Ingram will in den VAD-Olymp
Der Distributor Ingram Micro wandelt sich: Der Broadliner will weg vom reinen Vertrieb von Ware und hin, in Richtung Cloud und Service-Geschäft. Was sich Ingram Micro Schweiz davon verspricht und welche Möglichkeiten sich daraus für den Fachhandel ergeben, erklärt Benno Schlumpf, Director Value Added Distribution bei Ingram Micro Schweiz.
Die Broadliner setzen verstärkt auf das Geschäft mit beratungsintensiven Produkten - bisher eine Domäne von Spezialdistributoren. Also und Tech Data haben den Weg bereits beschritten. Ingram Micro ist also der Nachzügler unter den Broadlinern und noch nicht überall im Markt ist bekannt, dass sich auch Ingram Micro zu den Value Added Distributoren (VADs) zählt. Obwohl das VAD-Geschäft bereits ein Fünftel des Umsatzes ausmacht, wähnt sich Ingram Micro noch am Anfang einer Entwicklung, die letztlich auch dem Fachhandel nutzen soll. Wie, das erklärt Benno Schlumpf, Director Value Added Distribution bei Ingram Micro Schweiz.
Läuft das Distributionsgeschäft so schlecht, dass Ingram Micro auf Value-Added-Services setzen muss?
Benno Schlumpf: Das Distributionsgeschäft ist ein Spiegelbild des IT-Marktes. Es wäre sicherlich falsch zu behaupten, dass der Markt boomt. Andererseits sind wir mit unserer Performance zufrieden. Als breit aufgestelltes Unternehmen haben wir immer Bereiche die besser und andere die weniger gut laufen.
Wozu dann der Einstieg ins Value Added Business?
Value Added Business ist strategisch wichtig für Ingram Micro. Deshalb wurde auch an unserem europäischen Hauptsitz in Brüssel eine grössere Mannschaft von Spezialisten eingestellt, welche die Value-Teams in den einzelnen Ländergesellschaften in ihren Aktivitäten unterstützt.
Was hat der Fachhandel von einem Value Added Distributor?
Grundsätzlich ist der Distributor komplementär zum Fachhändler aufgestellt. Die Rollenverteilung ist klar: Der Distributor bezieht die Produkte vom Hersteller und verkauft sie an den Fachhändler, der wiederum den Endkunden beliefert. Das Value-Geschäft beinhaltet darüber hinaus unterschiedlichste Dienstleistungen von Beratung und Konfiguration bis hin zur Schulung die dem Fachhändler angeboten werden. Er sucht sich die Services aus die er benötigt und stellt sich so seinen Warenkorb selber zusammen. Ein umfassendes Angebot ermöglicht die Beschaffung aus einer Hand, was wiederum die Administration vereinfacht. Klar ist allerdings auch, dass alle Leistungen ihren Preis haben, denn bei der heutigen sehr engen Margensituation - auch im Value-Geschäft - liegt das Verschenken von Services nicht mehr drin.
Ingram Micro ist nach Tech Data/Azlan und Also in das VAD-Geschäft eingetreten. Das erweckt den Eindruck, als hätte Ingram Micro das VAD-Konzept nur nachgeahmt.
Wir sind uns bewusst, dass wir in der Schweiz mit diesem Thema einen späten Markteintritt vollziehen und dass wir noch nicht überall als VAD wahrgenommen werden. Noch stehen wir am Anfang mit unserem VAD-Geschäft. Trotzdem repräsentiert dieser Bereich bereits zirka 20 Prozent unseres Ingram-Umsatzes, und dies mit steigenden Tendenzen. Um weiter voran zu kommen, müssen wir uns noch tüchtig anstrengen und mit viel Engagement und Qualität die Kundenbedürfnisse ansprechen. Trotzdem sehen wir durchaus gute Chancen, uns dediziert als VAD zu positionieren und nicht nur einen "me too"-Ansatz zu fahren. Es gibt viele lösungsorientierte Bereiche, die wir adressieren und mit denen wir auch bei den Herstellern auf offene Ohren stossen. Das gilt besonders für die Bereiche Cloud, Collaboration, DC-POS und Mobility.
Wo will Ingram Micro mit seinem VAD-Geschäft in einem Jahr stehen?
Wir werden in nächster Zeit mit einigen Ankündigungen sowohl im Bereich Sortiment wie natürlich auch bei unterstützenden Tools aufwarten, die uns als VAD zunehmend interessanter machen. Ich möchte noch keine Namen nennen, aber wir werden interessante Neuigkeiten ankündigen, wobei nicht eine möglichst grosse Anzahl von Hersteller-Verträgen im Vordergrund steht.
Sondern?
Unsere Strategie besteht daraus, den Lösungsansatz zu forcieren, um unseren Kunden für unterschiedliche Szenarien echte Lösungen in Form eines One-Stop-Shoppings zu ermöglichen.
Wie setzen Sie Ihre Strategie um?
In der ersten Zeit haben wir unsere VAD-Organisation aufgebaut und teilweise neu ausgerichtet. Daneben haben wir zusätzliche Positionen geschaffen und uns vor allem auf den Aufbau von spezifischem Know-how und Zertifizierungen fokussiert. Heute ist unser VAD-Business im Bereich Server, Storage, Networking, Security und Software unterwegs. Ganz grob definieren wir Value-Business als Geschäft, welches sich nicht in erster Linie über den Preis und die Verfügbarkeit definiert. Wir sprechen von beratungsintensivem Geschäft, welches individuelle Abwicklung verlangt und häufig mit komplexen Prozessen verbunden ist. Es ist entscheidend, dass die Zusammenarbeit zwischen Hersteller, Distributor und Fachhändler optimal funktioniert. Dabei spielt der VAD eine zentrale Rolle.
Was heisst zentral?
Wir stellen fest, dass heute das Value-Angebot nicht mehr nur den grossen Value Added Resellern, Systemintegratoren und spezialisierten Fachhändlern vorbehalten ist. Auch für den von uns speziell adressierten KMU-Kanal ist grosses Potenzial vorhanden. Hier rennen wir bei vielen Herstellern offene Türen ein, welche schon lange ein Auge auf diese Reseller-Gemeinde geworfen haben und in uns einen guten Partner für genau dieses Kunden-Segment sehen. Wir haben in diesem Bereich den einen oder anderen Schwerpunkt legen können und auch das eine oder andere Thema für uns genutzt.
Zum Beispiel?
Ein gutes Beispiel ist die soeben beendete "Cloud RoadShow", zu der wir rund 140 Besucher begrüssen durften.
Woher kommt Ingram-Micros Interesse am Cloud-Geschäft?
Der Cloud-Zug ist nicht mehr aufzuhalten. Es ist ja nicht so, dass Cloud etwas komplett Neues ist. Persönlich sind wir alle bewusst oder unbewusst heute schon Cloud-Nutzer, angefangen von e-Banking über Online-Shopping bis hin zu den Social Medias. In grossen Unternehmen ist die Anwendung von Cloud-Modellen in unzähligen Varianten (XaaS) Alltag. Somit stellt sich auch im KMU-Umfeld nicht die Frage, ob Cloud, sondern höchstens wann und wie. Diese Entscheidung ist jedoch nicht nur dem Endkunden überlassen, sondern wird auch massgeblich von den Herstellern getrieben. Wenn man bedenkt, dass namhafte Software-Hersteller heute bereits sämtliche Produkte nicht nur als Box oder Lizenz sondern auch als Service anbieten, fragt man sich schon, wann diese Produkte nur noch als Services erhältlich sein werden.
Welche Folgen ergeben sich dadurch für den Handel?
Dieser Trend hin zur "Cloud" zwingt den Distributor wie den Fachhändler dazu, sein Geschäftsmodell zu überdenken. Marketing-, Verkaufs-, aber auch Finanz- und Logistik-Prozesse sind mit Cloud nicht mehr dieselben. Ingram hat zu diesem Zweck ein Internet-Portal geschaffen, dass dem Fachhändler eine Vielfalt von Informationen und Werkzeuge zur Verfügung stellt, die ihn auf dem Weg in die Cloud begleiten.
Wie ist der Stand der Dinge im Cloud-Geschäft?
Das Cloud-Business ist noch jung. Für den Fachhändler ist die komplette Umstellung seines Geschäftsmodelles auf Cloud-Services in den meisten Fällen zu früh. Die Dynamik ist aber gross und täglich sind neue Anbieter und Angebote auf dem Markt. Diese Entwicklung gilt es nicht nur zu verfolgen, sondern es empfiehlt sich auch frühzeitig, erste Erfahrungen mit Cloud zu sammeln. Die Gefahr besteht sonst, dass man den Zug verpasst.