Wie das BAG die Übersicht verliert
Obwohl beim Bundesamt für Gesundheit seit der Schweinegrippe eine Digitalisierung der Meldeprozesse geplant war, hinkt das System immernoch hinterher. Das BAG muss deswegen heftige Kritik einstecken.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) musste in den letzten Tagen heftige Kritik einstecken: Mangelhafte Kommunikationspolitik, ungenaue Zahlen, abwiegende Antworten.
Nun hat die "Republik" in einer Recherche aufgezeigt, wo es im BAG überall harzt. Der wichtigste Befund: Das BAG ist mit dem Zählen der Fälle heillos überfordert. Grund: Es herrscht ein totales Wirrwarr im Meldesystem, weil das BAG, die Ärzte und die Kantone sowohl digitale, als auch analoge Informationskanäle benützten.
So kommen Meldungen über Fälle aus den Kantonen oftmals per Fax an. Ist die Handschrift unleserlich, so müssen die Papierbögen mühsam entziffert werden. Teilweise werden Meldungen auch unverschlüsselt an die allgemeine Email-Adresse des BAG geschickt, die eigentlich für Bürgeranfragen gedacht ist. Mitarbeiter müssen diese danach manuell und Stück für Stück aussortieren.
Offenbar ist beim BAG zwar seit der Schweinegrippe eine Digitalisierung der Meldeprozesse geplant. Diese sei aber immer wieder auf die lange Bank geschoben worden.
Die ungenaue Kenntnis über die Zahl der Fälle führt zu einem "Underreporting", wie die "Republik" schreibt. Die effektive Bekämpfung der Corona-Epidemie wird so erschwert.
Eine Übersicht über die vier wichtigsten Punkte:
1. Schätzungen per Waage
Weil das BAG beim Erfassen der Fälle seit dem letzten Wochenende hinterherhinkt, werden die Fallzahlen mittlerweile geschätzt. Dies geschieht, indem Stapel von Formularen, die das BAG aus den Kantonen erhält, auf eine Waage gelegt werden.
2. Infos von Wikipedia
Da das eigene Meldesystem nur ungenau funktioniert, erfuhren BAG-Mitarbeitende von Todesfällen oder Heilungen mitunter über die Medien oder von Wikipedia.
3. Kaum Zusatzinformationen
Informationen über den Krankheitsverlauf, etwa wann und wo sich die Personen angesteckt haben, oder ob sie wieder genesen sind, seien beim BAG in maximal 30 Prozent der positiv getesteten Fälle vorhanden.
4. Bald noch tiefere Zahlen?
Angesichts der Papierflut berät man im BAG offenbar über eine Ausdünnung der Meldekriterien. Dies würde zu einer noch tieferen Fallzahl führen.