Schweizer Softwareunternehmen buhlen um Hochschulabsolventinnen
Gegenüber dem Vorjahr soll der Umsatz in der Schweizer Softwarebranche 2022 um 6,5 Prozent steigen. Mit wachsendem Umsatz steigt auch der Bedarf an IT-Talenten. Wie der Swiss Software Industry Survey zeigt, bemühen sich Firmen dabei vor allem um Hochschulabsolventinnen.
Dieses Jahr soll der Umsatz in der Schweizer Softwarebranche um 6,5 Prozent wachsen. 2023 geht es weiter aufwärts mit einem Umsatzanstieg von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit kehrt die Branche zu den Wachstumsraten vor der Pandemie zurück, wie aus dem Swiss Software Industry Survey der Universität Bern und des Wirtschaftsverbands Swico hervorgeht. Der Survey liefert Kennzahlen zur Umsatz- und Mitarbeitendenentwicklung der hiesigen Softwareindustrie.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Studie stehen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Branche sowie die Strategien zu deren Bewältigung. Denn mit dem steigenden Umsatz soll auch der Bedarf an Mitarbeitenden wachsen. Für dieses und das darauffolgende Jahr prognostiziert der Survey ein Wachstum um 5,7 Prozent. Das sind 3,6 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Lange Rekrutierungszeit und flexible Arbeitsmodelle
Laut der Studie benötigen Softwareunternehmen mit durchschnittlich 81 Tagen deutlich länger als andere Branchen, um eine offene Stelle zu besetzen - dort sind es in der Regel 50 Tage. "Dieser Schlüsselindikator im Kampf um Talente zeigt, dass die Softwarebranche aufgrund des Fachkräftemangels ihr Wertschöpfungspotenzial nicht voll ausnutzen kann, wodurch auch die Digitalisierung in der Schweiz markant gebremst werden dürfte", heisst es.
70 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, in den vergangenen drei Jahren verstärkt flexible Arbeitsmodelle eingeführt zu haben, um Mitarbeitende an sich zu binden. Auch die Möglichkeit von Teilzeitarbeit zur Anbindung von Mitarbeitenden, die vor der Pensionierung stehen, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Beruf und Ausbildung wurden sehr häufig genannt. Auffällig sei zudem, dass das Angebot von überdurchschnittlichen Lohnnebenleistungen (Fringe Benefits) beliebter und erfolgreicher sei als Lohnerhöhungen.
Bemühungen der Unternehmen, um Talente zu gewinnen. (Source: Swiss Software Industry Survey)
"Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erkenntnissen", lässt sich Judith Bellaiche, Geschäftsführerin des Swico, zitieren. "Unser Bestreben nach Flexibilisierung der Arbeit wird damit erneut bestätigt. Der Innovationsstandort Schweiz wird unter anderem von unserer Fähigkeit für 'New Work' und angepassten Rahmenbedingungen abhängen."
Frauen und Hochschulabsolveriende im Fokus
Laut Survey setzen Schweizer Softwareunternehmen bei der Rekrutierung in erster Linie auf Hochschulabsolventen und -absolventinnen. Zudem würden sie ganz gezielt Frauen rekrutieren. Neue Mitarbeitende aus dem Ausland sind hingegen weniger gesucht. Auch um Quereinsteigende oder Lernende würden sich hiesige Softwareunternehmen wenig bemühen. "Angesichts des tobenden 'War for Talents' erstaunt dieses Ergebnis. Es deckt sich nicht mit den Appellen von Swico, vermehrt in Lehrstellen zu investieren und auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zu berücksichtigen", heisst es.
Talente, um die sich Softwareunternehmen bemühen. (Swiss Software Industry Survey)
Eine weitere Möglichkeit zur Überwindung des Fachkräftemangels sieht die Studie im Aufbau von Personalressourcen im (nahen) Ausland. 2021 bezog die Schweizer Softwarebranche 13,6 Prozent ihrer gesamten Wertschöpfung von externen Dienstleistern und 3,2 Prozent von eigenen Tochtergesellschaften in der Schweiz und im Ausland. Als primären Auslöser für diese Massnahmen nannten die Unternehmen nicht etwa Kosteneinsparungen, sondern den Zugang zu Arbeitskräften.
Öffentliche Hand als wichtigster Auftraggeber
Wirft man nochmals einen Blick auf die Umsätze zeigt sich, dass bei Aufträgen im Inland die öffentliche Hand von grosser Bedeutung ist. Die Schweizer Softwareindustrie erwirtschaftete im vergangenen Jahr 34,4 Prozent ihres Umsatzes mit Aufträgen der Verwaltung. Mit 9,4 Prozent war die Finanzbranche die zweitwichtigste Absatzbranche. Bereits im Survey von 2021 waren diese beiden Industrien am wichtigsten, wie Sie hier lesen können.
Die wichtigsten Industrien für die Schweizer Softwarebranche. (Source: Swiss Software Industry Survey)
Der wichtigste Absatzmarkt ausserhalb der Schweiz ist laut Survey Deutschland. Insgesamt soll die Softwarebranche dieses Jahr 6,1 Prozent des Gesamtumsatzes im Ausland generieren. Über dem Branchendurchschnitt liegen dabei die Hersteller von Standardsoftware (12,2 Prozent) sowie die Individualsoftwarehersteller (7,2 Prozent).
Lesen Sie ausserdem: Der Personaldienstleister Robert Half veröffentlicht die "Gehaltsübersicht 2023". Darin zeigt sich nicht nur, wie viel IT-Fachkräfte in unterschiedlichen Bereichen verdienen, sondern auch, wie die Stimmung am Schweizer Arbeitsmarkt insgesamt ist.