Risiko kognitives Offloading 

KI-Tools beeinträchtigen kritisches Denken

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von Marc Landis und NetzKI Bot und jor

Eine aktuelle Studie der SBS Swiss Business School zeigt, dass die häufige Nutzung von KI-Werkzeugen mit einer Verringerung der kritischen Denkfähigkeiten verbunden ist. Das kognitive Offloading spielt dabei eine entscheidende Rolle.

(Source: Image Wizard / Station Studio)
(Source: Image Wizard / Station Studio)

Die zunehmende Verbreitung von künstlicher Intelligenz (KI) im Alltag bringt neben Effizienzgewinnen auch kognitive Herausforderungen mit sich. Wie aus einer Studie der SBS Swiss Business School hervorgeht, kann eine starke Nutzung von KI-Tools das kritische Denkvermögen beeinträchtigen. 

Die Untersuchung namens "AI Tools in Society: Impacts on Cognitive Offloading and the Future of Critical Thinking", an der 666 Personen aus verschiedenen Altersgruppen und mit diversen Bildungshintergründen teilnahmen, ergab eine negative Korrelation zwischen der Nutzungshäufigkeit von KI-Tools und den kritischen Denkfähigkeiten der User. Eine negative Korrelation bedeutet: Die eine Variable verhält sich entgegengesetzt zur anderen. Soll in diesem Fall heissen: Mit einer häufigen Nutzung von KI-Tools geht eine Abwesenheit von kritischem Denkvermögen einher. Der Effekt geht laut Studie auf das Phänomen des "kognitiven Offloadings"  zurück.

Was ist kognitives Offloading?

Die Studie definiert kognitives Offloading als die Übertragung von Denkaufgaben an externe Hilfsmittel wie KI-Systeme. Während dies kognitive Ressourcen freisetze, könne das auch dazu führen, dass Personen weniger tief und reflektierend denken. Die Analyse verdeutlicht, dass insbesondere jüngere Teilnehmende der Studie (17 bis 25 Jahre) eine höhere KI-Nutzung zusammen mit geringeren kritischen Denkwerten aufwiesen als ältere Probanden (über 46 Jahre). 

Höhere Bildung schützt

Ein wichtiger Befund der Studie ist, dass ein höheres Bildungsniveau unabhängig von der KI-Nutzung mit besseren kritischen Denkfähigkeiten verbunden war. Dies deutet darauf hin, dass Bildung ebenso einen schützenden Effekt gegen die potenziellen negativen Auswirkungen der KI-Nutzung bzw. dem damit einhergehenden kognitiven Offloading bieten kann. 

Die Forschungsergebnisse zeigen auch, dass Teilnehmende mit höherer Bildung mehr Skepsis gegenüber KI-Ergebnissen aufwiesen. Besser Gebildete würden Informationen häufiger überprüfen und sich stärker in der kritischen Bewertung von KI-generierten Inhalten engagieren. Teilnehmende mit einem niedrigeren Bildungsgrad äusserten hingegen häufiger Bedenken, dass sie durch die starke Nutzung von KI ihre eigenen Problemlösungsfähigkeiten verlieren könnten.

Vertrauen in KI erhöht kognitive Entlastung

Eine weitere Beobachtung der Studie ist, dass erhöhtes Vertrauen in KI-Tools mit erhöhtem kognitivem Offloading korreliert. Nutzerinnen und Nutzer, die KI-Systemen vertrauen, würden sich eher auf sie bei der Entscheidungsfindung verlassen und dadurch ihr Engagement in kritischen Denkprozessen reduzieren. Dieses Vertrauen, gefördert durch die wahrgenommene Zuverlässigkeit und Bequemlichkeit von KI-Tools, fördere eine kognitive Abhängigkeit, welche die Notwendigkeit aktiver kognitiver Anstrengung verringere. 

Wie der Studienautor feststellt, bildet sich ausserdem ein Kreislauf - man könnte auch von einem Teufelskreis sprechen: Je mehr die Nutzenden KI vertrauen, desto mehr kognitive Aufgaben delegieren sie an die Systeme, was wiederum die Reduktion des eigenen kritischen Denkvermögens weiter beschleunigt. 

Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

Studienautor Michael Gerlich fordert in seiner Schlussfolgerung denn auch pädagogische Interventionen, die einen kritischen Umgang mit KI fördern sollen. Bildungseinrichtungen, politische Entscheidungsträger und Technologieentwickler müssten zusammenarbeiten, um eine Balance zwischen KI-Nutzung und kognitiver Entwicklung zu schaffen.

Für zukünftige Forschung schlägt er vor, Langzeitstudien zur KI-Nutzung und kognitiver Entwicklung zu betreiben, spezifische KI-Tools in ihrer unterschiedlichen Auswirkungen zu untersuchen, experimentelle Studien mit Interventionen gegen KI-Abhängigkeit anzustrengen und kulturvergleichende Studien anzustellen. Ausserdem regt Gerlich an, individuelle Unterschiede bezüglich der Anfälligkeit für kognitives Offloading zu analysieren.

 

"Wir können nicht so weiterfahren, wie wir es lange Zeit gewohnt waren", sagt Abraham Bernstein, Direktor der Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich (UZH) und Co-Autor eines Positionspapiers des DSI Strategy Lab zu Künstlicher Intelligenz in Bildung, Forschung und Innovation. Lesen Sie hier mehr darüber.

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