Daten speichern in weniger als einer Nanosekunde
ETH-Forscher haben den zeitlichen Ablauf einzelner Schreibvorgänge in einem neuartigen magnetischen Datenspeicher mit einer Auflösung von weniger als 100 Pikosekunden gemessen. Ihre Resultate sind von Bedeutung für die nächste Generation von Arbeitsspeichern, die auf Magnetismus beruhen.
Am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich erforschen Pietro Gambardella und seine Mitarbeiter die Datenspeicher von morgen. Schnell sollen sie sein, Daten lange und zuverlässig speichern und zudem auch noch wenig kosten. Diese Quadratur des Kreises leisten so genannte magnetische "Random Access Memories" oder Direktzugriffsspeicher (MRAM), die schnelles Schalten über elektrische Ströme mit dauerhafter Speicherung in magnetischen Materialien verbinden. Schon vor einigen Jahren konnten die Forscher zeigen, dass ein bestimmter physikalischer Effekt – das Spin-Bahn-Drehmoment – eine besonders schnelle Datenspeicherung ermöglicht. Nun ist es Gambardellas Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum IMEC in Belgien gelungen, den genauen Ablauf eines einzelnen solchen Speichervorgangs zeitlich aufzulösen - und ihn mit einigen Tricks noch schneller zu machen.
Magnetisierung mit einzelnen Spins
Um Daten magnetisch zu speichern, muss man die Magnetisierungsrichtung eines ferromagnetischen (also dauerhaft magnetischen) Materials umkehren, um so die Information als logischen Wert 0 oder 1 darzustellen. In älteren Technologien wie etwa Magnetbändern oder Festplatten geschieht das mittels Magnetfeldern, die in stromdurchflossenen Spulen erzeugt werden.
Moderne MRAM-Speicher dagegen nutzen direkt die Spins von Elektronen, die wie kleine Kompassnadeln magnetisch sind und als Strom direkt durch eine magnetische Schicht fliessen. In Gambardellas Experimenten werden dabei durch die Spin-Bahn-Wechselwirkung Elektronen mit entgegengesetzten Spinrichtungen räumlich getrennt. Dadurch wiederum entsteht ein effektives Magnetfeld, durch dessen Einfluss die Magnetisierungsrichtung eines winzigen Metallpunktes umgekehrt werden kann.
"Wir wussten aus früheren Experimenten, in denen wir einen einzigen magnetischen Metallpunkt stroboskopisch mit Röntgenstrahlen abtasteten, dass die Magnetisierungsumkehr sehr schnell erfolgt, in etwa einer Nanosekunde", sagt Eva Grimaldi, Postdoktorandin in Gambardellas Arbeitsgruppe. "Das waren allerdings gemittelte Werte über viele Umkehrvorgänge. Nun wollten wir wissen, wie genau ein einzelner Vorgang abläuft und zeigen, dass er in einem industriekompatiblen Magnetspeicher funktioniert."
Zeitliche Auflösung durch Tunnelkontakt
Dazu verwendeten die Forscher anstelle eines isolierten Metallpunktes einen magnetischen Tunnelkontakt. Ein solcher Tunnelkontakt enthält zwei magnetische Schichten, die durch einen Nanometer dicke Isolierschicht voneinander getrennt sind. Je nach Ausrichtung ihre Spins – in Richtung der Magnetisierung der Magnetschichten, oder ihr entgegengesetzt - können Elektronen mehr oder weniger leicht durch diese Isolierschicht tunneln. Daraus ergibt sich ein elektrischer Widerstand, der von den relativen Magnetisierungsrichtungen der beiden Magnetschichten abhängt und so "0" und "1" darstellt. Aus der zeitlichen Entwicklung dieses Widerstands während eines Umkehrvorgangs konnten die Wissenschaftler auf die genaue Dynamik des Prozesses schliessen. Insbesondere fanden sie heraus, dass die Magnetisierungsumkehrung in zwei Phasen abläuft: eine Inkubationsphase, während der die Magnetisierung konstant bleibt, und die eigentliche Umkehrphase, die weniger als eine Nanosekunde dauert.
Geringe Fluktuationen
"Wesentlich für einen schnellen und zuverlässigen Datenspeicher ist, dass die zeitlichen Fluktuationen zwischen den einzelnen Umkehrvorgängen möglichst gering sind", erklärt Gambardellas Doktorandin Viola Krizakova. Aus ihren Daten entwickelten die Forscher daher eine Strategie, um diese Fluktuationen so klein wie möglich zu machen. Dazu änderten sie die Strompulse, mit denen die Magnetisierungsumkehrung gesteuert wurde, dergestalt, dass zwei weitere physikalische Phänomene zum Tragen kamen. Das so genannte Spin-Transfer-Drehmoment sowie ein kurzer Spannungspuls während der Umkehrphase sorgten nun dafür, dass der gesamte Umkehrvorgang weniger als 0,3 Nanosekunden dauerte, wobei die zeitlichen Fluktuationen weniger als 0,2 Nanosekunden betrugen.
Technologie ist einsatzbereit
"Damit haben wir eine Methode gefunden, mit der in weniger als einer Nanosekunde Daten praktisch fehlerfrei in magnetischen Tunnelkontakten gespeichert werden können", sagt Gambardella. Die Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum IMEC machte es zudem möglich, die neue Technologie unmittelbar auf einem industriekompatiblen Wafer zu testen. Kevin Garello, ein ehemaliger Postdoktorand aus Gambardellas Labor, stellte dort die Chips mit Tunnelkontakten für die ETH-Experimente her und optimierte die Materialien dafür. Prinzipiell wäre die Technologie also sofort in einer neuen Generation von MRAM einsatzbereit.
Gambardella betont, dass MRAM deshalb so interessant sind, weil sie, anders als die herkömmlichen Arbeitsspeicher SRAM oder DRAM, gespeicherte Informationen beim Abschalten des Computers nicht verlieren aber trotzdem ebenso schnell sind. Er räumt allerdings ein, dass der Markt für MRAM-Speicher momentan noch keine so hohen Schreibgeschwindigkeiten verlangt, da andere technische Hindernisse wie etwa Energieverluste durch hohe Schaltströme die Zugriffszeiten limitieren. Unterdessen planen er und seine Mitarbeiter schon die nächsten Verbesserungen: sie wollen die Tunnelkontakte verkleinern und andere Materialien einsetzen, die Strom effizienter nutzen.