Schweizer Daten, der Supreme Court und "America first!"
Stellen Sie sich vor, Donald Trump hätte als mehr oder weniger unberechenbarer Präsident der USA Einfluss auf E-Mail- und weitere geschäftliche und private Schweizer Daten. Unvorstellbar, oder doch nicht?
Die US-Regierung will seit 2013 auch auf Daten zugreifen können, die von US-amerikanischen Anbietern ausserhalb der Vereinigten Staaten von Amerika gespeichert werden. Auslöser dieser Begehrlichkeiten ist ein als "warrant case" bekannter Fall von Drogenkriminalität, in dem ein New Yorker Bezirksrichter mittels Durchsuchungsbefehl von Microsoft verlangte, auf einem Server in Irland gespeicherte E-Mails herauszugeben. Nach Auffassung von Microsoft ist ein Durchsuchungsbefehl aus den USA in einem anderen Land nicht gültig, zumindest nicht ohne Zustimmung der dortigen Regierung oder eines im fraglichen Land zuständigen Gerichts.
Die US-Regierung hingegen war überzeugt, in solchen Fällen gewisse extraterritoriale Rechte zu haben, basierend auf dem "Electronic Communications Privacy Act", einem US-amerikanischen Erlass aus dem Jahre 1986 – und somit aus der Vor-Cloud-Computing-Ära stammend. Nachdem das federführende US-Justizministerium im Jahr 2016 vor einem Berufungsgericht gegen Microsoft unterlegen war, rief es in der Folge den US Supreme Court an.
Der seit Jahren hängige Rechtsstreit zwischen dem US-Justizministerium und Microsoft geht damit definitiv in die nächste und finale Runde, da der Supreme Court nun entschieden hat, sich mit dem Fall zu befassen. Ein Urteil wird bis Sommer 2018 erwartet.
Die Büchse der Pandora
Welche Folgen hat dieses Verfahren? Es wirkt sich unter anderem auch auf Schweizer Unternehmen und Private aus, die ICT-Dienstleistungen von US-Anbietern wie Microsoft, Google, Apple und so weiter beziehen, die mit einer Datenspeicherung im US-Ausland einhergehen.
Besteht eine solche Möglichkeit des vereinfachten Datenzugangs im Ausland tatsächlich, beziehungsweise wird sie durch einen entsprechenden Gerichtsentscheid legitimiert, wird sich dies auf alle Arten von gerichtlichen Streitigkeiten auswirken – nicht zuletzt auch im zivil- und handelsrechtlichen Bereich – und zu zahlreichen neuen Begehrlichkeiten zur Beweisbeschaffung führen. Die Büchse der Pandora wäre geöffnet.
Doch bleiben wir zunächst bei den möglichen direkten Auswirkungen dieses Verfahrens, die bereits jetzt wirksam sind:
Zunächst bleibt die Rechtslage noch bis zum Entscheid des Supreme Courts unsicher und stellt insbesondere Unternehmen vor heikle Compliance-Fragen in Bezug auf ihre Kundendaten wie auch ihre eigenen Daten.
Unterliegt Microsoft vor dem Supreme Court, dürfte dies zu massiven Vertrauensproblemen gegenüber den betroffenen US-Diensteanbietern führen.
Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens dürften auch in anderen Staaten die Begehrlichkeiten wachsen, extraterritorial auf einfachem Weg an Daten zu gelangen. Bei einem Unterliegen von Microsoft wäre eine entsprechende Signalwirkung ohnehin gewährleistet.
Somit ist der Entscheid, auf Cloud Computing mit US-Diensteanbietern zu setzen, zumindest bis Mitte des nächsten Jahres stark risikobehaftet und auch künftig – je nach Verfahrensausgang – mit grossen Unsicherheiten versehen, die nicht jede Unternehmensführung eingehen will oder kann. Dies könnte durchaus auch die Zukunft des Cloud Computing bedrohen. Nicht jedes Unternehmen, das bereits heute Cloud Computing einsetzt oder dies künftig beabsichtigt, kann es sich leisten, auf regionale Hybridlösungen zu setzen, wie sie Microsoft aktuell in Deutschland zusammen mit T-Systems als lokalem Datentreuhänder anbietet. Diese Lösung hat für Microsoft den Vorteil, gemäss eigenen Angaben über keinen Datenzugriff zu verfügen.
Nun wäre eigentlich ein Blick in die Kristallkugel angesagt. Spekulationen über den zu fällenden Entscheid des Supreme Courts sind aber schwierig anzustellen. Es wirkt allerdings nicht besonders vertrauenerweckend, dass der über den Kurs des Gerichts entscheidende neunte Richter durch Donald Trump nominiert wurde. Führt die aktuelle Zusammensetzung des Richtergremiums vielleicht dazu, dass Donald Trumps Leitspruch "America first!" an neuer Bedeutung gewinnt?