"Letztlich ist es die Scheu vor Konflikten, die uns lähmt"
Es gibt erfolgreiche Unternehmen und Firmen, die rasch wieder konkurs gehen. Doch wie wird ein Unternhmen, speziell im KMU-Umfeld, erfolgreich? Kerstin Friedrich berät KMU. Sie gibt Einblick in Erfolg versprechende Strategien und welche Probleme dafür gelöst werden müssen.
Sie haben in Ihrer bisherigen Karriere schon viele hundert KMU hinsichtlich Strategie und Veränderung beraten. Sind alle anschliessend erfolgreich bzw. erfolgreicher geworden?
Kerstin Friedrich: Schön wär’s! Es klafft eine riesige Lücke zwischen dem, was wir rational betrachtet für gut und richtig halten, und dem, was wir dann tatsächlich auch umsetzen. Wir wissen zum Beispiel im Privatleben, dass wir gesünder essen, mehr Sport treiben und mehr Zeit mit der Familie verbringen sollten – und dennoch tun wir es nicht. Das gilt genauso in der Unternehmensführung: Sehr viele Unternehmer und ihre Teams wissen genau, was sie tun müssten, um erfolgreicher zu sein. Sie tun es aber trotzdem nicht. Zwischen Wissen und Handeln klafft eine riesige Lücke.
Was waren die Hauptgründe, weshalb der gewünschte Erfolg bei einigen Ihrer Klienten nicht eingetreten ist?
In aller Regel der ungenügende Veränderungsdruck, gepaart mit einem Mangel an Führungskultur. In der Strategieberatung werden so einige Konzepte erarbeitet, die dann mit dem Etikett «Finden wir gut – machen wir irgendwann mal» in der Schublade verschwinden. Die, welche die erarbeitete Strategie am besten umgesetzt haben, waren – salopp gesagt – entweder diejenigen, denen das Wasser bis zum Hals stand, oder die, die den Hals nicht vollbekommen können, also eine sehr starke intrinsische Motivation haben, um noch erfolgreicher zu werden. Dazwischen gibt es viele, die noch nicht genügend Druck von aussen haben und in denen das Feuer nicht mehr richtig brennt. Da geht es in aller Regel etwas behaglicher zu. Letztlich ist es die Scheu vor Konflikten, die uns lähmt.
Sie sprechen im Zusammenhang mit den Widerständen bei der Strategieumsetzung oft von 'Engpässen'. Was verstehen Sie genau unter einem Engpass?
Alle Systeme – ob natürliche oder soziale – wollen wachsen und sich entwickeln. Dabei stossen sie in aller Regel auf Wachstumshemmnisse. Diese kann man unter dem Begriff 'Engpass' zusammenfassen. Diese Engpässe können auf allen möglichen Ebenen liegen: Kapital, Zulieferungen, Know-how, Motivation, Innovation, Unternehmenskultur usw. Manchmal ist eben auch der Unternehmer selbst der Engpass. Das ist gar nicht so selten; denn der Beruf des Unternehmers gehört zu den anspruchsvollsten überhaupt. Leider lernt man auf den Business-Schools nicht, wie man Unternehmer wird. Dort geht es eben «nur» um Administration, also Verwaltung.
Was ist für Sie eine 'gute' Unternehmerin bzw. ein 'guter' Unternehmer?
Darüber könnte man mehr als einen Roman schreiben. Ein Satz: Ein guter Unternehmer hat ein Unternehmen erschaffen, dem Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten und Steuerverwaltung hinterhertrauern würden, wenn es nicht mehr existieren würde. Wenn es darüber hinaus Teil der Lösung unserer immensen ökologischen und sozialen Probleme ist – statt Teil des Problems zu sein –, dann ist es ein sehr gutes Unternehmen.
Welche Rolle spielen Unternehmer und Führungskräfte für ihre eigenen Unternehmen?
Die zentrale. Jedes Unternehmen ist das materielle und immaterielle Abbild der Unternehmerpersönlichkeit.
Der Wandel speziell in der IT-Industrie geht mit schnellen Schritten voran. Was heisst das für die Unternehmen in dieser Branche, und welche Möglichkeiten haben die Unternehmen, dem Wandel wirkungsvoll zu begegnen?
Wandel ist für Unternehmer immer etwas Positives, denn er bringt eine ganze Reihe von Problemen und Engpässen mit sich. Das heisst: genau beobachten, welche Probleme und Chancen der Wandel mit sich bringt. Und dann die ureigenste unternehmerische Aufgabe wahrnehmen: diese Probleme lösen. Davor braucht es eine gute Strategie. Das heisst: nicht wahllos alle möglichen Probleme lösen (dazu neigen Techniker besonders); denn das ist oft der direkte Weg in die Verzettelung. Stattdessen eine klare, ganzheitliche Spezialisierung wählen, mit deren Hilfe man ein einzigartiges Know-how für einander ähnelnde Probleme entwickelt. Das erfordert eine Unternehmenskultur, in der Flexibilität und Freude an Veränderung sowie Hinwendung zum Kunden gelebt wird. Und natürlich die Fähigkeit, 'nein' zu sagen.
Welche Rolle spielt der Unternehmer bei der Veränderung seines eigenen Unternehmens?
Die wichtigste. Das heisst nicht, dass er allein zuständig ist. Aber seine wichtigste Aufgabe ist es, den Kurs des Unternehmens zu bestimmen und dafür eine entsprechende Kultur zu schaffen. Er muss führen. Das ist kein Hexenwerk, für das man eine charismatische Überfigur sein muss, sondern eine Frage von realistischer Selbsterkenntnis und passendem Handwerkszeug.
Wie kann das Führungsteam den Veränderungsprozess in seinem Unternehmen wirkungsvoll unterstützen und beschleunigen?
Indem es die Mitarbeitenden und Kunden in den Veränderungsprozess einbezieht. Das geht, indem eine starke, realistische Strategie mit starken, positiven Zukunftsbildern verwoben wird. Beispiel Apple: Steve Jobs war ein furchtbarer Choleriker und vom Charakter her eine schreckliche Führungsperson. Dennoch hat er durch seine visionäre Kraft und den unbedingten Willen, die besten Produkte zu kreieren, eine treue Gefolgschaft aus hoch motivierten Mitarbeitenden und Kunden um sich geschart. Die Erfolgsmodelle solch ungemein erfolgreicher Menschen sind von «Normalos» in dieser Grössenordnung selten kopierbar. Es gibt jedoch einfache Methoden, mit denen grundsätzlich ähnliche Ergebnisse auf harmonische Art und Weise erzielt werden. Zu nennen ist die EKS-Methode, die auf symbiotischem Zusammenwirken von Unternehmen und Kunde basiert, sowie das «Preferred Futuring» von Lippitt, das im Unternehmen für die erforderliche Umsetzungsdynamik sorgt. Beide Methoden sind «100% bullshit-frei» und basieren letztlich auf gesundem Menschenverstand. Aus der Vielzahl von Methoden, die heute angeboten werden, halte ich diese beiden für die wirkungsvollsten in KMUs.
Laufend kommen in der IT neue Technologien und Produkte auf den Markt. Das ist nicht nur für die Kunden eine grosse Herausforderung, sondern auch für die IT-KMUs, die diese Lösungen implementieren. Macht es bei diesem hohen Innovationstempo überhaupt Sinn, eine Strategie zu entwickeln? Ist die nicht morgen schon wieder Schnee von gestern?
Viele Menschen benutzen die Worte 'Strategie' und 'Planung' synonym, das heisst: Wenn sie von Strategie sprechen, meinen sie häufig so etwas wie 'einen langfristigen Plan haben'. Solche linearen Pläne sind in der Tat sehr zweifelhaft. Gute Strategie verhält sich dazu wie das Segeln zum Bahnfahren: bei ersterem steht man in enger Verbindung mit den Umweltbedingungen und kann sehr schnell auf Veränderungen reagieren, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, bei letzterem fährt man auf einem vorgegebenen Weg zum Ziel, ohne rechts und links vom Weg abzukommen. Gute Strategie ist dynamisch: Sie gibt einerseits ein klares Ziel vor; andererseits befähigt sie uns zum schnellen Navigieren. Die oben schon erwähnte EKS ist beispielsweise genau eine solche Strategie.
Können Sie uns abschliessend noch ein paar Stichworte zu Ihrem Referat vom 20. Januar in Baden verraten?
Es gibt viele schöne Beispiel von «irrsinnig Erfolgreichen» sowie handfeste Tipps, mit denen ganz normale Menschen eine dynamische Unternehmenskultur etablieren können. Und möglicherweise wird man entdecken, was im eigenen Denken und Handeln verändert werden kann ...
Kerstin Friedrich
Die promovierte Wirtschaftswisschaftlerin Kerstin Friedrich hat neben Wirtschaftswissenschaften auch Psychologie studiert. Sie ist Top-Expertin und Keynote-Speaker für die Themen EKS (engpass-konzentrierte Strategie nach Professor Wolfgang Mewes und emotionale Kundenbindung. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Unternehmensberaterin und Ausbildnerin mit Schwerpunkt EKS und ganzheitliche Spezialisierung. Sie ist Autorin mehrerer Business-Bestseller wie 'Das grosse 1x1 der Erfolgsstrategie' oder 'Erfolgreich durch Spezialisierung'.
Am 20. Januar 2014 spricht Kerstin Friedrich bei focus on future in Baden. Ihr Referat verspricht Spannung: «Irre erfolgreich» - wie Unternehmen erfolgreich werden, auch wenn der Chef nicht genial und wahnsinnig ist. Hier finden Sie alle Details zur Veranstaltung: http://focus-on-future.ch/