Wie Dubai zur Schweiz des Nahen Ostens werden will
Dubai will sich als globaler Wirtschaftsstandort etablieren. Mit diesem Ziel setzt das Emirat ausländischen Konzernen geringe Eintrittshürden, unter anderem in der Tech-Branche. Wie das konkret aussieht und was das mit der Schweiz zu tun hat, war Inhalt der Tech-Messen Gitex Global und Expand North Star Mitte Oktober.
16. Oktober 2023. In Zürich zeigt das Thermometer 13 Grad Celsius. Sechs Flugstunden entfernt, im Hafen von Dubai, sind es bereits satte 30 - und das um 9 Uhr morgens. Im Inneren des Messegeländes ist davon jedoch wenig zu spüren, das Areal ist auf rund 20 Grad herabgekühlt. Hier findet die internationale Tech-Start-up-Messe Expand North Star statt. Im Dubai World Trade Center, eine halbe Autostunde entfernt, geht parallel die Gitex Global über die Bühne. Rund 180'000 Besucherinnen und Besucher erwarten die Veranstalter der beiden Messen insgesamt. Die bevölkerungsreichste Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate will sich gegenüber dem Westen von ihrer besten Seite zeigen, so viel ist klar.
Das Messegelände der Expand North Star. (Source: Netzmedien)
Mit der Blockchain zur "Schweiz des Nahen Ostens"
Ein Satz ist im Laufe der beiden Messen öfter zu hören: Dubai respektive die VAE seien "die Schweiz des Nahen Ostens" oder möchten es zumindest werden. Was Natur und Wintersport anbelangt, kann der Golfstaat nicht mit der Schweiz mithalten - eine Indoor-Skihalle ist hier schon das höchste der Alpen-Gefühle. Vielmehr will man in Sachen Sicherheit, aber auch in den Bereichen Banking und in der Blockchain-Industrie zum Aushängeschild der Region werden. Im Blockchain-Sektor wolle man sich gar als globaler Standort etablieren, heisst es von vielen Seiten.
Die Blockchain ist auch einer der Schwerpunkte der Expand North Star. Um in diesem Bereich internationale Player anzuziehen, aber auch Start-ups aus der Region heranwachsen zu lassen, sind hier in den vergangenen Jahren einige Institutionen und Behörden entstanden. Eine davon ist das Dubai Blockchain Center. Das 2018 ins Leben gerufene Zentrum soll einen nahrhaften Boden und ein umfassendes Ökosystem für Blockchain-Firmen und -Projekte bieten, wie CEO Marwan Al Zarouni auf der Expand erklärt.
Auf der Blockchain basiert laut Al Zarouni auch der UAE Pass - die digitale ID der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Anwendung sei bereits über sämtliche Bereiche der öffentlichen Verwaltung hinweg im Einsatz und finde auch im Privatsektor sowie im KYC-AML-Bereich Anwendung. User könnten in der App auch einen Überblick über ihre ausstehenden Rechnungen erhalten, etwa Handyrechnungen, Strafzettel oder Kindergeld, und diese auch direkt übers Handy bezahlen. Das Login erfolge biometrisch, erklärt Al Zarouni weiter. Der UAE Pass nutze keinerlei Tokens oder Kryptowährungen, sondern nur die tatsächliche Technologie der Blockchain. Er sei ähnlich aufgebaut wie Bitcoin.
Für die Regulierung von Bitcoin & Co., in der Schweiz in den Händen des Parlaments und der Finma, ist in Dubai übrigens seit 2022 VARA zuständig, die Virtual Assets Regulatory Authority. Sie überwacht Bereitstellung, Handel und Austausch virtueller Vermögenswerte im Emirat Dubai. Zu den Zielen der Behörde zählt aber auch "die Förderung von Dubai als Epizentrum für regionale und internationale virtuelle Güter" und die Region im globalen Wettbewerb zu positionieren, wie es auf der VARA-Website heisst.
Die Schweiz zu Gast am Persischen Golf
Der dubaiische Herbst ähnelt einem Zürcher Sommer in Zeiten des Klimawandels. Zur Mittagszeit herrschen hier bereits glühende 37 Grad, Tendenz steigend. Ein Stückchen Schweiz gibt es hier schon jetzt, denn auch einige Schweizer Firmen haben den Weg nach Dubai gefunden - mit verschiedenen Motivationen. Im Swiss Pavilion der Gitex Global, organisiert von T-Link, betreibt zum Beispiel die HSLU einen Stand. Die Hochschule war bereits im Vorjahr an der Messe zu Gast, wie Nina Blättler erklärt. Sie ist für die internationale akademische Entwicklung zuständig. Ziel sei es, Talente aus der Region für ein Studium an der HSLU zu begeistern. Dies gelinge vor allem über die Zusammenarbeit mit Partnerhochschulen, mit denen man sich hier vernetzt. Vereinzelt habe die HSLU aber auch schon direkt über die Gitex Studierende gewinnen können, erklärt Blättler.
Der Stand der HSLU an der Gitex Global in Dubai (Source: Netzmedien)
Clean Air Enterprise stellt hier ebenfalls aus. Das Schweizer Unternehmen hat sich auf die Verbesserung der Luftaufbereitung in energiedichten Gebäuden fokussiert - und findet in der Klimaanlagen-Hauptstadt Dubai natürlich einen idealen Markt dafür. Zusammen mit Tesenso IoT Solutions präsentiert Clean Air Enterprise den Luftfilter "Smart E-Filter". Der Filter selbst werde nicht ausgetauscht, sondern gereinigt und wieder eingesetzt, wie es am Stand heisst. Die Hersteller versprechen ausserdem bis zu 50 Prozent niedrigere Energiekosten als mit üblichen Systemen.
Einen Markt hat hier auch Csky.ai aus Lausanne. Das EPFL-Spin-off entwickelt KI-gestützte Conferencing-Lösungen speziell für vertrauliche Meetings. Die KI befindet sich dabei am Edge anstatt in der Cloud, damit auch wirklich niemand lauschen kann, der es nicht sollte. Vor allem die emiratischen Behörden seien ein dankbarer Abnehmer der Technologie, erklärt das Unternehmen.
Csky.ai aus Lausanne im Swiss Pavilion der Gitex. (Source: Netzmedien)
Ibexus entwickelt eine Blockchain-basierte Plattform für Multi-Stakeholder-Geschäftsprozesse. Die Zuger Firma will ebenfalls in die Vereinigten Arabischen Emirate expandieren. Warum? "Weil es einfach viel schneller geht", erklärt ein Herr am Stand des Unternehmens. Die Regierung Dubais mache es Unternehmen so einfach wie möglich, den hiesigen Markt zu betreten. Solange man Geld bringt? "Solange man für sie ein Problem löst."
Das Team hinter Ibexus. (Source: Netzmedien)
Marktstart direkt an der Messe
Wie schnell es gehen kann, zeigt die Dubai Chamber of Digital Economy auf der Expand North Star mit dem "Launchpad Dubai". Start-ups können damit nahezu den gesamten Eintrittsprozess für ihr Unternehmen abwickeln lassen - auch hier an der Messe. Den Anfang macht die Vergabe des sogenannten "Golden Visa". Dieses ermöglicht es ausländischen Staatsangehörigen, in Dubai oder an einem anderen Ort in den VAE zu leben, zu arbeiten, Geschäfte zu tätigen und zu studieren, ohne einen nationalen Sponsor zu benötigen. Ausserdem dürfen ausländische Geschäftsinhaber und Investoren mit "Golden Visa" ihr Unternehmen in den VAE zu 100 Prozent selbst betreiben. Weiter geht es im Launchpad mit Banking, Lizenzierung und rechtlichen Details. Schliesslich hilft das Launchpad auch bei der Suche nach Arbeitskräften und stellt sogar temporäre Unterkünfte für sie bereit.
Saeed Al Gergawi, Director Dubai Future Academy, demonstriert das Launchpad Dubai an der Expand North Star. (Source: Netzmedien)
Skalierbarkeit als Steckenpferd der Wüsten-Schweiz
Einer, der den Prozess bereits vor rund 20 Jahren durchlaufen hat, ist der österreichische Unternehmer Ralf Glabischnig. Er ist Gründer des Blockchain-Startups Crypto Oasis. Das in Dubai ansässige Venture-Building-Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, das Blockchain-Ökosystem in der Region zu fördern und Organisationen darin zu beschleunigen. Crypto Oasis ist Teil der Inacta Gruppe mit Sitz im "Crypto Valley" Zug und beschäftigt 250 Personen, 20 davon in den Emiraten.
Glabischnig kennt somit die Ähnlichkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen der Schweiz Mitteleuropas und der "Schweiz des Nahen Ostens". "Der grosse Unterschied ist die Skalierbarkeit der VAE", schildert der Unternehmer. Im Herbst 2021 habe er beispielsweise Changpeng Zhao, Gründer der Krypto-Handelsplattform Binance, bei der Eröffnung seiner ersten Einheit in den Emiraten unterstützt. Ein Jahr später habe "CZ" hier 600 neue Mitarbeitende eingestellt. "Jetzt stellen sie sich vor, in der Schweiz 600 Personen in diesem kurzen Zeitraum einzustellen - das ist nicht möglich."
Der Unternehmer und Investor Ralf Glabischnig, Founder Crypto Oasis. (Source: zVg)
Diese 600 Menschen seien grösstenteils aus dem Ausland gekommen. Ein grosser Unterschied zur Schweiz liegt für Glabischnig auch darin, wie einfach es hier ist, ausländische Fachkräfte anzuwerben. "Wenn wir zum Beispiel Personen aus Kanada oder Südamerika einstellen, fliegen wir sie ein, zahlen für das Visum und sie können am selben Tag anfangen. Damit ist alles erledigt", sagt Glabischnig. In der Schweiz und anderen Ländern ist das eindeutig etwas schwieriger, vor allem für Personen von ausserhalb der EU.
Ein Staat wie eine Blockchain
"Ich vergleiche die VAE gerne mit einer Layer-1-Blockchain", führt Glabischnig aus. Die Emirate stellen demnach eine Infrastruktur mit verschiedenen Features bereit. Es sei hier sehr sicher, die Lebensqualität sei hoch. Alles sei schnell, reguliert, gut vernetzt und skalierbar. "Aber wie bei jeder anderen Layer-1-Blockchain gilt auch hier, dass sie scheitern wird, wenn niemand sie benutzt." Deshalb brauche das Land seine Expats, die seine Infrastruktur verwenden. Als Anreiz warten niedrige Steuern und andere finanzielle Vorteile. Einzelpersonen zahlen in Dubai tatsächlich keine Einkommenssteuer, für Unternehmen gilt erst seit diesem Jahr eine Körperschaftssteuer von 9 Prozent. Auf alle Einnahmen, die nicht in den Emiraten selbst erzielt werden, sowie in dezidierten Freihandelszonen innerhalb des Landes steht hingegen ebenfalls keine Steuer. Das zieht natürlich Grosskonzerne aus aller Welt an.
Eine Stadt für das Internet
Eine dieser Freihandelszonen ist die Dubai Internet City, ein als Technologiepark ausgewiesener Hub für Internetfirmen. "Als ich 1998 kam, sah ich, wie die Internet City gebaut wurde, und ich fragte mich, wer das wohl nutzen würde", erzählt Glabischnig. Wenig später habe die Freihandelszone bereits Firmen wie IBM, Microsoft, Oracle und Co. angesiedelt. "Dann kam ich zwei Jahre später zurück und dachte: 'Hey, es scheint zu funktionieren'", erzählt der Österreicher.
In der Internet City erhalten Firmen, die nach Dubai expandieren wollen, Unterstützung beim Aufbau ihres Geschäfts. Ziel sei es vor allem, das "Red Tape" zu entfernen, erklärt Ammar Al Malik, EVP Commercial Leasing der Tecom Group, beim Besuch in der Internet City. Die Unternehmen müssten somit nicht mit 20 verschiedenen Behörden sprechen, wie dies anderswo der Fall wäre.
Das Hauptquartier der Dubai Internet City. (Source: Netzmedien)
Die Gruppe beteilige sich jedoch nicht selbst am Kapital der Firmen in der Internet City, betont Al Malik. Die Tecom Group betreibt unter anderem die Internet City und ihre Schwester-Hubs. Unter anderem gibt es in Dubai auch vergleichbare Freihandelszonen für die Bereiche Industrie, Medien, Wissenschaft oder Outsourcing. Die Gruppe sei keine staatliche Institution, sondern eine private und öffentlich gelistete Unternehmung, unterstreicht Al Malik weiter. Man arbeite jedoch eng mit der Führung Dubais zusammen. "Ohne die Unterstützung der Regierung könnten wir unseren Job nicht machen", erklärt Al Malik. Mit der Internet City wolle man einen Verbindungspunkt zwischen dem globalen Osten und Westen sowie ein Gateway zum Nahen Osten und zu Afrika schaffen, schildert er weiter.
Vier Milliarden Menschen in der Nähe
Die geographische Lage der Stadt ist auch für Glabischnig ein grosses Plus, wie er erklärt. Man arbeite hier mit Menschen aus Indien, Pakistan oder aus einigen afrikanischen Staaten zusammen, also aus Ländern mit riesigen Bevölkerungszahlen. In der nahen Einzugsbereich der VAE gibt es 3 bis 4 Milliarden Menschen, die man adressieren kann." Nicht jeder, der in die Region reist, hat dabei aber gute Absichten im Gepäck. "Alle kommen in die VAE, damit auch Menschen mit stark abweichender Business-Ethik oder Betrüger", betont der Unternehmer. Dessen müsse man sich bewusst sein. "Es gibt eine Menge, entschuldigen Sie das schlichte Wort, Bullshit. Da muss man sich durchwühlen." Daher komme es auf ein gutes belastbares Netzwerk an. "Viele hier erzählen, dass sie Milliardäre sind, nicht nur Millionäre. Viele geben an, viele fahren Lamborghini, Rolls Royce und so weiter. Man muss herausfinden, wer echt ist und wer nicht.", betont der Unternehmer.
In der Schweiz gebe es dafür bereits einen Filter: Die Schwierigkeit, in das Land zu kommen. Glabischnig sieht auch einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen den beiden Regionen. In der Schweiz arbeitet seine Firmengruppe regelmässig auf verschiedenen Ebenen mit der öffentlichen Verwaltung zusammen, wie er ausführt. Dabei könne es in seltenen Fällen auch zu Uneinigkeiten kommen, die in der Schweiz auch zwischen den Juristen oder eventuell auch vor Gericht geklärt werden können. In den VAE würde er es hingegen eher vermeiden, gegen eine Government Entity oder auch gegen andere Grossunternehmen den Rechtsweg zu wählen. "Wenn man Microsoft oder IBM ist, funktioniert es wahrscheinlich, weil man als grosses Unternehmen ein gewisses Gewicht einbringen kann. Aber als kleines Unternehmen würde ich auf diesen Weg tendenziell verzichten."
2025 findet übrigens erstmals eine Gitex in Europa statt - die Messe kommt nach Berlin. Mehr dazu erfahren Sie hier.