Wer nur Disks verkaufen, will ist tot
EMC Schweiz ist auch 2012 auf Kurs, sagt Managing Director Jacques Boschung. Allerdings dürfte das Rekordergebnis 2011 nur schwer zu schlagen sein. Im Gespräch erklärt Boschung, weshalb ihm die Wirtschaftslage Sorge bereitet, und warum er Freude am KMU-Geschäft hat.
Das Jahr 2011 war eines der besten Geschäftsjahre für EMC Schweiz. Werden Sie dieses toppen können?
Jacques Boschung: Sie haben Recht, es wird in der Tat nicht einfach werden, das Ergebnis zu übertreffen. Sie müssen auch sehen, dass wir ja nicht nur 2011 gewachsen sind, sondern eigentlich seit 2009 kontinuierlich zulegen. 2009, also im Jahr der grossen Flaute, wuchs EMC in der Schweiz immerhin noch einstellig, 2010 mit 34 Prozent und wie bekannt letztes Jahr um 25 Prozent.
Was erwarten Sie konkret dieses Jahr für ein Geschäftsergebnis?
Nun, wie gesagt, wird es schwierig werden, das vergangene Jahr zu übertreffen. Aber ich bin trotzdem zuversichtlich. In der ersten Jahreshälfte konnten wir im Gegensatz zur entsprechenden Vorjahresperiode in einem einstelligen Prozentbereich wachsen. Ehrlich gesagt gleicht das fast einer Heldentat. Immerhin waren wir im ersten Halbjahr 2011 mit 48 Prozent gegenüber 2010 gewachsen. Nun sind wir mit einem leichten Wachstum, das wir jetzt im ersten Halbjahr 2012 erzielt haben, gemäss unserer Budgetplanung unterwegs. Wir müssen sehen, wie sich die zweite Jahreshälfte entwickelt. Denn in der Zwischenzeit hat sich die Wirtschaftslage wieder einmal verschlechtert.
Was genau ist schwierig für Sie an der momentanen Wirtschaftslage?
Die Prognosen sagen für das dritte Quartal eine Rezession bei unseren Nachbarländern voraus. Unseren Nachbarländern Deutschland und Frankreich etwa geht es schlecht. Frankreich scheint nun wirtschaftlich sogar auch auf die Seite von «Südeuropa» zu kippen. Das macht mir natürlich Sorgen, denn die Schweiz ist sehr stark vom Export abhängig. Wenn es aber all unseren Nachbarländern so schlecht wie noch nie geht, schadet das natürlich der Exportindustrie. Zudem stehen auch unsere traditionell sehr wichtigen Kunden, die Banken, in der Schweiz politisch-regulatorisch und wirtschaftlich unter Druck.
Wie wollen Sie das Jahr trotzdem im Plus überstehen?
Unser Hauptauftrag ist es, unseren Mitbewerbern Marktanteile abzujagen. Und das werden wir weiterhin konsequent tun. Diese Strategie wird dann dazu führen, dass unser Geschäft auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst. Zudem haben wir durch den Zukauf von Isilon letztes Jahr die richtigen Produkte, etwa für Big-Data-Applikationen. Ebenfalls machen wir gute Geschäfte im Enterprise-Segment und haben mit Storagelösungen für Serviceprovider ein weiteres wichtiges Standbein entwickelt. Die Anbieter von Managed-Cloud-Services sind in der Schweiz auf Wachstumskurs. Unternehmen, die es sich nicht mehr leisten können oder wollen, ihre IT selbst zu betreiben, lagern Teile ihrer IT nur zu gerne an «vertraute» Serviceprovider, wie etwa Swisscom IT Services, aus. Um solche Managed-Services anbieten zu können, braucht es dann natürlich die richtigen Storagelösungen, die wir mit EMC selbstverständlich gerne liefern. Im Weiteren sehen wir, dass im Back-up-Bereich die Verlagerung von Tape zu Disk immer schneller vonstatten geht. Auch dafür haben wir mit den Produkten von Data Domain und Avamar natürlich die besten Trümpfe in der Hand, um in diesem Markt erfolgreich zu sein.
Also keine Depressionen bei EMC?
Nein, bei uns hat niemand eine Depression.
Wie läuft es im KMU-Geschäft?
Im KMU-Geschäft wachsen wir zweistellig. Auch das ist nur mit den richtigen Produkten möglich. Im KMU-Umfeld sind wir mit unseren VNX und kleinere Data-Domain-Lösungen sehr erfolgreich unterwegs.
Das KMU-Geschäft ist ja sehr stark vom Channel abhängig, dafür haben Sie im Februar mit Channeldirektor und Midmarket-Chef Jens Brandes einen neuen Mann eingestellt. Zieht der Channel auch mit EMC mit?
Oh ja. Die Zusammenarbeit zwischen EMC und dem Channel ist sehr erfolgreich. Mit Jens Brandes haben wir da einen echten Fachmann, der den Channel versteht und gleichzeitig auch den Midmarket. Jens hat auch den Schwung und die nötige Energie, um dieses Geschäft mit den KMU-Kunden weiterzuentwickeln. EMC war ja bisher vor allem eine «Grosskundenmaschine». Doch das hat sich gewandelt.
Wie unterstützen Sie den Channel? Gibt es Änderungen im Partnerprogramm?
Das Partnerprogramm wurde vereinfacht und vereinheitlicht. Durch die Akquisitionen der Vergangenheit war das auch nötig. Weltweit gibt es nur noch eine Partnerorganisation. EMC ist sehr viel partnerfreundlicher geworden.
Sie haben im Juli Veränderungen in der Geschäftsleitung von EMC Schweiz kommuniziert. Mit Patrick Zurkirchen haben Sie einen neuen Mann in der GL. Was waren die Gründe dafür?
Die neue Organisationsstruktur war eine Vorgabe von EMC, die wir umsetzen mussten. Aber viel zu ändern gab es nicht. Eigentlich haben wir nur unsere drei Abteilungen Presales, Service Delivery und Customer Service Organisation, die zusammengenommen unsere Wertschöpfungskette abbilden, unter die Gesamtleitung von Patrick Zurkirchen gestellt. Patrick hatte vorher die Customer Service Organsation geleitet, die neu von Stefan Züger geführt wird. Stefan ist Patrick Zurkirchen unterstellt. Daniel Ferru, der ehemalige Director Presales und Delivery, ist in eine Europa-Funktion bei EMC aufgestiegen und arbeitet nun als Director Services Strategy und Operations EMEA.
Ihr Konkurrent Netapp will nach dem Einstieg bei Fusion-io vermehrt auf Flash setzen, EMC hat vor einigen Monaten ExtremIO übernommen. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung im Flash-Bereich? Wird es bald nur noch Flash geben?
Wir glauben an Flash. Die EMC-Vision ist auch eindeutig: Es wird in Zukunft nur noch Flash- und Sata-Festplatten geben.
Aber Flash ist doch noch so teuer ...
Ja, noch. Aber das wird sich ändern. Die Anforderungen an Speichersysteme werden überdies weiter steigen, sodass niemand mehr an Flash vorbeikommen wird. Zudem stellt sich die Frage, wie man die Speicherstacks verwaltet. EMC hat dafür das FAST-System entwickelt, das Fully Automated Storage Tiering. Es automatisiert die Verlagerung und Platzierung von Daten über Speicherressourcen hinweg, während sich die Anforderungen im Laufe der Zeit verändern. FAST ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung der Anwendungen ohne die sonst erforderlichen Kompromisse in den Bereichen Kapazität und Performance. Gleichzeitig können die Kosten gesenkt und höhere Service-Level bereitgestellt werden.
Viele Schweizer Unternehmen können sich die Realtime-Analyse ihrer Datenströme nicht leisten, weil die Anfangsinvestition sehr hoch ist. Ist Big Data für EMC in der Schweiz mehr als nur ein Schlagwort?
Für mich ist Big Data eine Reise. Es gibt nicht «bin ich big-data-fähig oder bin ich es nicht?». Unternehmen in der Schweiz, typischerweise Retailer wie Migros oder Coop, aber auch Banken müssen sich mit Big Data auseinandersetzen. Stellen Sie sich die Möglichkeiten vor, die sich im Kundenkontakt eröffnen, wenn man aufgrund vorhandener Daten in Echtzeit analysieren und eine Geschäftshandlung auslösen kann, die direkt zum Erfolg führt, etwa einen Verkauf tätigt oder eine in diesem Moment nötige wichtige Information bereitstellt. Aber es ist klar: Man braucht Datenwissenschaftler, um zu erkennen, was man überhaupt herausholen kann. Und die richtigen Storage- und Analytics-Systeme, die wir haben. Ich bin davon überzeugt, dass es nötig ist.
Wie schätzen Sie die Rolle des CIO in Zukunft ein?
Die Rolle des CIO ist im Wandel. Er wird mehr und mehr zum Applikationen-Broker. Das bedeutet über kurz oder lang aber auch das Ende des klassischen Outsourcing-Geschäfts zugunsten von Selective-Cloud-Modellen. Denn Unternehmen wollen flexibel sein und schnell skalieren können.
Welche Prognose geben Sie für das Rest-IT-Jahr 2012 ab?
Ich würde sagen, es wird generell flach verlaufen. Bestenfalls ein wenig Wachstum, wohl aber auch keine grossen Einbrüche. Ein Übergangsjahr.
Wie lange wird Storage noch ein krisensicheres Geschäft bleiben?
Cloud und Big-Data sind die Treiber unseres Geschäfts. Wir stehen in diesen Bereichen aber erst am Anfang. Wir müssen unsere Kunden dabei unterstützen, ihr Geschäft zu beschleunigen und mehr aus ihren Daten herauszuholen. Das ist eine Aufgabe, die auch, aber nicht nur mit Hardware zu tun hat. Wer in Zukunft weiterhin einfach nur Disks verkaufen will, ist tot.
Über Jacques Boschung
Jacques Boschung, geboren 1967, ist seit Dezember 2007 Managing Director von EMC Schweiz. Nach verschiedenen Funktionen bei Compaq war Jacques Boschung Country Manager der Personal System Group von IBM Switzerland. 2001 gründete der Physiker EPFL als CEO das Beratung- und Softwareunternehmen Brightrivers, dem er seit 2004 als Verwaltungsrat vorsteht. Hauptberuflich wechselte Boschung 2004 zu Dell, wo er zuerst Sales Director Key Accounts Switzerland und Mitglied der Geschäftsleitung war und zuletzt als Sales Director das Corporate Business Switzerland & Austria verantwortete sowie Member of the EMEA Corporate Senior Management Team war. Jacques Boschung ist verheiratet und Vater eines Sohnes.