Gestern noch Science-Fiction, morgen schon Digital Signage
Die Digitalisierung von Werbeflächen, Schildern und Informationsanzeigen schreitet in der Schweiz voran. Doch während das klassische Plakat hierzulande noch tapfer Widerstand leistet, wird anderswo bereits an der Digital-Signage-Technologie von morgen geforscht.
Digital Signage ist ein weites Feld. Elektronische Plakate fallen ebenso unter diesen Begriff wie Informationssysteme auf Bahnhöfen, digitale Verkehrsschilder oder interaktive Werbeflächen in Geschäften. Mit diesem Überblick sind die Möglichkeiten von Digital Signage allerdings längst nicht ausgeschöpft. Fortschritte bei der Virtual-Reality-Technik, bei Robotern, Drohnen und Sprachassistenten kündeten in den vergangenen Monaten von einem Umbruch in der Branche. Manche Vorschläge muten dabei an, als kämen sie direkt aus Science-Fiction-Klassikern wie "Blade Runner", "2001" oder "Tron". Grund genug, sich einmal auf dem Zukunftsmarkt der Digital Signage umzuschauen und die interessantesten Trends herauszusuchen.
Grösser, massgeschneidert, überall
2018 werde das aufregendste Jahr der Digital-Signage-Geschichte. Diese Prognose wagte das Magazin "Digital Signage Today" im vergangenen Januar. Der Grund seien drei Trends, die der Branche im neuen Jahr Schub verleihen sollen. Am meisten Entwicklung erwartet "Digital Signage Today" bei den Bildschirmen. Ob E-Ink-Papier oder 8k-LCD – Grösse, Form und Qualität sollen hier einen Schritt nach vorne machen. Die eigentliche Neuheit in diesem Sektor bleibt allerdings unsichtbar. Elektrostatische Felder könnten dem menschlichen Finger dereinst verschiedene Oberflächen vorgaukeln. Entsprechende Prototypen seien bereits in Entwicklung und ermöglichten ganz neue Formen der Interaktion.
Der zweite Trend heisst Personalisierung. Aktuelle Daten aus der Cloud, Systeme, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, und Sensoren in den Anzeigegeräten könnten Interaktionen mit der Zielgruppe erlauben, die weit über heutige Touchscreens hinausgehen. Direkt auf die Person zugeschnittene Inhalte, wie sie etwa Tom Cruise im Film "Minority Report" zu sehen bekommt, sind zwar noch Zukunftsmusik, denkbar sind laut "Digital Signage Today" aber Displays, die bei schlechtem Wetter automatisch passende Produkte wie Regenschirme oder Indoor-Aktivitäten bewerben und so auf die momentane Situation reagieren. Die schwedische Apotheke Hjärtat stellte 2017 in Stockholm interaktive Plakate auf, die husteten, sobald sie in der Nähe den Rauch einer Zigarette erkannten. Diese Personalisierung von Werbung liess Yahoo schon 2016 patentieren, wie "Ars Technica" berichtet. Sogenannte "Smart Billboards" sollen mit der Hilfe von Sensoren, Drohnen oder Kameras Zielgruppen und Situationen erkennen und massgeschneiderte Inhalte anzeigen. "Individual Targeting" nennt Yahoo diese Technik und beschreibt das Potenzial der gesammelten Daten als "praktisch grenzenlos". Werbung würde damit auf ein "orwellianisches" Niveau gehievt, schreibt Ars Technica.
Eine weitere Neuerung dürfte laut "Digital Signage Today" darin bestehen, dass Kampagnen zwischen verschiedenen Geräten koordiniert werden. Der besagte Regenschirm würde also nicht nur auf dem Grossbildschirm an der Tramhaltestelle, sondern zugleich auch auf dem Handy oder der Smartwatch des potenziellen Kunden angezeigt. Die Entscheidung über diese Vernetzung könnte dann nicht mehr beim Menschen, sondern beim Computer liegen, der Kampagnen automatisch anpasst.
In der Vermischung von physischer und digitaler Welt sieht "Digital Signage Today" die dritte Kraft, die Digital Signage verändern könnte. Schon längst entdeckt habe die Branche das Potenzial von Virtual und Augmented Reality (VR und AR). Entsprechende Angebote dürften deshalb zunehmen. Ob als grosse Videowände, Roboter-Assistenten oder interaktive Terminals – digitale Informationskanäle sollen zudem in Zukunft nicht nur häufiger, sondern auch in vielen verschiedenen Formen in der Aussenwelt anzutreffen sein. Gleichzeitig verschwinde die Grenze zwischen klassischen Werbeträgern wie Plakaten und persönlichen Geräten ebenso wie die zwischen dem Ladengeschäft und dem öffentlichen Raum. Multi-Channel heisse hier das Schlagwort.
Digital Signage weitergedacht
Die Trends des Branchenmagazins scheinen vom technischen wie kommerziellen Standpunkt aus betrachtet durchaus realistisch. Andere Zukunftsvisionen der Digital Signage wirken dagegen, als stammten sie direkt aus der Gedankenwelt eines Science-Fiction-Autors. Im Supermarkt an der Ecke wird man sie wohl nicht so bald im Einsatz sehen. Das britische Start-up Kino-Mo entwickelte einen LED-Propeller, der Hologramme in die Luft zaubert. Das Gerät namens "Hypervsn" stellt nach Herstellerangaben bewegte Bilder dar, die auf die Betrachter wie fliegende Hologramme wirken. Kino-Mo zeigte sie bereits an der CES in Las Vegas und an der ISE in Amsterdam. "Blade Runner 2049" lässt grüssen.
Intel erlaubte vor Kurzem erstmals einen Blick auf seine Datenbrille "Vaunt", die momentan in den Labors des US-Hardwareherstellers entwickelt wird. Anders als Googles gestraucheltes Projekt "Glass" soll sich Vaunt äusserlich kaum von einer gewöhnlichen Brille unterscheiden. Die Technik stecke ganz im Innern, und das Bild werde für Aussenstehende unsichtbar direkt auf die Netzhaut des Nutzers projiziert, heisst es in einem Bericht von "The Verge". Intel will im Verlauf des Jahres Prototypen sowie eine Entwicklungsumgebung zeigen, heisst es weiter. Auch eine App sei in Planung. Wer braucht da noch digitale oder analoge Anzeigeflächen?
In der Schweiz aber dominiert noch immer das klassische, gedruckte Plakat den öffentlichen Raum – egal ob zu Werbe- oder Informationszwecken. Digital-Signage-Lösungen kommen erst vereinzelt zum Einsatz und sind in der Regel weder interaktiv noch personalisiert. Der Streifzug durch das Angebot zukünftiger Techniken macht allerdings deutlich, dass die Science-Fiction-Visionen von heute zum Alltag von morgen werden könnten.