Der Webshop als Schaufenster
K55 in Zürich hat ein sehr beschränktes Sortiment. Musikhören steht im Zentrum. In dem Ladengeschäft finden Kunden aber keine Plattenspieler oder teure High-End-Anlagen. Neel Bechtiger und sein Team sind Digital Natives. Kopfhörer und MP3-Player sind ihre Begleiter.
Es ist 1999. Die ersten MP3-Player kommen auf den Markt, das Internet erblüht. Musikhören in Kombination mit dem Computer ist plötzlich ein Thema, das sehr schnell an Bedeutung gewinnt. Die Studenten Felix Moser, Andreas Aemissegger und Manuel Friedrich sehen darin eine Chance. Noch während ihres Studiums verkaufen sie die ersten MP3-Player. K55 ist geboren. Das Ladengeschäft an der Universitätsstrasse in Zürich öffnen sie aber nur, wenn es ihr Studium zulässt. Der Laden ist für sie ohnehin nicht ganz so wichtig. Die drei setzen von Anfang an auf einen Webshop.
Heute sieht all das ein wenig anders aus. Einer der Gründer ist nur noch stiller Teilhaber, einer hat sich ganz zurückgezogen. Neel Bechtiger und Felix Moser entscheiden jetzt über die Geschicke des Unternehmens.
Auf Kopfhörer spezialisiert
Und die MP3-Player? "Der Markt mit konventionellen Playern ist praktisch tot", sagt Bechtiger. "Früher standen Kopfhörer nicht in unserem Fokus. Es war klar, dass wir welche im Sortiment haben müssen, aber sie waren doch kaum mehr als Zubehör", erinnert sich Bechtiger.
Als die ersten Smartphones auf den Markt kommen, bricht die Nachfrage nach MP3-Playern ein. Gleichzeitig fragen mehr Kunden nach Kopfhörern. K55 steht an einem Scheideweg. Kopfhörer machen das Rennen, und K55 spezialisiert sich. "Kopfhörer sind unsere Nische, zu unserem Kerngeschäft geworden", sagt Bechtiger. Setze sich heute jemand mit dem Thema Kopfhörer auseinander, stosse er früher oder später auf K55.
Doch warum ist das so? Es gebe keine vergleichbare Konkurrenz, glaubt Bechtiger. "Wir sind die einzigen mit einem so umfassenden Angebot. Bei uns können Kunden Kopfhörer in Ruhe ausprobieren. Und unsere Preise sind fair." Entscheidend sei es, nicht das zu verkaufen, was alle anderen verkaufen, sagt Bechtiger. "Für uns ist das besonders wichtig. Wir haben hier kaum Laufkundschaft."
Onlineumsätze schrumpfen
Am Preiskampf, den sich die Branche liefert, möchte Bechtiger nicht teilnehmen. Kunden, die sich an Toppreise.ch orientieren und den Preis drücken, will er eigentlich gar nicht in seinem Laden haben. Der Webshop ist für Bechtiger eher ein Präsentationsraum statt eine Verkaufsplattform. "Wir zeigen den Kunden online, was wir haben, und holen sie in den Laden", sagt Bechtiger.
Das scheint zu funktionieren. "Früher haben wir mehr als die Hälfte unseres Umsatzes mit dem Webshop generiert. Heute ist es deutlich weniger, noch etwa ein Drittel. Unser Gesamtumsatz ist aber in den letzten Jahren nicht markant gesunken."
Briefpost statt Pakete
Trotzdem bietet K55 Gratisversand und Liefergarantie am Folgetag. Lohnt sich das? Bechtiger sagt ja. "Alle anderen machen das. Wir müssen es also auch machen." Insbesondere bei preisgünstigen Produkten würde kein Kunde 10 oder 15 Franken Versandkosten zahlen wollen. "Wir haben unseren Versand natürlich entsprechend optimiert", sagt Bechtiger. K55 verschickt viele Sendungen per Briefpost. Es gebe da interessante Angebote von der Post. Das Risiko, dass Kunden behaupten könnten, die Ware nie bekommen zu haben, nimmt Bechtiger in Kauf. In der Realität komme das praktisch nie vor.
Wie sieht diese Realität aus? Wer kommt zu K55 in den Laden? Eine konkrete Zielgruppe gibt es laut Bechtiger nicht. "Zu uns kommen alle. Vom 15-jährigen Mädchen, das von ihrem Taschengeld einen Kopfhörer für 50 Franken kaufen will, bis zum 75-Jährigen, der einen neuen Kopfhörer für seine High-End-Anlage sucht." Für Bechtiger ist das ein Zeichen, dass das Konzept funktioniert. Zu dem Konzept zählt auch eine sehr lockere Atmosphäre im Geschäft, wobei die meisten Kunden schon bei der Begrüssung geduzt werden. Bechtiger will seinen Kunden so auf Augenhöhe begegnen. "Ich sehe mich nicht über oder unter dem Kunden, sondern wir sprechen auf einer Ebene miteinander."