CNO Panel 2020: Bilder malen, Ideen umsetzen und ganz weit nach vorne schauen
Das 20. CNO Panel ist über die Bühne gegangen. An der Keynote erfuhr man, wie eine Walliser Schulklasse heute ein Dorf nahe Tschernobyl unterstützt, wie sich morgen der Stellenwert von Privatsphäre verändern könnte und wo man sich Gedanken zur Schweiz in 300 Jahren macht.
"Das CNO Panel findet statt. Ist das nicht verrückt?" Mit diesen Worten eröffnete Pascal Sieber, VR-Präsident von Sieber & Partners und Veranstalter des 20. CNO Panels, die Keynote, die via Youtube aus dem Casino Bern gestreamt wurde. Tatsächlich hatte Corona die Veranstaltungspläne mehrfach durchkreuzt, aber: "Wir haben es nach drei mal Organisieren doch noch hingekriegt."
Die Jubiläumsausgabe des Forums für Top-Manager fand schlussendlich mehrheitlich virtuell statt. Kamen gemäss Veranstalter bei früheren Ausgaben jeweils mehr als 400 Personen zur Schlussveranstaltung, waren diesmal nur 15 im Saal, während alle anderen virtuell dabei waren. An den davor stattfindenden Remote-Workshops nahmen 300 Personen teil.
"Jammern auf hohem Niveau"
Vor dem abschliessenden Gesprächspodium präsentierte Pascal Sieber ein paar Zahlen aus dem neuesten Swiss Software Industry Survey. Die Lockdownzeit habe auch der Softwarebranche ein Schnippchen geschlagen, und die Wachstumserwartungen seien mit 2,7 Prozent auf einem Tiefpunkt. "Jammern auf hohem Niveau", kommentierte Sieber das Ergebnis, und fügte an, dass schon kommendes Jahr mit einer Erholung und einem Wachstum von mehr als 10 Prozent gerechnet werde.
Später sprach er den Stellenabbau an, den einzelne Unternehmen laut der Umfrage planen. Es seien vor allem Schweizer Firmen, die sich im Ausland engagieren. Diese wollten im schlimmsten Fall ein Prozent ihrer Stellen abbauen. Wie gut ein Unternehmen durch die Coronazeit gekommen sei, hänge auch mit dem Arbeitssegment zusammen. Standardsoftwarehersteller und Systemintegratoren seien die Gewinner, während es in der Individualberatung schlechter aussehe. Mehr Ergebnisse aus dem Swiss Software Industry Survey 2020 lesen Sie hier.
Plädoyers für den Wandel
Am letztejährigen CNO Panel ging es darum, wie man ein Unternehmen durch die digitale Transformation führt.
Dieses Jahr stand das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum. "Die zweite Welle der Digitalisierung ist in vollem Gang", heisst es dazu in der Event-Beschreibung. Es sei der richtige Zeitpunkt, sich Gedanken zu machen, wie die neuen Technologien nachhaltig genutzt werden könnten. Dabei gehe es um technische, soziale, wirtschaftliche sowie ökologische Aspekte. "Nachhaltigkeit beginnt beim Menschen und damit, ihn zu verstehen, anstatt ihn in Systeme zu drängen", konkretisierte Sieber am Schlusspodium.
Die vier Unternehmer, die an der Diskussionsrunde teilnahmen, setzen sich ganz unterschiedlich mit Digitalisierung auseinander. Sarah Mühlemann sensibilisiert mit Be[a]ware Menschen aller Generationen für Bedrohungen im digitalen Raum. Die digitale Entwicklung bringe nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren mit sich, die man aktiv angehen müsse, um soziale und wirtschaftliche Schäden zu verhindern.
Ihr geht es aber nicht nur darum, Menschen zu schulen. Die 22-jährige plädiert auch für einen Wandel der technischen Systeme. Diese seien heute so designt, dass Nutzer einen Zusatzaufwand leisten müssen, um sie sicher nutzen zu können. "Wer kann sich schon hundert verschiedene Passwörter merken?", fragte sie beispielhaft. Zudem ändere sich auch die Haltung der Menschen etwa hinsichtlich Privatsphäre. "Man wächst anders auf, wenn man schon als Kind alles teilt", sagte sie. Ihre Generation mache das gern und gut, werde dadurch aber auch viel öffentlicher. Möglicherweise habe künftig die Privatsphäre nicht mehr den hohen Stellenwert, den wir ihr heute zuschreiben.
Für einen Wandel im Fällen von Entscheidungen steht Christian Häuselmann ein. Ihn habe das "extrem kurzfristige Denken" gestört – ob auf Tinder oder in Vermögensfragen. Inspiriert durch eine Reise nach Hawaii, überlegte er sich, wie man heute Entscheidungen treffen müsste, die auch für die kommenden sieben Generationen gut wären. So startete er dann das Kunstprojekt "Schweiz2291", um zu fragen, wie unser Land in 271 Jahren aussehen könnte. "Ich treffe einen Nerv der Zeit", habe er gemerkt, und viele Leute fühlten sich ähnlich unwohl wie er. "Schweiz2291" hat sich inzwischen vom simplen Buch- zum interaktiven Multimediaprojekt weiterentwickelt. Und: Um die langfristige Komponente einzubauen, habe Häuselmann auch schon Leute gefunden, die sich verpflichtet haben, in 50 Jahren eine Fortsetzung zu produzieren.
Diskussionsrunde am CNO Panel 2020. (Source: zVg)
Giganten regieren – noch
Gehe es um soziale Nachhaltigkeit, sei Digitalisierung enorm wichtig, sagte Markus Siegfried vom SOS-Kinderdorf. Entsprechend betreibe das Hilfswerk etwa das Projekt "ICT For Development". Mithilfe von Mentorships werden Kinder für die digitale Zukunft geschult. "Befreit euch von Monokulturen", empfahl Siegfried während der Diskussionsrunde, denn diese seien das grösste Risiko. "Wenn ich keine Monokultur habe, kann ich widerstandsfähiger werden", sagte er und fügte an: "Ich bin überzeugt, dass dieser Wechsel wieder kommt."
Dass ein solcher Wechsel nicht leicht fallen werde, brachte Mühlemann ein: Solange einige gigantische Konzerne den Grossteil des digitalen Raums dominierten, sei es schwer, nachhaltige Entscheidungen zu fällen, denn "man möchte ja mit denen mithalten können". Sie frage sich, wie sie als einzelne Person dieses feste System durchbrechen könne.
Dies sei tatsächlich unendlich schwierig, entgegnete Andy Abgottspon, der seit 20 Jahren Onlineplattformen, Apps, Games und High-End-Software entwickelt. Nachhaltigkeit sei oft ein Nachgedanke, der in Unternehmen einer einzelnen Person überlassen werde. Abgottspon plädiert dafür, dass der Nachhaltigkeits-Gedanke im Sinne von Corporate Social Responsibility von der gesamten Unternehmung getragen werden müsse.
Gleiches gelte auch für die Digitalisierung, fügte Abgottspon an. Es reiche nicht mehr, diese dem Informatiker zu überlassen. Als praktisches Beispiel, wie Digitalisierung zu Nachhaltigkeit beitragen könne, erwähnte er etwa das Projekt einer Schulklasse in einem Walliser Dorf. Im Rahmen einer Projektarbeit entwickelte sie ein Konzept für nachhaltigen Pflanzenanbau, welches sie dann für eine Kommune in Tschernobyl freigeben konnte. Was Abgottspon sonst noch umtreibt, lesen Sie im Interview.
Schritte wagen
"Es verbergen sich mehr Fragen als Antworten hinter dem, was Sie sagen", warf Pascal Sieber im Verlauf der Diskussion ein. "Wir wollen auch nicht sagen, wie es wird", entgegnete Häuselmann. Es müsse möglich werden, miteinander zu diskutieren, ohne gleich in eine Pro- oder Contra-Schublade gepackt zu werden.
Ein Miteinander der Generationen, eine "Schnittstelle zwischen erfahrenen Alten und den Unbefangenen Jungen" empfahl derweil Sarah Mühlemann. Und Andy Abgottspon ermutigte die Zuschauer, Neues auszuprobieren. So habe er in den letzten Monaten zu zeichnen angefangen, auch wenn ihm das Talent dazu fehle. "Es gibt keinen Grund zu sagen: Ich versuche es nicht wenigstens." Heute erhalte er schon richtig gutes Feedback auf seine Arbeiten.
Auf Anfrage zieht Pascal Sieber ein positives Fazit zum CNO Panel. "Ich sagte immer, dass wir es durchführen würden, egal was ist. Wenn man es will, gibt es einen Weg." Zwar sei es schade, dass es zwischen den Workshops keinen Austausch beim gemeinsamen Apéro gegeben habe. Schön sei gewesen, dass tendenziell mehr Leute an die Remote-Workshops gekommen seien als an die physischen der vergangenen Jahre.
Und nach einem Fazit zur Diskussionsrunde gefragt, meint Sieber: "Wir brauchen mehr Raum, um die wichtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen zu diskutieren. Kann es sein, dass es zehn Firmen gibt, die quasi die Erde besitzen und uns den ganzen Tag lang beobachten? Wollen wir nicht ein Stück mehr Freiheit gewinnen?" Die Technologie ermögliche es vielen Leuten, selber Onlineseminare durchzuführen. Dies könne eine Chance sein, um die Themen anzusprechen, die jeden bewegen.
Das nächste CNO Panel findet am 25. Oktober 2021 erneut im Casino Bern statt.