Algorithmus erstellt Steuerveranlagungen

Im Kanton Solothurn entscheidet KI über die Steuererklärung

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von Joël Orizet und rja

Im Kanton Solothurn hat ein selbstlernender Algorithmus erstmals eigenständig eine Steuerveranlagung erstellt. Das Steueramt will somit Mitarbeitende entlasten, doch Experten warnen vor Risiken.

(Source: Andrey Popov / stock.adobe.com)
(Source: Andrey Popov / stock.adobe.com)

Einige Kantone setzen für die Abwicklung von Steuererklärungen auf künstliche Intelligenz. Vorreiter war der Kanton Obwalden, der bereits seit 2020 ein KI-System einsetzt, das überprüfen soll, ob es bei der Bearbeitung von Steuererklärungen noch Korrekturen braucht oder nicht, wie die "Obwaldner Zeitung" berichtete. Auch die Kantone Nidwalden und Solothurn lassen Steuererklärungen durch KI-Lösungen überprüfen, wobei letzterer nun einen Schritt weiter ging, wie das "SRF" berichtet. Demnach erstellte im Kanton Solothurn ein selbstlernender Algorithmus erstmals ohne menschliches Zutun eine Steuerveranlagung. 

Die KI überprüfe alle 175'000 Solothurner Steuererklärungen natürlicher Personen und entscheide darüber, welche vollautomatisch bearbeitet werden und welche noch ein Mensch anschauen muss. Ziel sei es, dass 20 Prozent der Steuerveranlagungen vollautomatisch abgeschlossen werden, sagt Thomas Fischer, der Chef des Solothurner Steueramts, gegenüber "SRF". "So können unsere Leute ganz konkret entlastet werden."

Ein Foto von Thomas Fischer, Chef des kantonalen Steueramtes Solothurn.
Thomas Fischer, Chef des kantonalen Steueramtes Solothurn. (Source: so.ch)

 

In weiteren Kantonen verfolgen die Steuerämter ähnliche Pläne. Konkrete KI-Projekte gibt es gemäss einer "SRF"-Umfrage bereits in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Thurgau, St. Gallen, Wallis und Tessin. Und in zehn weiteren Kantonen macht man sich demnach "erste Überlegungen" dazu, und zwar in den Kantonen Aargau, Appenzell-Ausserrhoden, Bern, Fribourg, Genf, Luzern, Neuchâtel, Schwyz, Zug und Zürich.  

Was, wenn die Steuer-KI Fehler macht?

Luzius Cavelti, Professor für Steuerrecht der Universität Basel, äussert jedoch Bedenken bezüglich dieser Entwicklung. Er sieht zwar das Potenzial für die Steuerämter, warnt jedoch auch vor der Fehleranfälligkeit von KI-Systemen. "Wenn die KI Fehler macht, sind unter Umständen mehrere tausend Personen betroffen", lässt sich Cavelti von "SRF" zitieren. "Und möglicherweise sind diese Fehler gar nicht so einfach zu entdecken. Es kann unter Umständen längere Zeit vergehen."

Ein Foto von Luzius Cavelti von der Universität Basel.
Luzius Cavelti, Professor für Steuerrecht der Universität Basel. (Source: unibas.ch)

 

Der Steuerrechtsexperte fordert dementsprechend völlige Transparenz. KI-Algorithmen dürften nicht nur durch die Steuerämter und die Herstellerfirmen überwacht werden. Stattdessen sollten sich unabhängige Instanzen darum kümmern. "Am besten würden die Berichte gleich veröffentlicht, sodass man von aussen eine gewisse Kontrolle auf die Entwicklung haben kann."

Dies sei auch so vorgesehen, sagt der Chef des Solothurner Steueramts gegenüber "SRF". Die Finanzkontrolle und der Bund würden dem Steueramt auf die Finger schauen. Zudem sei auf den automatischen Solothurner Steuerveranlagungen klar vermerkt, dass kein Mensch sie bearbeitet habe.
 

 

Während es in der Privatwirtschaft schon vielfältige Anwendungen von generativer KI gibt, herrscht in den öffentlichen Verwaltungen oft noch eine spürbare Unsicherheit. Mehr über den möglichen Einsatz von ChatGPT & Co. in den Verwaltungen erfahren Sie in einem Leitfaden von Paul Meyrat.  

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