Was tun, wenn der Hoster in Arbeit ersäuft
Die eigene Webapplikation lässt sich nicht mehr kontrollieren und der Hoster ist nicht erreichbar. Was nun? Michael Bischof sah sich unlängst mit eben dieser Frage konfrontiert. Seine Erfahrungen bündelte er zu einer Checkliste, damit andere davon lernen können.
Was dem Internetnutzer wohl kaum aufgefallen ist, war für die E-Mail-Abonnenten des Webdienstes IT-Beschaffung.ch ärgerlich und für mich als Betreiber ein Alptraum: die eigene Webapplikation liess sich nicht mehr kontrollieren. E-Mails konnten nicht mehr verschickt werden. Der Hoster war nicht zu erreichen beziehungsweise nicht in der Lage, auf technische Kundenanfragen zu reagieren. Für den aussenstehenden Betrachter wirkte IT-Beschaffung.ch wie eine einwandfrei funktionierende Webpage. In Wirklichkeit jedoch war die Webapplikation zum Geisterzug mutiert, der nicht mehr administriert werden konnte. Schliesslich konnte nicht einmal meine längst überfällige Kündigung vollzogen werden. Erst die schriftliche, formale Ankündigung, rechtliche Schritte einzuleiten, führte zu einer Reaktion. Mittlerweile läuft alles wieder für mich und meine Kunden. Damit dieses Schicksal anderen erspart bleibt, will ich an dieser Stelle meine Erfahrungen in Form einer Checkliste weitergeben.
1. Registrieren Sie die Domains stets bei einem unabhängigen Provider, nicht bei Ihrem Hoster.
Kein Hoster ist für die Ewigkeit! Nur wer vollen Zugriff auf seine Domain hat, kann jederzeit vollkommen problemlos und innerhalb weniger Stunden seine Website zügeln. Warum hatte ich das bei IT-Beschaffung.ch nicht getan? Ich hatte die Domain von einem Geschäftspartner geerbt. Den Wechsel verschob ich anschliessend monatelang – bis Murphy’s Law zuschlug. Wäre dieser Fauxpas nicht gewesen, wäre alles schmerzlos geblieben.
2. Hoster: auf die kritische Grösse achten
Die Komplexität nimmt stets zu. Auch das Hoster-Geschäft wird wohl zunehmend in die Hände von wenigen internationalen Playern wandern. Diese werden eventuell noch von lokalen Resellern ergänzt. Für grosse Hoster ist der Reputationsschaden im Falle eines Totalausfalls so hoch, dass sie alles tun werden, um dies zu vermeiden. Ein fachlich überforderter Hoster (etwa nach einer Attacke) ist ein absolutes Worst-Case-Szenario: Zuerst werden erratisch Services herunter- und wieder hochgefahren, dann der technische Support zu 100 Prozent zur Lösungsbehebung abgezogen und schliesslich arbeitet die ganze Firma im Ausnahmezustand.
3. Technologie: saubere Standardarchitektur und Portabilität
Je sauberer und standardisierter die Applikation programmiert ist, desto einfacher ist sie von Hoster A zu Hoster B zu transferieren. In unserem Fall (356 GB strukturierte SQL-Daten) war das an einem Wochenende erledigt. Und dennoch: Es sind immer ein paar Details, die nicht mitspielen. Es gab ein kleines Problem mit den UTF-8 MySQL Settings. Ein Upgrade von PHP war naheliegend und dabei mussten wir nochmals ein Zip-Archive-Modul neu installieren. Interessant aber auch typisch: keine Serverumgebung ist gleich wie die andere: Während sich beim neuen Hoster die Transaktionszeiten tendenziell verkürzten, brauchten gewisse SQL-Views massiv länger.
4. Das Back-up nicht vergessen
Das tägliche Back-up sowie die Wiederherstellung periodisch durchzuspielen war für uns kein Problem. Bis wir plötzlich keinen Zugang mehr zur eigenen Konsole hatten. Da wussten wir: Jetzt brennt es! Ab dem Tag speicherten wir alle Daten direkt ab Quelle redundant beim neuen Hoster. Somit hatten wir keinen einzigen Record-Datenverlust.
5. Vertragliches
Über diesen Punkt könnte man ein eigenes Kapitel schreiben. Kurz gesagt: Bei grossen Hostern hat man als kleiner Kunde hier nichts zu melden. Aber: Reputation ist alles! Der Hoster wird negative Schlagzeilen vermeiden wollen. Bei kleinen Hostern sollten Sie, sofern Sie ein wichtiger Kunde sind, entsprechend schauen, dass Sie im Ernstfall Priorität bekommen. Und traurig aber wahr: Das Einschlagen des Rechtswegs kann – wie in unserem Fall – Wunder wirken.
6. Mailing
Der Massenversand von E-Mails ist den Hostern ein Dorn im Auge – allzu schnell landet man auf einer Blacklist. Unser alter Hoster war diesbezüglich sehr kulant: Er schränkte uns gar nicht ein, solange keine fehlerhaften E-Mails retour kamen. Trotzdem: Wer regelmässig eine grössere Anzahl von E-Mails verschickt, ist gut beraten, auf professionelle Mailing-Dienste zurückzugreifen. In unserem Fall haben sich die paar Tage Initialaufwand (Registrierung, Konfiguration, Anbindung API) mehr als gelohnt.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 8.01.2019.