Nach 27 Jahren kommt der Nachfolger der SMS
Seit Jahren wird über den Nachfolger der SMS diskutiert, jetzt macht Google Nägel mit Köpfen und führt RCS in England und Frankreich ein – weitere Länder werden dieses Jahr folgen.
Der Rich Communication Service (RCS) sollte die betagte SMS eigentlich schon vor Jahren ersetzen. Aber die Mobilfunkprovider stehen auf der Bremse. Erst wenige Provider unterstützen den neuen Standard. Nun hat Google offenbar genug und lanciert RCS ohne den Umweg über die Telekomfirmen, vorerst allerdings nur in Frankreich und England. Weitere Länder sollen bis Ende Jahr folgen. Dies berichtet das US-Techportal The Verge.
Durch die direkte Implementierung in Android spielt es keine Rolle, ob der Mobilfunkanbieter RCS anbietet, da die Kommunikation über Google läuft. RCS wird also ein wenig Googles Pendant zu Apples iMessage, allerdings gibt es auch Unterschiede.
Was kann RCS?
Sobald Google RCS lanciert, erhält die bisherige SMS-App ("Messages") ein Update, so dass sie sich ähnlich wie iMessage oder WhatsApp nutzen lässt. Auf Android-Smartphones soll Googles neue Textnachrichten-App basierend auf RCS schlicht "Chat" heissen. Statt SMS werden RCS übermittelt.
RCS soll alles bieten, was man sich von modernen Messenger-Apps gewohnt ist:
Keine Limitierung auf 160 Zeichen pro Nachricht
Versenden von Stickern, GIFs, Videos, Sprachnachrichten und Dateien
Videochats
Emojis
Statusanzeigen, ob eine Nachricht versendet und gelesen wurde
Gruppenchats
Gut zu wissen: Die Entwicklung des Rich Communication Services oder kurz RCS begann 2008 auf Initiative Nokias. Die offizielle Premiere fand 2012 statt, doch erst jetzt wird die Verbreitung im grossen Stil vorangetrieben. RCS ist also nicht wie WhatsApp, Threema oder Telegram eine neue Chat-App, sondern wie der Short Message Service (SMS) ein neuer, universeller Telekommunikationsdienst. Damit ist RCS theoretisch auf jedem Handy nutzbar, ohne dass man eine neue App installieren muss.
Interessant ist RCS für Firmen, die mit ihren Kunden bislang über SMS kommunizierten. Wegen der zuverlässigen Erreichbarkeit werden beispielsweise Einmal-Codes fürs E-Banking, Links für eTickets oder Paket-Tracking noch immer per SMS versendet.
Mit RCS können Dinge wie eTickets für den nächsten Flug direkt in der Chat-App angezeigt werden. Das Öffnen eines Links ist nicht mehr nötig. Selbst Interaktionen wie etwa das Auswählen der Mahlzeit für den gebuchten Flug sind möglich.
Wie lässt sich RCS nutzen?
Da Google RCS direkt in Android integriert, kann der Android-Entwickler den neuen Chat-Dienst jederzeit freischalten – ohne auf die Provider oder Handy-Hersteller warten zu müssen.
Google will RCS im Juni in Frankreich und England einführen. Weitere Länder sollen bis Ende Jahr folgen. Wann genau die Schweiz am Zug ist, ist noch nicht bekannt.
Sobald RCS verfügbar ist, fragt das Betriebssystem, ob man den neuen Chat-Dienst nutzen möchte. Tippt man auf "Ja", schickt man künftig RCS statt SMS, sofern der Empfänger ebenfalls ein RCS-fähiges Handy hat.
RCS ist zudem abwärtskompatibel. Wird eine Nachricht an ein nicht RCS-fähiges Handy geschickt, zum Beispiel iPhones oder simple Handys ohne Android, wird die Mitteilung automatisch in eine SMS oder MMS umgewandelt.
Apple hat noch nicht gesagt, ob das iPhone künftig RCS unterstützen wird. Da Apple mit iMessage bereits einen ähnlichen Dienst exklusiv für Apple-Betriebssysteme bietet, ist eher nicht davon auszugehen. Damit dürfte es RCS vor allem hierzulande schwer haben, da die Schweiz noch immer eine Apple-Hochburg ist.
Was kostet RCS?
Anders als bei SMS wird RCS nicht mehr pro Nachricht abgerechnet, sondern via Datenvolumen. Ausser natürlich, man verschickt etwas an ein nicht RCS-fähiges Smartphone, wodurch die Nachricht als normale, kostenpflichtige SMS oder MMS versendet wird.
Wer ein Handy-Abo mit Datenguthaben und Gratis-SMS hat, kann RCS laut The Verge wie WhatsApp oder iMessage "kostenlos" nutzen. Damit dürfte auch die Frage beantwortet sein, warum die Provider bei RCS in den letzten Jahren nicht aufs Gas gedrückt haben. Sie verdienen noch immer einen hübschen Batzen mit Kunden, die kein Abo mit Gratis-SMS haben.
Was sind die Nachteile bei RCS?
RCS ist alles andere als eine perfekte Nachfolgerin der SMS: Auch die neuen Kurznachrichten haben vorerst keine vollständige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die bei modernen Chat-Apps inzwischen üblich ist. Wirklich heikle Informationen sollten also nicht über RCS verschickt werden.
Die technischen Spezifikationen des Rich Communication Service werden von der GSMA definiert, eine weltweite Vereinigung der Mobilfunkprovider. Google möchte zwar bei
RCS eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anbieten, aber bei jedem neuen Telekommunikationsstandard sprechen nicht nur die Provider, sondern auch die Politik mit. Und Regierungen beziehungsweise Strafverfolger und Nachrichtendienste haben ein grosses Interesse, dass der Nachfolger der SMS weiter mitgelesen werden kann.
Wird sich RCS durchsetzen?
Die Vorzeichen sehen eher düster aus: Mit Apps wie WhatsApp, iMessage, Telegram, Threema etc. gibt es wenig Gründe für einen Umstieg, zumal RCS zu Beginn weit weniger gut verschlüsselt und somit unsicherer sein wird als die genannten Rivalen.
Für RCS spricht, dass der Dienst gratis ist und man keine neue App installieren muss. Die Hürde für den Umstieg wäre also tief, da man Freunde und Kollegen nicht überzeugen muss, sich bei einer neuen Messenger-App zu registrieren. Kommt hinzu: Sollte Facebook bei WhatsApp und dem Facebook Messenger vermehrt auf Werbung setzen, könnte der werbefreie RCS-Dienst profitieren.
Google hat allerdings, ganz im Gegenteil zu Facebook, in Sachen Messenger-Apps ein schlechtes Händchen bewiesen: Google Talk, Duo und Allo sind alle gefloppt. Auch das in Firmen einigermassen populäre Hangouts dürfte bald eingestellt werden.