Cebit 2014: AVM und die Generation Gigabit
AVM zieht diese Woche Besucherströme an seinen Stand an der Cebit. Der Hersteller hat an der ICT-Messe neue Router und Zubehör wie Powerline-Adapter vorgestellt. Ein Highlight ist die Fritzbox für FTTH, das Modell 4080.
AVM hat an der Cebit in Hannover neue Produkte für die Heimvernetzung vorgestellt. Praktisch alle Produkte bieten eine Bandbreite von einem Gigabit. "Wir stellen uns dem Hunger der Kunden nach mehr Bandbreite und Vernetzung", sagte AVM-Geschäftsführer Johannes Nill.
Die Produktpräsentation wurde allerdings vom jüngsten Sicherheitsproblem überschattet. Weshalb Nill sich auch zuerst zu diesem Thema äusserte und den Fall aus Sicht AVMs aufrollte. Hacker hatten über den Fernzugriff Zugang zu Fritzboxen erhalten und Verbindungen zu teuren Mehrwert-Diensten hergestellt, was die eigentlichen Kunden viel Geld kostete. Nill sprach von einem kriminellen Akt. Wie hoch der Schaden war, konnte er zwar auf Nachfrage nicht beziffern, sprach aber von 80 geschädigten Kunden, die AVM bekannt seien.
AVMs Techniker mussten daraufhin über sogenannte Honeypots die Angreifer entdecken und deren Angriffswege nachvollziehen. Anschliessend wurden die Lücken geschlossen. "Wir haben innerhalb von 10 Tagen 80 deutsche und 50 internationale Updates ausgerollt", sagte Nill.
Lehrstück in Sachen Kundensupport
AVMs Manager wurden wegen der Sicherheitsprobleme an der Medienkonferenz ordentlich in die Zange genommen. Dennoch erhielt der Hersteller viel Lob für sein Krisenmanagement. Die Vertreter der Fachmedien lobten die rasche Reaktion und die Transparenz AVMs sowie die umgehende Beseitigung der Lücke. Davon könnten sich andere Hersteller eine Scheibe abschneiden, so der Tenor. AVM will aber nicht zum Alltagsgeschäft zurückkehren, sondern plant künftig, neue Wege zu gehen, um insbesondere sicherheitskritische Updates rasch aussenden zu können.
Ein Ansatz wäre etwa, Updates automatisch durchzuführen. Ein Problem hierbei wäre allerdings, dass AVMs Router auch als Provider-Geräte vertrieben werden. Hier scheint aber noch unklar, ob die Provider mitspielen. Oder ob die Provider gar Garantie-Leistungen verweigern würden, falls ein Kunde eigenwillig ein vom Hersteller bereitgestelltes Update auf seine Box aufspielt, noch bevor der Provider dieses freigegeben hat. Das Thema ist nicht ohne, immerhin kooperiert AVM weltweit mit rund 200 Netzbetreibern. Hierzu zählen auch Kabelanbieter. An deren Kunden richtete Nill noch die (frohe) Botschaft, dass die neue Fritzbox 6490 demnächst an die Kabelanbieter ausgeliefert werde.
Der "gläserne" Fritz
Mit der Fritzbox 4080 erweiterte der Netzwerkspezialist sein Sortiment um ein Modell mit Glasfaseranschluss (FTTH). Das Gerät kann über den WAN-Port per Optical Network Unit oder direkt per "Small Form Factor Pluggable"-Modul an Glasfasernetze angeschlossen werden.
Die Daten verteilt der Router dann über vier Gigabit LAN-Ports und über WLAN nach dem weitverbreiteten n-Standard oder dem aktuellen und schnelleren ac-Standard. Die 4080 bietet auch Telefonanschlüsse. Anwender können zwei analoge Telefon-, eine DECT- und eine ISDN-Verbindung nutzen. Die Fritzbox 4080 soll in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen.
Gigabit-fähiges Zubehör
Um das Signal im Eigenheim oder in der Wohnung besser zu verteilen, zeigt AVM an seinem Messestand gleich zwei neue Lösungen: den WLAN-Repeater 1750E und den Powerline-Adapter 1000E. Während der Repeater die vom Router empfangen Signale nach dem ac-Standard mit bis zu 1,3 Gbit pro Sekunde durch den Äther jagt, schickt der Powerline-Adapter die Daten über die Stromleitungen an ihr Ziel.
Auch der Powerline-Adapter zählt zur Leistungsklasse der Gigabit-fähigen Netzwerkgeräte. Hierfür nutzt das Gerät den Standard Homeplug-AV-2. Im Vergleich zu Modellen der 500-Mbit-Klasse sei ein um bis zu 80 Prozent höherer Datendurchsatz realisierbar. Ausserdem würde der neue Adapter gleich viel Energie verbrauchen wie die 500-Mbit-Modelle, betonte Nill. Beide Produkte sollen im zweiten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen. Der Nennwert bei Powerline-Produkten hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab, etwa von der Qualität der Stromleitung. Im Alltag dürfte die Bandbreite, wie bei den Modellen des Mitbewerbs, in etwa bei der Hälfte liegen.
Wer die ac-fähigen Geräte nutzen will, aber dessen Notebook, Tablet oder TV-Gerät den schnellen Standard nicht nutzen kann, dem bietet AVM einen Stick. Der AC 860 nutzt den ac-Standard und überträgt Daten mit 866 Mbit pro Sekunde. Auch der Stick soll im zweiten Quartal dieses Jahres am Markt erscheinen.
AVM will Handel ausbauen
AVM setzte im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro um und konnte den Absatz um eine Million Geräte auf 5 Millionen Stück steigern. Für Nill scheint klar, dass dieser Erfolg auf der Zusammenarbeit mit dem Channel mit seinen 18'000 Fachhändlern beruht. AVM hat seinen Partnersupport ausgebaut, etwa das Partnerportal, genauso wie den Vertrieb.
AVM will dieses Jahr ein neues Partnerportal speziell für den Schweizer Fachhandel aufschalten. Ausserdem soll der Vertrieb ausgebaut werden. Zwar ist das Geschäft mit den Providern immer noch grösser als jenes über den Fachhandel, allerdings ist der Fachhandel praktisch unverzichtbar, etwa für den Verkauf von Zubehör. Oder wenn die Fritzbox von Anwendern als Alternative zu bestehenden Routern eingesetzt werden soll.
Für den Fachhandel werde es zudem wichtiger, sich zusätzliches Wissen anzueignen, da neue Themen auf sie zukommen würden. Allen voran Voice-over-IP (VoIP). AVM will die Partner weiterhin im Rahmen von Roadshows oder persönlich vor Ort schulen. Durch die zunehmende Komplexität der Themen wie etwa VoIP sollten Partner auf Basis ihrer jeweiligen Stärken mit weiteren Partnern zu Teams zusammenspannen. Von Vorteil wären auch Kooperationen mit starken Partnern wie E-Fon oder Peoplefone. Denn VoIP-Systeme erfordern aufwendige Sicherheit. Entsprechend könnten grosse Partner auch mehr Sicherheit bieten, erklärte Gerald Meiser, Leiter Vertrieb bei AVM für Österreich und Schweiz.
Chance FTTH-Ausbau
Meiser verantwortet inzwischen seit 25 Jahren den Vertrieb in der Schweiz. In einem Hintergrund-Gespräch am stark frequentierten Messestand erläuterte er die Hintergründe zu AVMs Produktankündigungen und deren Bedeutung für die Schweiz. Für ihn ist der Schweizer Markt mit seiner komplexen Anbieter-Struktur besonders interessant.
Das liegt an der Anzahl und Art der Provider: Die Schweiz zählt mehrere hundert Provider. Hinzu kommen Kabelanbieter wie Cablecom, Verbünde wie Quickline oder kleine lokale Kabelnetzprovider. Die neue Fritzbox für Kabelanbieter 6490 soll im Sommer in Produktion gehen. Für AVM eine der Hot News an der Messe. Auch wenn Meiser davon ausgeht, dass die Glasfaser auf die Dauer dem Kupferkabel den Rang ablaufen wird.
Die Schweiz macht derzeit grosse Fortschritte im Bereich FTTH. Während im Heimatmarkt Deutschland der FTTH-Anteil bei den Breitbandanschlüssen noch bei einem Prozent liegt, soll das Schweizer Glasfasernetz bis 2015 mindestens jeden dritten Haushalt erreichen. So plant es jedenfalls die Eidgenössische Kommunikationskommission Comcom. AVM biete mit der Fritzbox 4080 das ideale Produkt für die Glasfaser bereits heute an, erklärte Meiser.
Der Vertriebschef sieht noch ein weiteres Plus für die Fritzboxen: AVMs neue Modelle beherrschen die Vectoring-Technik. Bei dem Verfahren werden elektromagnetische Störungen zwischen benachbarten VDSL-Kupferleitungen verringert. Das ermöglicht höhere Übertragungsraten. Allerdings müssen hierfür Sander und Empfänger Vectoring unterstützen. Es bringt Kunden also nichts, wenn ihre Fritzbox Vectoring-fähig ist, dafür der Provider die Technik jedoch nicht unterstützt. Meiser sieht aber genau hierin eine Chance für Provider. Kunden könne auf der gleichen Leitung mehr Bandbreite, also ein qualitativ besserer Service geboten werden, der sich gegebenenfalls monetarisieren liesse.
Router bleibt Kerngeschäft
Als das Gespräch auf das Thema Smarthome zusteuert, wurde Meiser zurückhaltender. Übrigens genauso wie die Führungsriege AVMs, die mit ihrer Haltung die Journalisten enttäuschte. Smarthome sei zwar ein Thema und AVM habe bereits vergangenes Jahr erste Produkte für die Heimautomation vorgestellt.
Doch AVM beschränkt sich vorerst auf seine Mitarbeit in Standardisierungsgruppen. "Das Thema kommt jetzt erst langsam hoch", fasste Meiser die Lage zusammen. Um voll durchstarten zu können, müssen die Hersteller und Provider sich auf gemeinsame Standards, Protokolle, Frequenzen, Schnittstellen, etc. einigen. Meiser schätzt, dass es noch rund 10 Jahre dauern wird, bis das kluge Heim massentauglich sein wird.
Bis dahin gilt für den Hersteller das Motto "Schuster bleib bei Deinen Leisten". Das wirkt sich auch auf das Trendthema Powerline aus. Die neue Gigabit-Variante kann sich sehen lassen und dürfte konkurrenzfähig zu den Lösungen anderer Anbieter sein, etwa zu denen des Powerline-Spezialisten Devolo. Powerline werde aber nicht ins Zentrum der Strategie rücken, betonte Meiser. "Für AVM bleibt Powerline ein Zubehör zur Fritzbox."