Schweizer Reseller müssen bei der Digitalisierung aufs Tempo drücken
Das Sommerloch scheint überwunden. Gemäss ICT-Reseller-Index von Proseller war der September ein guter Monat für Schweizer ICT-Reseller. Der Vergleich mit dem Vorjahr ist jedoch frustrierend. Für Reseller gibt es noch viel zu tun, wenn der Index weiter klettern soll.
Der Herbstwind bringt einen Aufschwung im Schweizer Reseller-Geschäft: Der ICT-Reseller-Index von Proseller ist im September auf 59 Punkte geklettert. Der typische, saisonale Herbstanstieg sorgte für einen Septemberwert, der 9 Prozent über dem Vormonat liegt, wie es in einer Mitteilung von Proseller zum Index heisst.
Der Index wird monatlich von Proseller erhoben und gibt die aktuelle Lage im Schweizer Reseller-Geschäft wieder. Der Verfasser des Index, Thomas Czekala, ist Verwaltungsrat bei Proseller. Daneben hält er weitere Mandate bei Unternehmen, die gemäss Czekala unter anderem Volkswagen, Volvo, Tesla oder die Behörde von Dubai bei Innovationen, Technologien und Transformationen begleiten.
Der aktuelle Herbstanstieg ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Verglichen mit dem September des Vorjahres hinkt der aktuelle September-Wert nämlich hinterher. Im Jahresvergleich zeigt sich ein Rückgang um 13 Prozent.
Vergleich mit Vorjahr frustriert
Der Rückgang gegenüber den Vorjahreswerten war im laufenden Jahr bisher jeweils dramatischer. Folglich schrumpfte der kumulierte Jahresrückgang auf 15 Prozent. Bisher lag dieser relativ stabil bei 16 Prozent.
Der Rückgang zum Vorjahr reduzierte sich leicht auf 15 Prozent. (Source: zVg)
"Es ist eher frustrierend, sich – was den Index betrifft – jetzt noch am Vorjahr zu orientieren", sagt Czekala auf Anfrage. Zwar erwartet er aufgrund der Ergebnisse der vergangenen Jahre, dass der Index im Oktober erneut ansteigen wird. Aber um den Jahresrückstand von 15 Prozent im letzten Quartal noch auszugleichen, müsse der Index 45 Prozent über dem Vorjahresergebnis liegen.
Dennoch spricht der Proseller-Verwaltungsrat auch von erfreulichen Resultaten. Analysiere man den Index etwa auf Tagesbasis, seien die Schwankungen deutlich geringer geworden. Dies deute auf einen stabileren Geschäftsverlauf und weniger Aktionismus – sowohl bei den Resellern als auch bei den Kunden.
Thomas Czekala, Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des ICT-Reseller-Index. (Source: zVg)
"Hohe Schwankungen erzeugen Unsicherheit", sagt Czekala. "Wie auf einem Boot ist es auch im Business besser, wenn es weniger wackelt. Auch lassen sich dann einfacher die grossen Entwicklungen erkennen."
Auf das Klima, nicht das Wetter, muss man achten
Denn nun sei es wichtig, sich nicht vom aktuellen Gestürm ablenken zu lassen. Stattdessen solle man vorausblicken und sich den Fragen der neuen Zeit stellen. Letztendlich seien diese monatlichen, punktuellen Entwicklungen ähnlich dem Wetter und dem Klima.
"Wenn man einen Klimaforscher fragt, ob wir nächstes Jahr wieder einen so trockenen Sommer bekommen wie 2017, so wird der Klimaforscher nur schmunzeln und sagen: Wetter ist nicht gleich Klima", sagt Czekala. "Die Chancen steigen für diese Prognose, aber es kann auch ein ziemlich verregneter Sommer werden."
Auf Tagesbasis gingen die Schwankungen zurück. (Source: zVg)
Für ICT-Reseller und deren strategische Entscheidungen seien einzig die langfristigen Entwicklungen, also das Klima, und nicht die kurzfristigen Schwankungen, das Wetter, wichtig. Das Klima im Reseller-Geschäft zeigt gemäss Czekala einen klaren Trend: mehr Dienstleistungen, weniger Hardware.
Trotz diesem Trend bleibe Hardware ein integraler Bestandteil des Reseller-Geschäfts. Warum? "Weil Kunden es nicht anders wollen", antwortet Czekala. Wer nur Dienstleistungen anbiete, der könne bei Ausschreibungen nicht mitmischen.
Kunden wollen einen Generalunternehmer, der ihnen alles aus einer Hand löst. Und Reseller wollen in diese Rolle schlüpfen, weil sie so die höchste Marge einstreichen. "Wer in die Rolle des Sublieferanten geht, verzichtet auf Gestaltungseinfluss, Sichtbarkeit und Marge", sagt der Verwaltungsrat.
Reseller müssen schneller digitalisieren
Reseller und Kunden steckten heute beide mitten in der Digitalisierung. Wer also morgen noch etwas verkaufen will, müsse die digitale Transformation schneller meistern, als seine Kunden. "Warum man die neuen Anforderungen nicht bedient, ist dem Kunden letztendlich egal", sagt Czekala.
Der Kunde brauche Partner, die wollen und können und dies möglichst auf allen vier Themenfeldern der digitalen Transformation. "Wer sich auf eine Auswahl davon bewusst fokussiert, braucht Kunden, die damit zufrieden sind."
Czekala unterteilt die Digitalisierung in vier Phasen. In den ersten beiden – die Digitalisierung der Technik und die Digitalisierung der Prozesse – kann der Reseller seinen Kunden gut zur Seite stehen. Doch danach wird es auch für Reseller problematisch.
'Können' und 'wollen' der vielen beteiligten Individuen werde vielfach überschätzt. Daher müsse es als eigenes Themenfeld (Phase 3) bearbeitet werden. Phase 4 sei anschliessend das Projektarbeitsumfeld. Ein Thema, das bislang eher stiefmütterlich behandelt wird, ohne darauf einzugehen, welche Anforderungen die neuen digitalen Technologien und Möglichkeiten an Teams und Partnerschaften stellen.
"Sowohl die Reseller, die nicht wollen, als auch die, die nicht können, werden mit der Zeit den Anschluss an die Bedürfnisse der Anwender verpassen", prophezeit Czekala.
Czekalas aktuelle Handlungsempfehlung an Reseller
Czekala sagt: Prüft die Firmenkultur! Wie oft heisse es in Diskussionen "ja, aber …"? Überhaupt sollten Führungskräfte dies nie sagen. Denn wer nicht will, dem sei wohl auch nicht zu helfen. Wer will, aber nicht kann, solle sich mit anderen, ergänzenden Partnern zusammentun.
"Proseller hat hierzu eine Datenbank, in die sich jeder eintragen kann. Voraussetzung ist, dass der Reseller oder ICT-Dienstleister 'will', also dass eine 'Why-Not' Kultur besteht. Was das bedeutet kann ich gerne in persönlichen Gesprächen erklären."
"Nur die ganz Grossen werden aus eigener Kraft alle vier Themenfelder der Digitalisierung abdecken können und selbst da bin ich sehr skeptisch", sagt Czekala. "Ich kenne jedenfalls noch kein wirklich gutes Erfolgsbeispiel."