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KI und Nachhaltigkeit gestalten das Rechenzentrum der Zukunft

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Der KI-Boom verändert die Anforderungen an Rechenzentren. Gleichzeitig steigen die Bedürfnisse im Bereich der Nachhaltigkeit. Diese und weitere Faktoren könnten Aufbau und Zusammensetzung von Datacenters in Zukunft entscheidend verändern.

(Source: MiaStendal - stock.adobe.com)
(Source: MiaStendal - stock.adobe.com)

Der KI-Boom hält seit dem fulminanten Start von ChatGPT an und wird es wahrscheinlich noch lange tun - wenn nicht sogar für immer. Das stellt Betreiber von Rechenzentren vor neue Herausforderungen. Alle wollen KI - und KI erfordert eine Menge an Leistung. "Machine Learning stellt hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Rechenzentren, besonders in Bezug auf die Rechenkapazität und Energieversorgung, da herkömmliche CPUs oft nicht ausreichen", erklärt Primo Amrein, Cloud Lead bei Microsoft Schweiz. Dazu kämen steigende Bedürfnisse in Sachen Storage und Bandbreite. 

"Konkret bedeutet der Einsatz von High Performance Computing Infrastruktur in Bezug auf das Machine Learning den Einsatz von Hardware, welche eine sehr hohe Leistungsdichte besitzt", führt Uwe Pferr, Senior Solutions Architect bei Digital Realty, aus. "Um die Zeit zu reduzieren und möglichst schnell Ergebnisse zu erzielen, erfolgt Machine Learning meist durch die Zusammenschaltung von mehreren GPU-Servern, welche in einem Verbund betrieben werden", sagt Pferr. Anforderungen von Serverracks von 20KW bis teilweise auf über 80KW seien dabei keine Seltenheit. Dadurch kämen schnell hunderte Kilowatt an elektrischer Leistung zusammen. "Zusammengefasst kann man sagen, dass wir uns beim Einsatz von ML-Infrastrukturen meistens mit den Themen elektrische Leistung und deren Bereitstellung, Kühlung, Abwärmeverwendung, Rack-Gewicht und Vernetzung beschäftigen", erklärt Pferr.

"Das Rechnen der Large Language Models (LLM) findet aktuell nicht oder nur in kleinem Masse in der Schweiz statt", betont Roger Süess, CEO des Schweizer Rechenzentrenanbieters Green. "In der Schweiz werden vor allem die entsprechenden Anwendungen gehostet, hier erwarten wir eine starke Zunahme. Es werden viele neue spannende Anwendungen entstehen." 

Vielzahl von Lösungsansätzen

Microsoft setzt für die KI-Transformation im Rechenzentrum auf eine Mischung aus neuen Chips, inklusive Eigenentwicklungen wie Azura Maia oder Azure Cobalt, wie Primo Amrein erklärt. Diese Innovationen steigern die Leistung und entlasten die CPU, erhöhen aber auch die Anforderungen an Kühlung und Strom.

Hersteller von Rechenzentrumsinfrastruktur bieten bereits viele Lösungen für effektivere Kühlung und höhere Stromdichte an, wie der Experte von Digital Realty ausführt. Das Datacenter-Design richte sich aber immer nach eingesetzten Komponenten. "Es kommt also darauf an, ob unsere Kunden sich für flüssigkeitsgekühlte Server (Direct Liquid Cooling, DLC) entscheiden haben oder ob wir die Kühlung mittels Luft realisieren müssen", sagt Pferr. Zudem müsse man bestehende Infrastrukturen von anderen Kunden im selben Raum ebenfalls berücksichtigen.

Stichwort Flüssigkühlung: Microsoft forscht selbst an Lösungen, um Server mittels einer Flüssigkeit direkt zu kühlen. Bei einem normalen Server finde ein grosser Teil der Kühlung overhead statt. Dank der direkten Kühlung könne man diesen Platz verwenden, um viel mehr Server und Racks zusammenzupacken, so der Experte von Microsoft. Damit könne man ein Rechenzentrum wiederum besser füllen. 

Primo Amrein, Cloud Lead bei Microsoft Schweiz (Source: zVg)

Primo Amrein, Cloud Lead bei Microsoft Schweiz (Source: zVg)

"Die effiziente Nutzung des verfügbaren Platzes ist entscheidend für eine hohe Packungsdichte", sagt auch Uwe Pferr von Digital Realty. Systeme mit hoher Dichte würden oft als "Appliances" geliefert und seien bereits in Serverracks integriert. "Ein durchdachtes Design und eine professionelle Umsetzung ist die Basis für eine erfolgreiche und optimale Implementierung einer KI-Implementierung", fasst Pferr zusammen. "Oftmals gelingt auch ein Betrieb durch herkömmliche Kühlkonzepte, doch häufig reichen diese nicht mehr aus. Es kommt also darauf an, was uns unsere Kunden übergeben und wie diese Infrastruktur genutzt wird."

"Durch die Kombination von modernster Hardware, fortschrittlichen Kühl- und Energiesystemen, effizienten Datenmanagementlösungen und der Schulung von Fachkräften, werden Rechenzentren nicht nur den Anforderungen von KI gerecht, sondern bleiben auch langfristig effizient und wettbewerbsfähig", fasst Roger Süess zusammen.

Mikro-Atomkraftwerke für KI-Rechenzentren

"Ältere Rechenzentren sind limitiert und nicht geeignet für KI-Anwendungen", sagt Green-CEO Roger Süess. Moderne Datacenter seien jedoch in der Lage, KI-Anwendungen zu hosten.

Mittelfristig werde man einen Mix sehen, glaubt Primo Amrein von Microsoft. "Weil man die bestehenden Investitionen und die Infrastruktur nicht einfach auf die Seite stellen kann", erklärt der Cloud Lead. “Bestehende Infrastrukturen komplett zu ersetzen, wäre weder wirtschaftlich noch nachhaltig sinnvoll." In Zukunft, ist sich Amrein aber sicher, werde es spezielle KI-Rechenzentren geben, in denen man noch spezifischer auf die Bedürfnisse der Technologie eingehen kann. "Ich glaube, dafür muss man nicht sonderlich visionär sein."

Uwe Pferr von Digital Realty rechnet in Zukunft mit wesentlich mehr hybriden Rechenzentren, die sowohl Bereiche (Datahalls) für das klassische Colocation-Geschäft bieten als auch Bereiche für High Performance Computing zur Verfügung stellen. Alte Rechenzentren würden teilweise erneuert oder aber von der Bildfläche verschwinden. 

Uwe Pferr, Senior Solutions Architect bei Digital Realty. (Source: zVg)

Uwe Pferr, Senior Solutions Architect bei Digital Realty. (Source: zVg)

Datacenter, die speziell für KI konzipiert sind, müssten laut Pferr über die entsprechende elektrische Leistung und eine bestmögliche Abwärmenutzung verfügen. Darüber hinaus sollten in den Rechenzentrumshallen Kühlwasserkreisläufe zur Verfügung stehen, um Direct Liquid Cooling zu ermöglichen. Auch Flächen zur Immersionskühlung sollten vorhanden sein - dabei werden IT-Komponenten, inklusive Server und Speichergeräte, in eine wärmeleitende dielektrische Flüssigkeit getaucht.

Ein reines KI-Rechenzentrum bräuchte laut dem Experten natürlich auch eine sichere Stromversorgung. Deshalb seien aus ausreichende Netzersatzanlagen einzuplanen. Da es sich dabei um höhere Dichten handle und die Leistungskapazität wesentlich höher sei als bei herkömmlichen RZs, müstsen beispielsweise für die Netzersatzanlagen wie USV und Generatoren auch ausreichende Flächen zur Verfügung stehen, mehr Treibstoff vorhanden sein sowie grössere Querschnitte ein elektrischen Leitungen zum Einsatz kommen.

"Datacenter in dieser Kategorie, spezifisch für LLMs, werden an Standorten mit hoher Energieverfügbarkeit und grossem Flächenangebot angesiedelt", sagt Roger Süess, CEO von Green. "Das sind Rechenzentren in der Grössenordnung von 400 oder 800 Megawatt. Sie entstehen an Standorten mit optimalen klimatischen Bedingungen im Norden oder an Standorten mit sehr günstiger Energie."

"Vermutlich werden wir in den nächsten Jahren 'Mikro-Atomkraftwerke' sehen, welche einzelne Rechenzentren mit elektrischer Leistung versorgen", blickt Pferr in die Zukunft. Erste Provider würden sich für solche Produkte interessieren und in Forschung und Entwicklung dieser Lösungen investieren. 

KI und Nachhaltigkeit - wie passt das zusammen?

Klimawandel, drohende Strommangellagen, steigende Energiepreise: RZ-Betreiber kommen heutzutage nicht umhin, Nachhaltigkeitsmassnahmen zu implementieren und ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Kriterien für Stromverbrauchseffizienz (PUE) und Wassernutzungseffizienz (WUE) sind in der Branche längst Standard. Mit der Abwärme von Rechenzentren lassen sich umliegende Gebäuse oder Schwimmbäder beheizen, Klimatisierungssysteme unterstützen oder zur Stromversorgung dienen. Teilweise wird die Abwärme von Rechenzentren in Fernwärmenetze gespeist. Sogar die Racks werden, wie in einem Schweizer RZ von Microsoft, von schwarz auf weiss umgefärbt, um bei der Beleuchtung Strom zu sparen. Die künstliche Intelligenz mit ihrem hohen Energiebedarf stellt die Branche aber vor zusätzliche Hürden.

"Aus unserer Sicht ist das Thema eine Herausforderung für die Hersteller von aktivem IT-Equipment, den Rechenzentrumsprovider und der Industrie sowie umliegende Kommunen", sagt Uwe Pferr von Digital Realty. Hersteller müssten IT-Systeme bauen, die bei höheren Umgebungstemperaturen stabil und sicher arbeiten und weniger Leistung in Form von Wärme verlieren. RZ-Betreiber basteln ohnehin bereits an Wegen zur Wiederverwertung von Abwärme. Gemeinden müssen wiederum die Infrastruktur in Sachen zentrale Wärmeversorgung bereitstellen, so Pferr.

"Vom Datacenter-Design bis zu regulatorischen und gesellschaftlichen Massnahmen, nachhaltigen Energiequellen und fortschrittlichen Kühltechniken sind einige innovative Ansätze bereits vorhanden, um ein Datacenter nachhaltig zu betreiben", sagt Roger Süess. Auch für ihn ist die Frage der Nachhaltigkeit gemeinsam anzupacken. "Aus unserer Sicht ist diese Aufgabe als Teamaufgabe zwischen KI-Betreiber, Hardware und Softwarehersteller, Energieerzeuger, Kunden und Datacenterbetreiber am besten gemeinsam zu lösen."

Roger Süess, CEO, Green. (Source: zVg)

Roger Süess, CEO von Green (Source: zVg)

KI als Teil der Lösung

KI kann aber nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung in der Nachhaltigkeitsfrage sein. "Bereits heute verwendet man in einigen Rechenzentren KI-basierte Systeme zur Regelung von Kühlungseinrichtungen, um deren Effektivität zu steigern", sagt Uwe Pferr. Er spricht von Einsparungen von aktuell ca. 10 bis 15 Prozent. Darüber hinaus könnten Workloads anhand anhand von KI-basierten Wahrscheinlichkeitsberechnungen dorthin verlagert werden, wo der Strom am günstigsten ist. Microsoft arbeitet selbst zusammen mit der UBS an einem solchen Tool, wie Cloud Lead Primo Amrein erklärt: "KI ermöglicht es, auch ausserhalb der Geschäftszeiten Ressourcen effizient zu nutzen, indem beispielsweise Batch-Jobs in Regionen mit aktuell verfügbarem Solarstrom verlagert werden", schildert Amrein. Das betreffe aber keine Kernkundendaten, beruhigt Amrein. 

Schweizer Rechenzentren: Sicher vor Hitze & Hochwasser?

Diese Methode kann laut Microsoft auch dem Schutz vor extremen Wetterereignissen dienen. "Wenn in einer Region ein riesiges Unwetter stattfindet, gibt es solche Möglichkeiten", sagt Amrein. Auch bei Szenarien wie einer Strommangellage oder dem Ukraine-Krieg sei es hilfreich, global agieren zu können. Überlegungen zu physischen Risiken für Rechenzentren und die darin befindlichen Prozesse finden bereits vor dem Bau statt, wie die Experten erklären.

"Bei der heutigen Planung von Rechenzentren spielt der Standort eine primäre Rolle", sagt Uwe Pferr von Digital Realty. Dabei werde neben den üblichen Faktoren auch eine Überflutungsgefahr bewertet. "Heutige Rechenzentrumsplanungen berücksichtigen auch die Höhe des Fundaments. Dadurch stehen die Systeme wie Netzersatzanlagen, Generatoren und IT-Einrichtungen nicht mehr ebenerdig, sondern bereits mit Abstand zur umliegenden Fläche", so Pferr.

Microsoft überprüfe jeden Standort auf Herz und Nieren und erstelle eine entsprechende Analyse. 2Diese standardisierten Analysen sind Voraussetzung für die Standortfreigabe und werden jährlich überprüft und aktualisiert, um auf neue Risiken, wie sie beispielsweise durch den Klimawandel entstehen können, angemessen zu reagieren", sagt Amrein. Hierzulande sieht er Rechenzentren grundsätzlich gewappnet für die Auswirkungen des Klimawandels: 2In der Schweiz sind unsere Risikokategorien niedrig eingestuft, was momentan keine grossen Bedenken aufwirft."  Uwe Pferr beruhigt dahingehend ebenfalls: "Die Temperatur-Range von Rechenzentren hat sich bereits in den letzten Jahren erhöht. Das bedeutet, dass höhere Aussentemperaturen als noch vor 10 oder 20 Jahren problemlos existieren können und die Klimatisierung immer noch gewährleistet ist."

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