Schweizer Schulen vertrödeln Digitalisierung
Analoge Lehrmittel bleiben an Schweizer Schulen Standard. In einer Umfrage gibt nur ein Fünftel der Befragten an, täglich digitale Lehrmittel zu nutzen. Zudem haben einige Schulen bei der Internetverbindung Nachholbedarf.
Infolge der Pandemie-bedingten Schulschliessung im Frühjahr 2020 hat die Digitalisierung zentral an Bedeutung gewonnen. Doch wurde offensichtlich, dass nationale Datengrundlagen zu vielen essenziellen Themen fehlen - etwa zur Ausstattung mit digitalen Geräten im schulischen Umfeld oder deren Nutzungsintensität. Deshalb hat die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) rund 6000 Schülerinnen und Schüler Schweizer Bildungsinstitutionen befragt. Die Ergebnisse hielt SKBF in der Studie "Monitoring der Digitalisierung der Bildung aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler" fest.
Einer der Hauptbefunde: Nebst der Anschaffung vieler Hardware im schulischen wie auch im ausserschulischen Bereich besteht vielerorts einen Nachholbedarf bezüglich funktionierendem Internetnetzwerk.
Internet an Schulen nach Bildungsstufe. Anmerkung: Nur Personen berücksichtigt, die von einem Internetanschluss an der Schule berichten. (Source: skbf-csre.ch / Screenshot)
71 Prozent der Befragten Primarschulen berichten über funktionierendes WLAN. Zum Vergleich: Die Quote anderer Bildungsstufen liegt durchschnittlich um 10 bis 15 Prozent höher. Hingegen scheinen die Netzwerke an den Primarschulen am häufigsten problemlos zu funktionieren. Primarschulen klagen ausserdem am wenigsten über zu langsames Internet (weniger als 20 Prozent), was gemäss SKBF womöglich mit der Nutzungsintensität zusammenhängt.
Nutzung der Geräte zum schulischen Zweck
Als eine wichtige Erkenntnis der Studie hebt das SKBF die Unterschiede in Sprachregionen hervor. Jedoch könne man noch nicht von einer hohen Nutzungsintensität sprechen. Bei rund 57 Prozent gehören digitale Geräte zum Schulalltag und werden täglich genutzt. 40 Prozent der befragten geben an, solche Geräte nur einmal pro Woche zu nutzen. Beinahe 20 Prozent der befragten Schülerinnen und Schülern benutzen keine Computer, Smartphones oder Tablets für die Schule.
Nutzung der Geräte für die oder an der Schule nach Häufigkeit. (Source: skbf-csre.ch / Screenshot)
Allerdings spielen gemäss Studie sprachregionale Unterschiede eine entscheidende Rolle in der Nutzung von digitalen Endgeräten an den Schulen.
Fachbezogenen Nutzung von digitalen Endgeräten
Wie die Forscher von SKBF im Vorfelde erwarteten, eignet sich der digitale Unterricht nicht für alle Fachrichtungen. Haupteinsatzbereich bildet mit 67 Prozent der Sprachunterricht. Gerade einmal die Hälfte aller Befragten bestätigt den Gebrauch im Mathematikunterricht. Interessant sind die Erkenntnisse zu berufsbildenden Fächern.
Nutzung von digitalen Hilfsmitteln nach Schulfächern. Anmerkung: Berufsbildende Fächer n=865, alle anderen n=6223. (Source: skbf-csre.ch / Screenshot)
Gemäss Studie ist der technologische Fortschritt im Sprachunterricht nicht unbekannt. "Von der Kassette bis zum Sprachlabor, immer bei den Vorreitern", wie das SKBF schreibt. Erstaunlicherweise profitieren Fächer wie etwa Naturwissenschaften oder die Mathematik, welche sich gut eignen würden für digitale Lernformen, weniger von der Digitalisierung.
Sprachregionale Unterschiede
Eindeutige Erkenntnisse gewinnt das SKBF zu den sprachregionalen Unterschieden. Allgemein gilt: In allen befragten Aspekten (Neuanschaffungen, Nutzungsintensität, Anwendungsbereich, Nutzungsform bis hin zur subjektiven Einschätzung der Schülerinnen und Schüler) bildet sich ein Graben zwischen den Sprachregionen. Hier fragen sich die Studienautoren: "Handelt es sich bei diesen Momentaufnahmen um bereits bestehende Unterschiede? Wachsen die Sprachregionen in Bezug auf diese Aspekte zusammen oder bewegen sie sich gar weiter auseinander?"
Geschlechtsspezifische Anwendungsmotivation
Gemäss Studie sind Schüler digital affiner als Schülerinnen. Grund dafür stellen die Aspekte der Motivation und Spass dar. Schüler weisen eine höhere Bereitschaft auf, im Lernprozess mit digitalen Mitteln zu arbeiten.
Einstellung zum Lernen mit Computer und digitalen Anwendungen nach Geschlecht. (Source: skbf-csre.ch / Screenshot)
Das SKBF macht die Leserschaft darauf aufmerksam, dass es sich bei der Studie um eine Momentaufnahme handelt. Es existieren keine Vergleichswerte vor der Corona-Pandemie bezüglich Fernunterricht und der einhergehenden Digitalisierung.
"Es ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass in jedem Quartal eines Jahres bis fast zu einem Drittel der Schülerinnen und Schüler neue digitale Endgeräte angeschafft haben, sondern dass dies ein Schub ist, der durch den Fernunterricht erzwungen wurde", schreibt das SKBF.
Wie das "SRF" festhält, entscheiden sich derzeit viele Schulmittelverlage für die digitale Ausgabe eines Lehrmittels, wenn es pädagogisch Sinn macht. Diese Prämisse soll sich irgendwann wenden: Die vorherrschende Form wird digital sein – wenn es pädagogisch Sinn ergibt, erscheint ein gedrucktes Buch dazu.
Die komplette Studie können Sie hier nachschlagen.
Übrigens lanciert die Uni Basel eine Web-App für digitalen Schulunterricht. Mehr dazu lesen Sie hier.