Schweizer Reseller stehen vor existenzieller Disruption
Der ICT-Reseller-Index ist im März leicht angestiegen – aber noch immer deutlich unter dem Vergleichswert im Vorjahr. Die Umsatzentwicklung ist laut Proseller zwar ein erstes Licht im Tunnel. Laut dem Verfasser des Index dürfen sich Reseller aber nicht zurücklehnen.
Der ICT-Reseller-Index von Proseller ist im vergangenen Monat erneut gestiegen. Der Index soll die aktuelle Lage im Handelsgeschäft der Schweizer Reseller widerspiegeln. Im März kletterte der Index auf einen Wert von 71 Punkten. Damit liegt er drei Prozent über dem Vormonat, wie Proseller mitteilt.
Das Vorjahr bleibe aber weiterhin ausser Reichweite. Mit 71 Punkten liegt der Index 13 Prozent unter dem Vorjahreswert. Trotzdem sieht Proseller nach eigenen Angaben positive Signale bezüglich steigender Preise und Umsätze beim Schweizer Reseller.
Seit längerem liege ein Monatsumsatz wieder über dem Vergleichswert im Vorjahr. Der Vorsprung sei zwar nur klein, aber dennoch bemerkenswert, denn in diesem Fall sei weniger doch mehr (in der Kasse): Die spürbar geringere Menge gegenüber früher, mit der jetzt noch gehandelt werde, könne zu einem höheren Durchschnittspreis verkauft werden. Was schliesslich zu einem höheren Umsatz führe.
Ein erstes Licht im Tunnel, heisst es in der Mitteilung. "Das Licht im Tunnel kann aber viele Gründe haben", präzisiert Thomas Czekala, Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des Index, auf Anfrage. "Eine Lampe im Schacht, das Ende im Tunnel oder sogar der entgegenkommende Zug. Noch weiss man nicht, was es zu bedeuten hat, aber es könnte gut und gerne auch ein sehr positives erstes Signal sein."
Neu Rolle, neue Sortimentsstruktur
Die Entwicklung zeige, dass Reseller ihre neue Rolle im Markt zunehmend souveräner annehmen würden. Inzwischen hätten sie auch ihr Sortiment umgestellt. "Früher gab es eine sehr stabile Struktur, die mit einem sehr hohen Anteil an Computern und nur minimal von anderen Artikeln gekennzeichnet war", sagt Czekala. "Seit 2015 ist diese Struktur in Bewegung gekommen und nun seit einigen Monaten wieder stabil."
Die neue Struktur besteht zu einem guten Drittel aus Computern, zu 20 Prozent aus Computernahen Teilen wie etwa Storage, Komponenten und Netzwerkteilen, zu 21 Prozent aus Peripherie, Zubehör und Verbrauchsmaterial sowie zu 25 Prozent aus anderen Artikeln.
Auch der Kunde macht eine Entwicklung durch, wie Proseller schreibt. Sie wollten immer weniger den Ballast komplexer Technologien. Die Bereitschaft, sich kompetente Unterstützung zu suchen, steige spürbar und in hohem Tempo.
Wer heute eine Küche beim Fachhändler kauft, will das Gesamtpaket
Damit verbunden sei der Trend, nicht mehr unbedingt selbst Besitzer seiner Lösung sein zu wollen. Ausser Software as a Service und Application as a Service seien inzwischen auch Managed Workplaces allgegenwärtig.
"Hardware war früher die treibende Leistungsebene. Heute ist sie Comodity", sagt Czekala. Aktuell sei Service die treibende Leistungsebene. Noch beschränke er sich aber auf den Service von Systemen, die sich im Besitz des Kunden befinden.
"Zukünftig wird der Reseller immer mehr eigene Systemlösungen dem Kunden im Mietmodell anbieten müssen", sagt der Verwaltungsrat. Der Cloud-Markt sei ein guter Vorbote dieser Entwicklung, stelle zugleich aber auch nur die Spitze des Eisbergs dar.
Thomas Czekala, Verwaltungsrat bei Proseller und Verfasser des ICT-Reseller-Index. (Source: Proseller)
Reseller sollten sich hier an anderen Branchen orientieren. Wer heute eine Küche beim Fachhändler kaufe, wolle das Gesamtpaket, heisst es in der Mitteilung. Dazu gehörten ausser der Planung der neuen Küche und der Lieferung der individuellen Küchenteile auch der Ausbau und die Entsorgung der alten Küche, die Renovierung der Küche inklusive Einbau sowie der Anschluss und die Abnahme der neuen Küche als funktionsfähige Systemlösung. Dasselbe erwarte der Kunde auch von seinem ICT-Reseller.
Czekalas aktuelle Handlungsempfehlung für Reseller im Monat April
Digitalisieren! "Es bleibt keine Zeit, sich zurückzulehnen, auch wenn das Geschäft aktuell gut läuft", sagt Czekala. "Wir bewegen uns auf eine für den Schweizer Reseller existentielle Disruption zu." Hardware werde immer unwichtiger und der Service beim Kunden professionalisiere sich immer weiter hin zu einer starken Automatisierung.
Wer seine eigenen Prozesse nicht digitalisiert und mit den Kunden verknüpft, werde austauschbar und schon mittelfristig ersetzt. "Kunden wollen eine enge Verzahnung, weil sie selbst immer weniger Zeit und Lust haben, sich mit für sie uninteressanten Themen mehr als nötig zu beschäftigen", sagt Czekala. Denn auch sie müssten sich auf ihre Kunden konzentrieren und wollten sich nicht mit ICT herumschlagen.
"Der Reseller tut gut daran, seinen Kunden neue spannende Preismodelle zu offerieren, muss aber zwangsweise dadurch selber Geld in die Hand nehmen", sagt der Verwaltungsrat. "Diese Notwendigkeit, selber investieren zu müssen, kennt der Reseller nicht, so dass nur einige wenige diesen Weg einschlagen werden."