Wie Consultinforms neuer CEO die Firma fit für die nächsten 30 Jahre machen will
Im vergangenen November ist Roger Walter zum CEO des Zürcher Business-Software-Spezialisten und ERP-Entwicklers Consultinform aufgestiegen. Er löste den Firmengründer ab, seinen Vater. Im Interview spricht der neue CEO darüber, wie Nachfolgeregelungen gelingen, wohin er die Firma führen wird und was eine moderne Business-Software können muss.
Consultinform ist bereits seit 30 Jahren im Markt aktiv. Wie erklären Sie sich den Erfolg des Unternehmens?
Roger Walter: Mein Vater könnte diese Frage wohl am besten beantworten. Schliesslich hat er das Unternehmen damals gegründet und seitdem geführt – bis ich die Leitung im November übernahm. Ich sehe dafür drei Gründe. Erstens war es von Anfang an immer unser Bestreben, möglichst kundennah zu agieren. Wir sind persönlich und nah beim Kunden. Zusammen mit unserer Qualität und unserer Kompetenz wollen wir so ein gegenseitiges Vertrauen aufbauen.
Wie drückt sich diese Kundennähe aus?
Dadurch, dass wir so nahe bei den Kunden sind, verstehen wir ihre Probleme und ihre Situation auch sehr gut. Das hilft uns wiederum, die bestmögliche Lösung für die Kunden zu finden, sodass diese auch langfristig davon profitieren.
Was sind die anderen beiden Gründe für den Erfolg?
Der zweite Grund für den Erfolg ist, dass wir immer viel Wert darauf legen, unser Portfolio zeitgemäss auszubauen. Dabei arbeiten wir auch mit Partnerfirmen zusammen, um unseren Kunden eine ganzheitliche Lösung anzubieten. Und der dritte Grund für den Erfolg ist, dass wir uns immer konkret auf die Dienstleistungsbranche fokussiert haben. Im ERP-Umfeld ist das nicht gerade üblich. In den vergangenen 30 Jahren konnten wir so viele Erfahrungen in dem Bereich sammeln, die wir bei Kundenprojekten wieder einbringen können. Das macht uns zu einem Player in der Branche.
Sie selbst arbeiten seit insgesamt zehn Jahren bei Consultinform. Wann war es für Sie klar, dass Sie das Unternehmen übernehmen werden?
Das stand schon immer mehr oder weniger im Raum. Als Sohn des Gründers und Geschäftsführers hatte ich ja von Kindheit an einen persönlichen Bezug zu dieser Firma. Als ich erwachsen wurde, spürte ich immer mehr, dass auch ich in Richtung Unternehmertum gehen möchte – so wie mein Vater vor mir. In Bezug auf Consultinform hat es sich aber erst vor vier oder fünf Jahren konkretisiert. Denn ich musste auch für mich persönlich zuerst herausfinden, ob die Firma meines Vaters auch meine Zukunft ist.
Das heisst, Sie haben auch mal gezweifelt, ob Sie in die Fussstapfen Ihres Vaters treten wollen?
Ich glaube, es ist nie gut, wenn man keine Zweifel hat. Zu einem Entwicklungsweg gehören Zweifel nämlich immer dazu. Denn nur wenn man Pro und Kontra abwägt, fällt man feste Entscheidungen, zu denen man stehen kann. In diesem konkreten Fall sagten jedoch mein Kopf und mein Bauch beide ja.
Sie waren von 2007 bis 2012 und nun wieder seit 2015 im Unternehmen tätig. Was war dazwischen?
Mir war es wichtig, nicht nur innerhalb der Firma meines Vaters Erfahrungen zu sammeln. In den drei Jahren durfte ich sehr spannende Projekte für andere Firmen realisieren und dabei viel lernen. Und diese Erfahrung konnte ich anschliessend wieder in das Portfolio von Consultinform einfliessen lassen.
Wenn man Consultinform anschaut, wirkt das Thema Nachfolgeregelung sehr einfach. Bei Ihnen scheint ja alles sehr gut geklappt zu haben. Warum haben aber so viele Schweizer Firmen hier Mühe damit?
So simpel, wie es aussieht, war es auch wieder nicht (lacht). Bei so einer Stabsübergabe spielen verschiedene Faktoren eine wesentliche Rolle. So braucht es etwa sehr viel Vertrauen und Menschlichkeit zwischen den beteiligten Personen. Beide Parteien müssen nicht nur dasselbe Ziel vor Augen haben, sondern auch emotional füreinander offen sein. Das funktioniert manchmal besser, manchmal schlechter. Was aber hilft, ist, wenn man von Anfang an Klarheit schafft. Zudem hatten wir auch Partner, die uns bei rechtlichen und wirtschaftlichen sowie bei internen und organisatorischen Aspekten zur Seite standen.
Was ist Ihr Geheimrezept, damit es sicher funktioniert?
Es braucht einen Vorgänger, der loslassen und einen Nachfolger, der annehmen kann. Ich glaube, das ist die Knacknuss bei einem Generationenwechsel. Bei meinem Vater und mir funktionierte das allerdings sehr gut.
Wie reagierten die Mitarbeitenden auf den Wechsel?
Für die Mitarbeitenden ist ein Generationenwechsel natürlich immer eine wesentliche Veränderung. Um sie mit auf diesem Weg zu nehmen, ist daher auch eine offene Kommunikation mit ihnen sehr wichtig. Unser Team kennt mich mittlerweile schon sehr lange. Den Gedanken, dass ich eines Tages die Firma übernehmen würde, hatten viele wohl schon lange vorher in ihren Köpfen. Dass Consultinform in der Familie bleibt, kam bei den Mitarbeitenden gut an. Denn das zeigte ihnen, dass die Firma weiter in die Zukunft geht und dass ihre Arbeitsplätze auch weiterhin gesichert sind.
Und wie reagierten die Kunden?
Die waren ebenfalls froh. Zwischen Hersteller und Kunden besteht ja eine gewisse Abhängigkeit. Denn sie setzen unsere Produkte ein und wollen sichergehen, dass diese auch künftig noch weiterentwickelt werden. Mein Vater kommunizierte den Kunden daher schon früh, dass sein Sohn auch in der Firma arbeitet. So konnten sie sehen, dass und wie es mit der Firma weitergeht.
Welche Vorteile ergeben sich für eine Firma, wenn man die Geschäftsführung sozusagen vererbt, statt sie auszuschreiben?
Zu den grossen Vorteilen gehören sicher die Stabilität und Kontinuität. Wenn beide Geschäftsführer aus derselben Familie kommen, tragen sie in sich auch dieselben Wertvorstellungen. Man kann also davon ausgehen, dass man im selben Fahrwasser weitermacht und dass es nicht zu einem abrupten Wechsel kommt.
Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle als CEO vorbereitet?
Mit meiner Ausbildung und durch die Berufserfahrungen in verschiedenen Funktionen bei diversen Kundenprojekten habe ich eine gute Basis geschaffen. Vorteilhaft war auch, dass ich schon lange im Unternehmen bin. Ich kenne die Kunden und Mitarbeitenden und sie kennen mich. Darüber hinaus bin ich auch mit den internen Prozessen und Begebenheiten bestens vertraut. In den vergangenen drei Jahren wurde ich aktiv in die Unternehmensstrategie und -entwicklung involviert. So konnte ich schon vor meinem Antritt in diese Rolle hineinwachsen.
Welche persönlichen Ziele haben Sie sich als CEO der Firma gesteckt?
Ich habe vor allem ein Ziel vor Augen: das Familienunternehmen weiterzutragen! In 30 Jahren möchte ich glücklich und zufrieden das 60-jährige Bestehen von Consultinform feiern.
Wie wollen Sie das Unternehmen fit für die nächsten 30 Jahre machen?
Ich will nicht von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen. Stattdessen möchte ich die Tradition mitnehmen und sie dabei in die Moderne überführen. Getreu unserem Motto: "Alles bleibt anders". Aber ein Führungswechsel wird natürlich zu Veränderungen führen. Auch wenn man aus derselben Familie kommt: Jeder Kopf hat andere Vorstellungen, geprägt durch den individuellen Charakter. Mein Vater und ich gehören unterschiedlichen Generationen an – und das darf man in der Firma ruhig auch spüren.
Sie sagten ja schon bei Ihrem Stellenantritt, dass Sie Consultinform Ihren persönlichen Touch verleihen wollen. Was genau meinen Sie damit?
Ich sehe mich sehr klar als einen digitalen Macher. Und das will ich auch ins Unternehmen bringen. Zudem stehe ich voll und ganz zu unseren Werten: mutig sein, denn das braucht es in der heutigen Zeit umso mehr; persönlich sein, sowohl näher an den Kunden als auch näher an den Mitarbeitenden; wegweisend sein und so aufzeigen, wie die Reise weitergeht; und schliesslich aufrichtig sein und immer hilfsbereit. In unserer Firmenkultur fassen wir das alles unter dem Begriff Harmonie zusammen.
Wie wollen Sie Ihre Strategie konkret umsetzen?
Schritt für Schritt. Hier geht es um Fingerspitzengefühl. Darum, jeweils das richtige Mass zu finden zwischen den eigenen Vorstellungen. Aber auch darum, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu schaffen oder aufzubauen, um auf Ereignisse und Marktbegebenheiten re- und agieren zu können. Dabei ist es wichtig, die Kunden, aber auch die Mitarbeitenden in den Fokus zu stellen und das eigene Tempo zu finden. Die Kunden- und Serviceorientierung, die fest in unserer Strategie verankert ist, wird ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen.
Können Sie das noch erläutern?
Wir verstehen uns als kundennahes Unternehmen und arbeiten entsprechend sehr partnerschaftlich mit unseren Kunden zusammen. Im Zuge dessen möchten wir unseren Bereich "Customer Success" mehr ausbauen und festigen. Darin sehen wir einen konkreten Mehrwert für unsere Kunden. Dazu gehört aber auch, dass wir unser Portfolio zeitgemäss weiterentwickeln. Mit Plean haben wir vergangenen Oktober bereits einen grossen Schritt in diese Richtung gemacht.
Was genau ist das für ein Produkt?
Plean ist eine Business-Software, die speziell für Dienstleister entwickelt wurde. Jedes Unternehmen, das projektorientiert seine Leistungen abrechnet, kann seine Prozesse mit Plean von A bis Z abdecken. Grob zusammengefasst, können Unternehmen mit der Business-Software Zeit, Leistungen und Kosten verwalten – inklusive Budgetierung, Controlling und Rechnungsstellung.
Soll Plean Ihr anderes Produkt, Project Account, ablösen?
Nein, Plean und Project Account sind als ergänzende Produkte in unserem Portfolio gedacht. Mit Plean verfolgen wir lediglich einen anderen Ansatz. Es ist ein neues, modernes Produkt, das wir aus der Cloud heraus anbieten. Eine ganz neue Softwaregeneration, hinter der eine komplett andere Denkweise steht. Die Lösung wurde mit den modernsten Webtechnologien entwickelt und benötigt keine Installation mehr auf dem Client. Sie kann direkt über dem Webbrowser genutzt werden.
Haben Sie schon erste Kunden für die Software gewonnen?
Das haben wir. Unsere Kunden ziehen wir auch sehr eng in die Produktentwicklungen mit ein: Wir holen ihre Bedürfnisse ab und lassen diese in die Entwicklung einfliessen. Dabei gehen wir sehr agil vor und entwickeln laufend neue Funktionen in sehr kurzen Entwicklungszyklen. Man hat ja oft das Gefühl, dass man seine Kunden nicht mit solchen Themen belasten darf. Aber unsere Kunden begrüssen dieses Vorgehen sehr freudig. Ihre Bereitschaft mitzumachen, hat uns fast schon ein wenig überrascht.
Sie bieten sowohl eigene Entwicklungen als auch Microsoft-Lösungen an. Wie sieht das Verhältnis zwischen den beiden aus?
Ein konkretes Verhältnis zu nennen, ist schwierig. Aktuell machen die Eigenentwicklungen rund zwei Drittel des Geschäfts aus. Uns ist es vor allem wichtig, den Kunden alles aus einer Hand anzubieten. Darum sind die Microsoft-Produkte schon seit Jahren fest in unserem Portfolio verankert. Wir verkaufen aber nicht nur Produkte, sondern implementieren ganzheitliche Lösungsansätze und stehen unseren Kunden mit unserer Expertise beratend zur Seite.
Verkaufen Sie Ihre Software auch über ein Partnernetzwerk?
Wir verkaufen unsere Eigenentwicklungen ausschliesslich direkt. Ein Partnernetzwerk um uns herum aufzubauen, ist ein Thema, das wir zwar immer wieder strategisch diskutieren und nicht aus den Augen verlieren. Mittel- und langfristig ist es auch durchaus denkbar, dass wir einen indirekten Vertriebsweg aufbauen. In naher Zukunft steht dies jedoch nicht auf dem Programm.
Was müsste ein Unternehmen mitbringen, um als Partner infrage zu kommen?
Wir haben das Know-how, um betriebswirtschaftliche Software zu entwickeln. Aber um diese bei einem Kunden zu implementieren, braucht es auch fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse – das müsste ein Partner mitbringen. Heute im Zeitalter der Cloud rücken technische Kenntnisse immer mehr in den Hintergrund – die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse werden derweil immer entscheidender. Somit sind die Installation und Konfiguration immer weniger relevant. Vereinfacht gesagt, kommt heute die Software per Knopfdruck aus der Cloud.
Warum haben Sie bisher noch keinen indirekten Vertriebsweg aufgebaut?
Wenn wir eine Partnerschaft eingehen, dann muss sich diese Firma ganz auf unsere Philosophie einlassen. Denn wir stehen 100-prozentig hinter unseren Lösungen. Dies bedeutet, dass es eine sehr enge partnerschaftliche Zusammenarbeit sowie die nötigen Kompetenzen braucht.
Wie viele Kunden haben Sie zurzeit?
Wir bedienen aktuell rund 180 Kunden in der Schweiz und ein paar wenige im nahen Ausland – vor allem im DACH-Raum.
In welchem Segment befinden sich diese Kunden?
Wir konzentrieren uns auf den klassischen KMU-Bereich – unsere Kunden beschäftigen 20 bis 300 Mitarbeitende. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Unternehmen, die Dienstleistungen für ihre Kunden erbringen. Unsere Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. Wir bedienen etwa Ingenieursbüros, Elektroplaner, aber auch Architekten, Beratungsunternehmen und IT-Firmen.
Was macht Ihre Lösung speziell geeignet für Dienstleister?
Aufgrund unserer 30-jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet bringen wir sehr viel Know-how mit. Wir verstehen die Bedürfnisse dieser Unternehmen und verpassen unseren Produkten die nötige Funktionalität. Ein Dienstleistungsunternehmen benötigt in seinem ERP etwa keine Lagerverwaltung, wie sie klassischerweise in solchen Lösungen zu finden ist.
Welche Trends erkennen Sie zurzeit im ERP-Markt?
Der Markt bewegt sich weg von den verstaubten, trägen Dinosauriern und hin zu modernen, flexiblen Cloud-Lösungen. Mit dem Schritt in die Cloud befinden sich die ganzen Lizenzmodelle im Umbruch. Der Fokus liegt zudem viel stärker auf der Usability und den Kollaborationsmöglichkeiten. Dabei geht es darum, zu zeigen, dass ein ERP auch Spass machen kann!
Bitte verzeihen Sie mir die Frage, aber wie genau soll ein ERP auch Spass machen?
Früher waren ERPs immer graue Masken mit unzähligen Feldern, für die man auch noch die F-Tasten brauchte. Die Nutzer lernten damals einfach ihre Prozesse und klickten sich danach durch diese hindurch. Wenn ich heute ein modernes ERP öffne, kommt es in lässigen Farben daher. Es ist leicht, nicht überladen sowie interaktiv. Und das motiviert den Nutzer, mit dem Produkt zu arbeiten.
Wie wichtig ist Swissness im ERP-Markt?
Im Softwaregeschäft ist vieles von den USA getrieben. Dass wir eine Schweizer Firma sind, zähle ich zu unseren Stärken. Unsere Produkte sind auf die Gegebenheiten des Schweizer Marktes ausgerichtet. Und wenn etwas ist, können unsere Kunden direkt mit ihren Ansprechpartnern sprechen – nicht mit irgendeiner Hotline einer weit entfernten internationalen Zentrale. Wir sind individuell und persönlich und können so einen optimalen Service bieten.
Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?
Heute mehr denn je braucht es Mut zur Veränderung: Die Digitalisierung und der damit verbundene Wandel muss als Chance gesehen werden. Auch wenn die neue Art zu arbeiten, zu kollaborieren und zu wirken eine Herausforderung ist, bringt sie definitiv neue Perspektiven, die Sinn und Nutzen stiften und auch Spass machen! Entscheidend ist dabei auch, die richtigen digitalen Kompetenzen aufzubauen – sowohl die des Individuums wie auch die des Unternehmens. Denn die digitale Kompetenz ist die Währung der Zukunft. Bei all der Technologie darf der Mensch aber nicht vergessen gehen. Denn es sind nicht die Technologien, die die Welt verändern, sondern die Art, wie Menschen sie nutzen.
Persönlich: Roger Walter ist Inhaber und CEO der Consultinform. Als leidenschaftlicher Digitalisierer unterstützt er mit seinem Team KMUs bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen mittels nutzbringender Business-Software. Privat stapelt er Lego-Bausteine mit seinen Kindern und kocht gerne gemeinsam mit seiner Frau. Zudem ist er insgeheim immer noch auf der Suche nach der besten Pizza. (Source: Consultinform)