Wie sich der Channel im vergangenen Jahrzehnt gemäss Also verändert hat
"IT-MARKT" blickt zurück auf zehn ereignisreiche Jahre im Schweizer IT-Channel. Was die Branche im vergangenen Jahrzehnt bewegte, welche Technologien den Markt prägten und welche Trends sich abzeichnen, sagt Gustavo Möller-Hergt, CEO der Also Holding.
Wie hat sich der Schweizer Channel in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Gustavo Möller-Hergt: Zu allererst: Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Wir haben eine ähnliche Geschichte, auch die Also in ihrer heutigen Form entstand vor fast zehn Jahren. Damals haben wir mit "MORE" die Strategie der Gruppe erarbeitet. Ihre vier Bestandteile spiegeln auch die Veränderung des Channels. Maintain: Erhalt des klassischen Supply-Geschäfts. Allerdings mit einer wesentlichen Veränderung: E-Commerce hat für Tempo und Einfachheit in der Beschaffung gesorgt und so gut 1 Milliarde Franken Handelsvolumen vom Fachhandel zum Webshop verschoben. Für uns waren die Einführung des B2B-Marktplatzes und von ERP entscheidend, um Effizienz und Produktivität zu steigern und so das Supply-Geschäft erfolgreich weiterzuführen. Optimize: Mit dieser Digitalisierung der Geschäftsprozesse wurde die Grundlage für den Einsatz von Business-Intelligence- und CRM-Systemen geschaffen. Die Systemhäuser haben ihre Expertise weiter ausgebaut und damit Network, Security, Storage und Virtualisierung vorangetrieben. Für sie haben wir das Geschäftsmodell Solutions aufgebaut. Reinvent: Der Trend im Fachhandel geht mehr und mehr hin zu MSPs, oft in direkter Verbindung mit dem Aufbau des Plattformgeschäfts. Also war und ist Vorreiter und Partner für den Channel in diesem Wandel. Angefangen beim Also Cloud Marketplace über unsere ITaaS-Angebote bis zu den Plattformen und Produkten für IoT, Cybersecurity und Streaming oder dem 3-D-Druck. Enhance: Eine letzte wichtige Veränderung ist die Internationalisierung. Softwareentwickler liessen die Schweizer Grenzen hinter sich und nutzten Ressourcen aus allen Ländern. Und auch hier ist Also an vorderster Front mit dabei. Wir haben uns vom IT-Distributor zum Technologie-Provider entwickelt, vom Schweizer Distributor zum internationalen Plattformanbieter.
Welche Technologien prägten den Channel besonders?
Die Virtualisierung der Server- und Storage-Infrastruktur, die viel Wissen und Zertifizierungen für verschiedene Lösungen voraussetzte. E-Commerce, Webshops und Plattformen als skalierbare Handelsplätze, die massiv Marktanteile gewannen. Und die Cloud, die zu einem Paradigmenwechsel führte. Sie hat buchstäblich Datacenter-Strategien sowie den Softwarehandel auf den Kopf gestellt und den Channel gespalten. Die fortschreitende technologische Konvergenz in elektronischen Produkten andererseits hat Channelpartner für IT, Consumer Electronics, Telefonie und Home-Automation viel näher zusammengebracht.
Was war für Sie ein besonders einschneidender Moment?
Das sind eigentlich drei Momente: Das Ökosystem von Also ist ein steter Treiber von Innovation. Deshalb war früh klar, dass eine Fokussierung auf das Supply-Geschäft keine zukunftsfähige Strategie sein kann. Die "Eröffnung", das Go-Live des Also Cloud Marketplace, war im Nachhinein gesehen der erste wichtige Moment, Grundlage für die Skalierung des Geschäfts. Der zweite Moment: der Schritt vom regionalen zum internationalen Unternehmen. Die Also aus Emmen ist mittlerweile nicht nur in 23 europäischen, sondern auch in 64 weiteren Ländern rund um den Globus aktiv. Und der dritte war die Einführung unserer Matrixorganisation. Durch die Akquisitionen, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben, haben wir technologische Kompetenzen in allen Zukunftsfeldern. Und wir haben starke Vertriebsorganisationen vor Ort in 23 Ländern.
Welche Trendlinien erkennen Sie derzeit?
Eine grosse Linie ist die weitere Virtualisierung, besonders durch das Internet of Things. Sie betrifft alle Arbeits- und Lebensbereiche. Die Revolution von Entwicklung und Produktion durch Digital Twins ist ein Beispiel, die Einführung "smarter" Warehouses und Logistik ein anderes. Also hat allein in den letzten Monaten vier Produkte entwickelt, mit denen Reseller schnell und einfach in die IoT-Technologie einsteigen können. Eine zweite Linie, die eng damit verbunden ist, ist die künstliche Intelligenz. Die zunehmende Virtualisierung verhilft uns zu Daten in bisher ungekanntem Ausmass. Entscheidend sind aber nicht die Daten, sondern es ist die intelligente Kombination dieser Daten, um Optimierungschancen, Dynamiken und auch Risiken zu erkennen. Business Intelligence ist heute ein entscheidender Faktor jeder unserer Plattformanwendungen. Mehr Daten heisst immer auch mehr Streaming. Derzeit erkennen wir, dass dabei unsere Download-optimierten Netze nicht mehr ausreichen, der Upload muss deutlich verbessert werden, wenn Entwicklungen wie autonomes Fahren und dynamische Verkehrsleitsysteme Wirklichkeit werden sollen. Das gilt genauso für den privaten Bereich durch Homeoffice und den verstärkten Trend zum Online-Gaming, wofür wir ebenfalls bereits Produkte am Markt haben. Gleichzeitig werden uns Cyberangriffe und der mögliche Schutz davor beschäftigen. Cybersecurity ist ein Fokus für Also, den wir, auch gemeinsam mit einem Partner, vorantreiben. Die Liste liesse sich problemlos fortsetzen - genau das ist das Begeisternde an unserer Branche, dass wir an vorderster Front diese Veränderungen mitgestalten und für alle Menschen zugänglich machen.
Wie wird sich Corona langfristig auf den Channel auswirken?
Der Trend zu Remote Work wird bleiben. Homeoffice und Home-School werden in diesem Kontext ebenso wichtige Themen für den Channel sein wie etwa Augmented-Reality-Anwendungen im Service- und Wartungsbereich. Die Digitalisierung und Virtualisierung wird massiv gepusht, ob durch die verstärkte Nutzung von Online-Gaming zuhause oder mehr und mehr Automatisierung durch das Internet mit Low-Touch oder No-Touch-Prozessen. Die zunehmende Komplexität und Geschwindigkeit werden höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden und Unternehmen stellen. Das bedeutet, wir müssen noch intensiver auf Training und Weiterbildung setzen und gleichzeitig vermehrt über strategische Allianzen kompetenter Partner nachdenken. Und last but not least wird auch die Nachhaltigkeit im weitesten Sinne ein bleibendes Thema sein. Wie fliessen Warenströme, wie global oder lokal wird produziert, wie entwickelt der Channel die Kreislaufwirtschaft in seinem Bereich - all dies ist zumindest mittelbar mit der Entwicklung der letzten Monate verbunden.
Die Antworten der anderen Teilnehmer des Podiums:
André Koitzsch, Infinigate: "Aber eins ist geblieben: Der Schweizer ICT-Channel ist nach wie vor sehr spannend, innovativ und extrem flexibel"
Norbert Kopp, Amontec: "Die Cloud-Services haben längst die Oberhand gewonnen."
Martin Lorenz, Competec: "Waren Dienstleistungen bisher Zusatzverkäufe, sind sie nun Kern der Wertschöpfung."
Patrick Matzinger, Littlebit: "Vor zehn Jahren hatte man den IT-Channel quasi totgeschrieben, was eine grobe Fehlprognose war."
Frank Studerus, Studerus AG: "Ein grosser Wandel war zudem die Umstellung auf All-IP. Die Schweiz ist da in einer Vorreiterrolle."