Bitte, mach mir ein Geschenk!
Am Ende des Jahres will es der Brauch, dass man seine besten Glückwünsche jenen überbringt, die einem am Herzen liegen. In dieser allgemeinen überschwänglichen Verbrüderung verstossen auch die Firmen nicht gegen diese Regel und versuchen, ihre Originalität unter Beweis zu stellen. Welches sind die wesentlichen Formen des Brauchs angesichts des Marketingbudgets?
Die günstigste Lösung besteht darin, eine E-Mail zu versenden. Ein Mausklick genügt und die Sache ist geregelt. Einige möchten ihrem Brüderlichkeitsgefühl etwas mehr Gewicht geben und erachten eine einfache E-Mail als zu billig. In diesem Fall verwenden sie E-Mails mit Animationen: vom Weihnachtsmann, der den Himmel mit einer Kutsche durchquert – etwas überholt – bis zur psychedelischen Fraktale für die Hightechfans ist alles möglich. Einige wagen es sogar übermütig mit Humor und dem Risiko, diesen Brauch zu verhöhnen, und damit die Kleingeistigen gegen sich aufzubringen.
Eine Variante der billigen E-Mail-Lösung besteht darin, seinen Kunden mitzuteilen, dass man auf unnötige Ausgaben verzichtet und dafür das gesparte Geld einem Hilfswerk oder einer gemeinnützigen Organisation spendet. Da bereits in der Bibel geschrieben steht: "Lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut", wird die Höhe der Spende den Kunden jedoch nicht enthüllt, deshalb können diese die Grosszügigkeit ihrer Lieferanten nur erahnen. Eine Grosszügigkeit, die im harten Geschäftsalltag für sie im vergangenen Jahr wohl nicht wirklich spürbar war. Es gibt natürlich die sehr, sehr, sehr traditionellen Glückwunschkarten von Unicef, wie in den Zeiten vor dem Internet. Wie geliebt man sich doch fühlt, wenn der Schreibtisch überfüllt ist von Glückwunschkarten, eine schöner als die andere! Einige sind sogar bereit, ihre Ergebenheit in so hohem Masse zu beweisen, dass sie die Glückwunschkarten vom ganzen Personal ihrer Firma von Hand unterschreiben lassen. Ich gebe zu, es ist boshaft von mir, aber wenn ich diese Art von Karten bekomme, entsteht bei mir der Eindruck, dass die Mitarbeiter der Absenderfirma wirklich nichts Besseres zu tun haben, als hunderte von Karten zu unterschreiben, die sowieso in kurzer Zeit im Müllkorb landen.
Geschenke mit Hintergedanken?
Und natürlich die Geschenke! Hier sind die Ausgaben grösser, deshalb ist diese Option nur für Grosskunden reserviert. Entweder sind es völlig nutzlose Geschenke und da kann ich stattdessen nur empfehlen, eine der oben beschriebenen Lösungen einzusetzen. Bei den anderen Geschenken kann man hingegen einen kleinen Hintergedanken an einen Bestechungsversuch oder sagen wir eher einen kleinen krämerhaften Hintergedanken nie ganz ausschliessen; wie schon Virgile sagte "Timeo Danaos et dona ferentes" (Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen). Und mit dem ganzen Misstrauen, das mich charakterisiert, frage ich mich immer wieder: Wieso ein Geschenk machen? In der Idee des Schenkens gibt es den Aspekt der Unentgeltlichkeit, die jede denkbare Gegenleistung ausschliesst. Eigentlich sind nur Kinder dazu befähigt, Geschenke zu bekommen, denn nur sie sind wirklich unschuldig und fühlen sich nicht zu einer Gegenleistung verpflichtet. In der Geschäftswelt ist das tatsächlich nicht der Fall. Man kann natürlich versuchen, seine Kunden zu infantilisieren, wissend dass in jedem von uns das Kind schlummert, das wir einmal waren, aber ist das ein Vorteil für zukünftige Transaktionen?
Es gibt eine letzte Form des Schenkens, die fast meine Gunst gewonnen hätte: ein Fest mit seinen Kunden organisieren, ein echtes Fest, nicht ein kommerzieller Event. Da kann man wirklich die Leute treffen und sie in einem anderen Licht kennen lernen, Namen mit Gesichtern in Verbindung bringen und wenn der Wein nicht zu spärlich bemessen ist, kann sogar eine Stimmung von Gutmütigkeit und gegenseitiger Zufriedenheit entstehen. Natürlich muss man sich mit aller Kraft einsetzen und auch annehmen, sich die Beschwerden gewisser Kunden aufzuhalsen als auch die müssigen Gespräche von jenen, die nur von sich reden, oder man muss sich um die Schüchternen kümmern, denen man nichts zu sagen hat. Ausser dem finanziellen Aspekt, der in einer so unsicheren Zeit nicht zu unterschätzen ist, gibt es wenig Chancen, dass diese Option von den Mitarbeitern der Firma gutgeheissen wird, da keiner Lust hat, einen Abend mit der Kundschaft zu verbringen. Also was tun? Wie oft ist das Bessere des Guten Feind. Wenn man wirklich ehrlich mit sich selbst sein möchte und einen gewissen Wert auf die Authentizität seiner Gefühle legt, ist es sehr wahrscheinlich, dass man es vorziehen wird, seine Kunden in Ruhe zu lassen. Letztlich wäre das der "weihnachtliche Waffenstillstand".
Über Jean-Pierre Jamet
Jean-Pierre Jamet gründete 1991 die JPJ Direct Marketing AG (heute Profondia AG) und leitete das Unternehmen bis 2010. Mit Datenmarketing, Mailings und Telefonmarketing unterstützte er 20 Jahre lang IT-Firmen in der Kundenakquisition. Heute ist er als Berater mit seinem Unternehmen Incomtec Consulting unterwegs. Jamet betrachtet die verbreitete Nutzung sozialer Netzwerke als äusserst vielversprechendes Marketingmittel, das ganz neue Möglichkeiten im B2B-Geschäft eröffnet. Er ist einer der Initiatoren des Projekts ICT-Synergies Network. ICT-Synergies ist ein auf das Schweizer ICT-Business fokussiertes soziales Netzwerk.