Kolumne Zum Schluss

Endlich wieder Katzenvideos!

Uhr
von Andrea Savoca, Produktmanager New Business bei Also Schweiz

Vor etwa einem Jahrzehnt bin ich von Facebook in professionellere soziale Netzwerke geflohen – oder doch nicht? Denn auch Linkedin, Xing und Co. erinnern immer mehr an den Platzhirsch unter den sozialen Netzwerken. Katzenvideos inklusive.

Vor etwa acht Jahren bin ich aus dem sozialen Netzwerk Facebook ausgetreten. Die Überwachung, der lasche Datenschutz und auch der Gruppendruck, Beiträge von "Freunden" liken zu müssen, hatten mich dazu bewegt, dem neuen Marktführer den Rücken zu kehren. Auch wenn dadurch einige Einladungen zu Geburtstagspartys an mir vorbeizogen, erspare ich mir seither viele perfekt inszenierte Ferienfotos, sehr lustige Katzenvideos und erst noch ganz viel Zeit.

Ich muss aber gestehen: Es geistert noch immer ein altes Myspace-Profil von mir im Netz herum. Die Zugangsdaten habe ich leider vor langer Zeit verloren. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass das Internet doch vergisst – für den Rest meines Lebens. Ich war damals 16 Jahre alt und auch auf einem Schweizer Musik-Szene-Forum aktiv. Dort konnte man sich wunderbar anonym mit gleichgesinnten Menschen über alles Mög­liche streiten. So kam ich zu meinem ersten, unbezahlten Job als Musik-Redaktor. Ich interviewte meine Idole im Backstage-Bereich und generierte so Content für die Plattform. Noch heute liegen aus dieser Zeit in meinem Estrich an die 1000 Musik-CDs herum. Diese rippte ich selbstverständlich alle sorgfältig als MP3, fein säuberlich beschriftet und dann nie mehr gehört. Wir streamen jetzt.

Andere Plattform, dieselben Inhalte

Mittlerweile sind die jugendlichen Eskapaden vorbei. Aus verrauchten Backstage-Höhlen wurden neonbeleuchtete Meetingräume. Die vergilbten Sofas und die DJ-Kanzel sind ausgeleierten Bürostühlen und USM-Möbeln gewichen. Musik bleibt meine Passion, aber die Rechnungen bezahle ich mit meinem Beruf im IT-Handel. Und damit veränderten sich auch die verwendeten sozialen Plattformen: Xing und Linkedin klopften an meine Tür.

An Xing störte mich die tiefe Interaktion. Fast niemand traute sich, Inhalte zu posten. Als die langweilige Karriere-Plattform endlich totgesagt wurde, verbreitete sich rasch die freudige Kunde: Wir treffen uns jetzt alle bei Linkedin! Und dort bringen wir endlich unsere Karrieren voran! Aber ganz so war es dann auch wieder nicht. Stattdessen werden wieder Erinnerungen an Facebook wach. Das soziale Netzwerk für Geschäftskontakte bombardiert mich konstant mit einem unendlich unterhaltsamen Stream. Die Inhalte sind aber dieselben geblieben: Kurze, lustige Videos – in der Regel mit Untertiteln unterlegt – werden von Personal Recruitern und Life Coaches geteilt. Am Ende immer mit einem sauglatten Schenkelklopfer versehen, oder aber dem Verweis auf eine "Challenging Situation Everybody Knows". Und jede Woche grüsst natürlich wieder der Klassiker: TGIF - "Thank God It’s Friday!".

Wer traut sich heute noch, sich negativ zu äussern?

Ein bisschen wünsche ich mir das gute, alte Musik-Forum zurück. Dort wurden Arbeiten, Thesen und Ideen präsentiert, über die man teils auch sehr provokativ einen Diskurs führen konnte, und man erhielt hartes, aber ehrliches Feedback zu seinen ersten Gehversuchen. Aber wer traut sich denn heute noch, im Zeitalter, in dem jeder digitale Schritt auf immer und ewig dokumentiert bleibt, sich auf einer sozialen Plattform negativ zu äussern?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein herzliches "Let’s keep Linkedin professional!" und einen "Daumen rauf".

Webcode
DPF8_123309