein TV-Angebot. Reseller, die ein solches Angebot für ihre Kunden möchten, können direkt mit der TV-Factory arbeiten.

Vor kurzem haben Sie Ihren Verkaufsleiter Dejan Crvenkovic an Iway verloren. Warum? Und: Ist schon Ersatz in Sicht?

Dejan wechselte auf eigene Initiative und wir sind jetzt auf der Suche nach einem neuen Head of Sales & Marketing. In der neuen Management-Organisation braucht das Unternehmen in dieser Position aiuch wieder eine starke Persönlichkeit mit Führungserfahrung und vertieftem Branchen- Know-how. Da wir uns jetzt voll auf das Geschäftskundensegment konzentrieren, sollte der neue Mann oder die neue Frau auch gut vernetzt sein und Erfahrung im Enterprise-Business haben. Jetzt will ich, dass wir den Markt viel mehr selbst entwickeln. Das müssen wir auch, wenn wir unser Direktgeschäft stärken wollen.

Gibt das keinen Ärger mit den Resellern?

Hie und da gibt es schon Friktionen. Aber wir versuchen, gut aneinander vorbeizukommen. Und das ist auch einfach möglich. Unser Job beginnt bei den Kunden ja erst bei der Firewall. Wir gehen nicht in die Applikationen der Kunden rein, und auch das LAN interessiert uns nicht. Das ist Sache der Systemintegratoren.

Auf Ihrer Website suchen Sie neben dem Head of Sales auch weitere neue Leute: einen Head of Operations, einen Networkand System Engineer, einen Product Manager, einen Key Account Manager … Haben oder hatten Sie für die Fokussierung auf das Geschäftskunden-Segment nicht die richtige Mannschaft an Bord?

Wir arbeiten grösstenteils noch mit denselben Leuten. Allerdings sind sie neu nur noch in vier Teams unter je einem Abteilungsleiter zusammengefasst statt wie früher in sieben Gruppen mit je einem Teamleiter. Jetzt wäre es falsch, nur an den Produkten und Services zu schrauben und die Organisation von Management und Teams nicht anzupassen. Die Managementpositionen sind noch nicht alle besetzt. Einen Key Account Manager habe ich schon gefunden, die Product- Manager-Stelle ist im Moment nur ad interim besetzt, und im Engineering können wir immer gute Leute gebrauchen. In drei bis sechs Monaten sind wir spätestens komplett.

Sie haben ja gewichtige Mitbewerber im Geschäftskundensegment. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, gegen Swisscom, Cablecom und Co. zu bestehen? Warum sollen Geschäftskunden Cyberlink wählen?

Wir konzentrieren uns darauf, die bestmögliche Dienstleistung mit dem bestmöglichen Nutzen und einem persönlichen Service auf Augenhöhe mit unseren Businesskunden anzubieten. Mit unserer Fokussierung auf das Geschäftskundensegment können wir das auch und zwar end-to-end von Security über die Connectivity bis hin zu Datacenter- Services. Zudem sind wir nicht an ein bestimmtes Netz gebunden, sondern wir schlagen den Kunden immer das Netz vor, das an seinem Standort die bestmögliche Qualität und Performance bietet. Zudem ist Cyberlink ein verlässlicher Partner und blickt auf eine immerhin 17-jährige Geschichte zurück, was ja im schnelllebigen Telekomgeschäft auch nicht selbstverständlich ist.

Wie geht es jetzt weiter mit Cyberlink?

Ich kam zurück, um meine Firma fit für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu machen. Diese Neuausrichtung sollte innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein und erste Früchte tragen. Ich könnte mir auch vorstellen, im Managed-Services-Bereich, wo wir mit Cyberlink zulegen wollen, ein kleines, feines Unternehmen dazuzukaufen. Zuerst werden wir aber Upselling betreiben und möglichst viele unsere Businesskunden davon überzeugen, dass wir nicht nur für Connectivity, sondern auch für Securityund Datacenter-Services die richtigen Partner sind.

Persönlich

Beat Tinner ist 44 Jahre alt und hat Wirtschaftsinformatik studiert. Er ist Eigentümer und CEO des Internet-Service-Providers Cyberlink, den er 1995 als Einzelfirma gründete und 1997 in eine AG umwandelte. Tinner interessiert sich für Archäologie, Geografie und alte Sprachen. In den letzten fünf Jahren beschäftigte er sich mit Sprachstudien in Sanskrit, Hebräisch und Ägyptisch. Zudem reist er regelmässig mit Erich von Däniken zu archäologischen Ausgrabungsstätten.

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