Warum AI und ML menschliche Arbeit nicht ersetzen

Welches Big-Tech-Unternehmen hat im AI/ML-Business die Nase vor?

Vasi Philomin: Natürlich Amazon.

Und warum?

Der Grund dafür ist einfach. Seit den Anfängen von Amazon in den 1990er Jahren, damals noch als Online-Buchhändler, haben wir unseren Kunden, zusätzlich zum Kauf des Buches, das sie ausgewählt hatten, gezeigt, was andere gekauft hatten. Das ist eine klassische Anwendung von Machine Learning und heisst Collaborative Filtering. Es wertet Verhaltensmuster von Benutzergruppen aus, um auf die Interessen Einzelner zu schliessen. Und Amazon hat das in grossem Massstab gemacht, wie alles, das wir machen. AI und ML sind in alles eingebettet, das wir bei Amazon tun. Alle Business Units bei Amazon müssen jedes Jahr in ihren Forecasts abgesehen von den Umsatzzielen auch melden, wie sie in ihrem Bereich AI- und ML-Methoden einsetzen werden, um ihr Business zu verbessern. AI und ML sind tief in der Kultur von Amazon verankert. Sie stecken in unserer DNA genauso, wie wir in grossen Massstäben denken und unsere Technologie skalieren.

Welche Kunden nutzen in der Schweiz Amazons AI und ML-Services?

Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, aber ich bin sicher, dass wir Kunden in der Schweiz haben, die unsere AI/ML-Dienste nutzen. Ich denke etwa an die Finanzindustrie, Pharma, Retail etc.

Wie sicher sind AI/ML-Anwendungen von AWS oder anders gefragt: Welche ethischen und moralischen Bedenken rund um AI und ML teilen Sie?

Grundsätzlich ist es klar, dass wir AI und ML verantwortungsvoll einsetzen müssen und wollen. Bei Amazon bauen wir diese Verantwortung in die entsprechenden Dienste ein. Sprechen wir beispielsweise über Amazon Codewhisperer. Das ist ein auf maschinellem Lernen basierender Dienst, der die Produktivität von Entwicklern verbessert, indem er Codeempfehlungen auf der Grundlage von Kommentaren in natürlicher Sprache generiert. Nun muss man wissen, dass 40 Prozent des Codes, der von vergleichbaren Tools generiert wird, Sicherheitslücken aufweist. Amazon bietet einen Dienst an, der mit Hilfe von maschinellem Lernen trainiert wurde, um Schwachstellen zu finden und den Code-Review-Prozess zu automatisieren. Ausserdem überprüfen wir, ob der von Codewhisperer vorgeschlagene Code das Urheberrecht oder die Lizenzbedingungen von jemandem verletzen könnte. Der Referenz-Tracker von CodeWhisperer erkennt, ob eine Code-Empfehlung bestimmten CodeWhisperer-Trainingsdaten ähnlich ist, und kann diese Referenzen zur Verfügung stellen. So kann der Referenzcode leicht gefunden werden, um zu überprüfen, wie und ob er im Kontext eines anderen Projekts verwendet wurde. Ausserdem sind wir sehr rigoros im Herausfiltern von Bias und von Toxizität im Code, sollte er problematische Elemente enthalten, was aufgrund der schieren Menge des generierten Codes vorkommen kann. So wenden wir theoretische Modelle in der Praxis an.

Inwiefern können Sie die Befürchtung nachvollziehen, dass AI die Arbeit von Menschen ersetzen könnte?

Diese Frage wird immer wieder, vielleicht auch aus Sensationslust, herumgeboten. Unsere AI/ML-Technologien sind sehr sehr weit davon entfernt, Menschen - in unserem Fall etwa Entwickler wie mich - zu ersetzen. Aber die Technologie hilft uns, unsere Wirkung zu vergrössern, uns darauf zu konzentrieren, unseren Job besser zu machen, statt uns mit profanen Dingen herumzuschlagen, die eigentlich niemand machen möchte.

Dann wird AI die menschliche Intelligenz nicht schon bald überflügeln?

Nein. Wir sind nicht einmal in der Nähe davon, dass AI und ML die Weltherrschaft erringen werden.

Übrigens: Lesen Sie hier, welche Berufe künftig am ehesten durch Roboter ersetzt werden könnten.