Porträt

"Wir haben heute nur einen Code"

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Das Geschäft mit der öffentlichen Hand kann sich lohnen. Das zeigt sich am Beispiel der Firma CMI. Seit über 25 Jahren ­konzentriert sich das Familienunternehmen auf Kantone und Gemeinden. Das ist aber nicht immer einfach.

"Wenn man mal drin ist und einen guten Job macht, spricht man über Sie" - Stefan Bosshard, Geschäftführer von CMI in zweiter Generation. (Quelle: Netzmedien)
"Wenn man mal drin ist und einen guten Job macht, spricht man über Sie" - Stefan Bosshard, Geschäftführer von CMI in zweiter Generation. (Quelle: Netzmedien)

Wer aus dem Fenster von Stefan Bosshards Bürofenster blickt, sieht Felder und Wiesen. Das Haus, in dem sich das Büro befindet, steht am Rande Schwerzenbachs. Eine Gemeinde mit rund 4400 Einwohnern. Gemeinden wie diese sind Bosshards Zielgruppe.

Stefan Bosshard ist Geschäftsführer von CMI. In zweiter Generation. Sein Vater Peter Bosshard gründete das Unternehmen Ende der 1980er-Jahre. Er arbeitete damals für Wang Computer. Eine amerikanische Firma, die sehr früh erste Textverarbeitungs- und Automationssysteme vertrieb. Etwa das "Wang Word Processor System". 1976 stellte die Firma das Gerät vor.

Als Projektleiter bei Wang betreute Bosshard Kunden der öffentlichen Hand. Die Stadtpolizei und das Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich, wie sein Sohn erzählt. In diesem Kundenumfeld machte sich Bosshard selbstständig. Aus der 1987 gegründeten Einzelfirma wurde schnell eine Aktiengesellschaft. Bosshard holte zwei Partner an Bord. Rund zehn Jahre sollte das Dreiergespann halten.

Bosshards Vater entschied sich für den Microsoft-Weg

Gemeinsam bauten sie sich zwei Kernkompetenzen auf: Geschäftskontrolle für öffentliche Verwaltungen und Langzeitarchivierung von Staatsarchiven. "Ende der Achtziger war das noch weit weg von DMS und Workflow. Das waren beschreibende Datenbanken. Für Recherchezwecke", sagt Stefan Bosshard. Er ging damals noch zur Schule.

Aus den zwei Kernkompetenzen entwickelten sich Standardlösungen für die öffentliche Hand, wie Bosshard sagt. Bis 2001. Dann stand das Unternehmen an einem Scheideweg. Die Produkte der Firma bauten auf Powerbuilder C++ auf. Sollten sie auf Java wechseln? Bosshard senior beantwortete die Frage damals mit nein. Er entschied sich für den Microsoft-Weg, für das .Net-Framework. "Das war ein wegweisender Entscheid meines Vaters", sagt Stefan Bosshard heute.

Nicht der einzige Entscheid dieser Art. Bosshard senior erkannte, dass es Zeit war, seine Söhne einzubinden. Er wollte, dass sie die Firma weiterführen.

Stefan Bosshard ging 2005 in die Verkaufs- und Marketingabteilung. Die Firma hatte zu der Zeit laut Bosshard etwa zehn Mitarbeiter. Sein Bruder Gregor stieg schon im Jahr 2000 ein. Als Entwickler. "Mein Bruder ist ein leidenschaftlicher Programmierer", sagt Bosshard.

Er selbst hat keinen IT-Hintergrund. Er studierte BWL und versuchte sich in der Bankenwelt. Die IT interessiert ihn dennoch. Schon als Kinde habe ihn die Arbeit seines Vaters fasziniert, sagt er.

Bosshard junior kaufte Greenshare und somit Fachwissen

2010 übernahm Stefan Bosshard die Geschäftsführung. Sein Vater blieb dem Unternehmen als Key Account Manager noch bis 2015 mit einem Teilzeitpensum erhalten und amtet heute als Verwaltungsratspräsident.

Kurz nachdem Stefan Bosshard das Ruder übernommen hatte, kaufte er einen Grossteil der Aktien der Firma Greenshare. Mit diesem Schachzug wollte er die Firma breiter abstützen, den Markt besser bewirtschaften. Denn Greenshare hatte spezifisches Fachwissen, das Bosshards Team fehlte. Sogenannte "fachintegrierte Lösungen" – etwa Software, um Baugesuche abzuwickeln – konnte CM Informatik nicht alleine auf die Beine stellen. Jede Gemeinde habe andere Anforderungen, bei jedem Projekt würden neue Aspekte auftauchen, von denen man vorher nichts gewusst habe, sagt Bosshard. "Greenshare kannte diese Probleme."

Die Firma war Marktführer für Baugesuchlösungen. Bei über 200 Gemeinden habe sie ihr Produkt installiert, sagt Bosshard. Dazu kamen etliche weitere Spezialanwendungen. Todesfall- und Friedhofsverwaltung. Hundekontrolle. "X verschiedene Fachlösungen", sagt Bosshard.

Bei den Kunden von Greenshare und CMI habe es ­viele Überschneidungen gegeben. Die Firmen seien immer näher aneinandergerückt. 2015 übernahm Bosshard schliesslich die Firma komplett. Die Produkte von Greenshare integrierte Bosshards Team in den eigenen Brand: CMI Axioma. "Das ist der strategische Pfeiler, mit dem wir unsere Vision der fachintegrierten Geschäftsverwaltung erfüllen wollen", sagt Bosshard.

CMI beschäftigt heute 50 Mitarbeiter und betreut nach eigenen Angaben über 500 Städte und Gemeinden. Die Produkte bezeichnet Bosshard als integrierte Gesamtlösungen. "Wir haben heute nur einen Code", sagt er. Auf diesem "Layer" konfiguriere sein Team die jeweiligen Anwendungen für die Kunden.

Gemeinden vergeben viele Aufträge freihändig

Das eingekaufte Know-how Greenshares half Bosshard und seinem Team, Druck im Markt zu erzeugen. Bei vielen bestehenden Kunden habe CMI den Mitbewerber für Baugesuchlösungen, die Firma Gemdat, ablösen können.

Gemdats Fachlösung sei mindestens so gut wie die von CMI, sagt Bosshard. "Aber durch die Integration in unsere Gesamtlösung bieten wir einfach mehr". Gemdat komme da nicht mit.

Das funktioniert inzwischen nicht mehr nur auf Gemeindeebene, wie Bosshard sagt. Selbst Kantone finden Gefallen daran. In der Deutschschweiz würden 15 Kantone auf CMIs Lösung setzen.

Wie kommt die Firma an solche Aufträge heran? "Auf Gemeindeebene läuft viel über freihändige Vergaben", sagt Bosshard. Die Aufträge lägen meistens unterhalb von 100 000 Franken.

Bei den Kantonsaufträgen sieht es anders aus. Da bewirbt sich CMI auf Ausschreibungen. Vor drei Jahren gewann die Firma einen Auftrag des Kantons St. Gallen. Dort suchte man nach einem System für das Bürgerrechts- und Zivilstandswesen. Das nötige Modul für die eigene Software hatte CMI damals nicht. Die Firma entwickelte es gemeinsam mit dem Kanton.

Das Modul ist inzwischen auch im Kanton Luzern im Einsatz. Weitere Kantone seien interessiert, sagt Bosshard. Gemeinden würden das Modul auch nutzen können. Es sei trotz der Entwicklung für St. Gallen ein Standardmodul.

Für das Geschäft mit den Gemeinden arbeitet CMI mit zwei Vertriebspartnern zusammen. In der Region Bern ist das Talus Informatik, in der Ostschweiz VRSG. Beide akquirieren und betreuen Kunden selbstständig. Bosshards Team stellt nur den Second- oder Third-Level-Support.

Gemeinden und Kantone wollen (noch) nicht in die Cloud

Im Geschäft mit der öffentlichen Hand gebe es eine einfache Regel: "Wenn man mal drin ist und einen guten Job macht, spricht man über Sie", sagt Bosshard. Die Gemeinden seien stark untereinander vernetzt und würden sich regelmässig austauschen.

Doch das Geschäft mit Gemeinden und Kantonen hat auch seine Tücken. CMI ist zertifizierter Microsoft-Cloud-Partner. Mit Azure stosse man bei Gemeinden und Kantonen aber auf taube Ohren. Trotz der "unglaublichen Möglichkeiten", die Azure biete, sagt Bosshard. Egal was er frage, die Antwort sei immer gleich. "Dürfen wir eure Datenbank in der Azure-Cloud aufbauen?" Nein. "Dürfen wir die Datenbank bei euch im eigenen Rechenzentrum aufbauen, aber den Applikationslayer in der Azure-Cloud betreiben?" Nein. "Dürfen wir für die Mobilitätsbedürfnisse und Single-Sign-on in die Azure-Cloud?" Nein.

Nicht einmal E-Mails dürften über die Cloud synchronisiert werden. Das laufe unter Persönlichkeitsschutz, sagt Bosshard. Trotzdem glaubt er fest daran, dass sich die Situation ändern werde. "In fünf bis zehn Jahren wird das langsam aufweichen." Die Datenbanken werden sicher lokal bleiben. Aber Webserver und Active Directories könnten mittelfristig für Gemeinden aus internationalen Clouds bereitgestellt werden, sagt Bosshard. Bis dahin nutzt CMI die Azure-Packs, also die Azure-Technologie, auf lokalen Windows-Servern. Etwa in Rechenzentren des Partners Talus Informatik oder bei den Gemeinden selbst.

Kleine Gemeinden seien heute bereits in lokalen Rechenzentren eingemietet. Irgendwann würde der Kostendruck dazu führen, dass sie in internationale Clouds ausweichen, sagt Bosshard. In der Privatwirtschaft sei man da natürlich schon weiter.

Bosshards Ziel ist deshalb Software-as-a-Service mit Self-Provisioning. Die Kunden sollen auf die Website von CMI oder eines Vertriebspartners gehen können, ihr gewünschtes Modul wählen, bestellen und voilà, einen halben Tag später laufe das System. "Wir müssen uns dann nicht mehr um Installation und Betrieb kümmern", sagt Bosshard. Er und sein Team würden sich dann voll auf die Beratung und Konfiguration konzentrieren. Hundertprozentigen Fokus auf den Kunden, nennt Bosshard das.

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