SPIK 2024

Wie KI den Polizeialltag verändert

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von Yannick Züllig und lpe

Am 27. März hat der "Schweizer Polizei Informatik Kongress" traditionsgemäss im Berner Wankdorf stattgefunden. Abgesehen von Drohnen und Quantencomputing war auch die Rolle der KI in der Polizeiarbeit ein Thema.

(Source: Netzmedien)
(Source: Netzmedien)

So viel Polizeipräsenz kennt das Berner Wankdorfstadion sonst wohl nur von Fussballspielen. Doch statt mit Gummischrot und Einsatzschild kamen die Blaulichtakteure am 27. März mit Powerpoints und Visitenkärtchen ins Stadion. Zum dritten Jahr in Folge ist das Wankdorf der Schauplatz des "Schweizer Polizei Informatik Kongress" (SPIK). Mehr als 700 Teilnehmende fanden in der Heimstätte des amtierenden Schweizer Fussballmeisters zusammen.

Valentin Bonderer, Präsident, Verbands Swiss Police ICT (Source: Netzmedien)

Begrüsst wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Valentin Bonderer, Präsident des Verbands Swiss Police ICT, welcher den Event veranstaltet. In einer Zeit des "unaufhaltsamen" technischen Fortschritts sei es von enormer Bedeutung, dass auch Blaulichtorganisationen mit diesen Entwicklungen mithalten können. Die SPIKbiete daher die Gelegenheit, Wissen zu teilen, Erfahrungen auszutauschen und Lösungen für die digitalen Herausforderungen zu erarbeiten. 

Anschliessend übergab Bonderer das Wort an Renato Renner, Professor für Theoretische Physik an der ETH Zürich. Renner leitet dort die Forschungsgruppe für Quanteninformationstheorie. Entsprechend widmete sich Renners Vortrag der Quantenkryptografie. Das sei vielleicht nicht ein Problem für heute oder morgen, aber "Quantencomputer werden bald zum Risiko werden". 

Renato Renner, Professor für Theoretische Physik an der ETH Zürich (Source: Netzmedien)

Renner rechnet in den nächsten 10 Jahren mit einem Quantencomputer, der die Leistung von einer Million Qubits nutzen kann. Spätestens dann seien klassische Verschlüsselungsalgorithmen am Ende, sagt Renner.

Weshalb bisherige Verschlüsselungssysteme nicht mehr funktionieren und wie heute schon quantensicher verschlüsselt werden kann, lesen Sie hier.

KI im Waffenregister

Wie fast alle Branchen kommt auch die Polizei nicht um das Thema KI herum. In nahezu allen Vorträgen der SPIK fiel das Wort zumindest einmal. Der Einsatz der künstlichen Intelligenz fällt je nach Korps sehr unterschiedlich aus.

Philippe Mathis, Dienstchef des Fachdiensts Waffen/Sprengstoff der Kapo Zürich (links) und Patrizia Mottl, Business Analystin, Deimos (Source: Netzmedien)

Bei der Kantonspolizei Zürich etwa laufen Abklärungen zur Einführung eines Chatbots für das kantonale Waffenregister. Wie Philippe Mathis, Dienstchef des Fachdiensts Waffen/Sprengstoff der Kapo Zürich ausführt, könnte der Chatbot die Beamten dabei unterstützen, schneller für sie relevante Informationen für Ermittlungen oder Einsätze zu erhalten. 

Aktuell experimentiere man mit einem Chatbot auf Basis von ChatGPT, wie Patrizia Mottl vom umsetzenden IT-Dienstleister Deimos erklärt. Dieser könne komplexere Abfragen verarbeiten als die aktuelle Suchfunktion des Waffenregisters.

KI in der Leitstelle

Weniger zusammenfassend und mehr analytisch setzt die deutsche Iabg KI ein. In der Schweiz habe der IT-Dienstleister noch kein grosses Standing, sagt Thorsten Hansler, Programm Manager Leitstellen und Lagezentren. Doch auch die Schweizer Blaulichtorganisationen könnten durch den Einsatz von KI in ihren Leitstellen profitieren.

Thorsten Hansler, Programm Manager Leitstellen und Lagezentren, Iabg. (Source: Netzmedien)

Laut Hansler sehen sich Einsatzzentralen überall mit knapperen Ressourcen bei steigendem Auftragsvolumen konfrontiert. Hier soll KI durch Prognosen Abhilfe schaffen, oder zumindest den Druck lindern. Iabg greife bei seinem Modell sowohl auf historische Einsatzdaten, als auch auf tagesaktuelle Wetterdaten oder Veranstaltungskalender zu. Das Modell prognostiziere dabei nicht nur, mit wie vielen Einsätzen an einem Tag zu rechnen sei, sondern auch wo und wann mit Einsätzen zu rechen sei, sodass Ressourcen innerhalb eines Gebiets entsprechend verteilt werden können.

Hansler zeigte ein Live-Beispiel aus dem hessischen Landkreis Marburg-Biederkopf, grössenmässig etwa vergleichbar mit dem Kanton Solothurn, wo das Modell bereits zum Einsatz komme. Noch habe man Mühe, die genaue Anzahl Einsätze akkurat zu prognostizieren, allerdings habe die vom Modell vorgeschlagen Ressourcen-Allokation dazu beigetragen, die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte "bedeutend" zu verringern.

KI im VR-Training

Die Stadtpolizei Zürich hingegen will KI zum Feind machen, im wahrsten Sinne des Wortes. Im Rahmen des nationalen Projekts "PolVR" testet die Stapo die Verwendung von VR- und XR-Lösungen für die Ausbildung und das Training von Polizeibeamten. 

Christoph Altmann, Projektleiter des Kompetenzzentrum Extended Reality der Zürcher Polizeikorps (Source: zVg)

Dabei gibt es zwei Disziplinen: einerseits Simlab, wo am PC reale Einsatzsituationen nachgestellt und taktische Vorgehensweisen geprobt werden können, andererseits ETSVR (Einsatztrainingssimulation Virtual Reality). Hierbei tragen die Beamten VR-Brillen und Waffenattrappen und üben damit möglichst realitätsnahe Einsätze, wie Christoph Altmann, Projektleiter des Kompetenzzentrum Extended Reality der Zürcher Polizeikorps und ehemaliger Einsatzleiter der Sondereinheit Skorpion ausführt.

Bei solchen ETSVR-Übungen gebe es KI-Potenzial. So könnte künstliche Intelligenz in Zukunft die Steuerung der Gegner in der Simulation übernehmen und diese intelligenter und realistischer handeln lassen, als die aktuellen NPCs, so Altmann.

Polizei muss wissen, was Polizei weiss

Auch die PTI - eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche die Kooperation für gemeinsame polizeiliche Lösungen im Bereich Informatik, Telekommunikation und Polizeitechnik ermöglichen und unterstützen soll - hatten an der SPIK einen Auftritt. 

Markus Röösli, Direktor, PTI - Polizeitechnik und -informatik Schweiz. (Source: Netzmedien)

Die PTI verantwortet etwa den Aufbau der nationalen polizeilichen Abfrageplattform Polap. Diese sorgte Anfang Jahr für einige Wirbel in den Medien, wie PTI-Direktor Markus Röösli eingesteht. Dennoch ist er überzeugt von der Wichtigkeit des Projekts. Noch dieses Jahr soll das Polap in einer ersten Ausbaustufe eingeführt werden.

Auch auf der Zielgeraden - zumindest in der deutschsprachigen Schweiz - befinde sich das integrierte Lagebild ILB, welches "der polizeilichen Lagedarstellung ein neues Gesicht geben wird". Das Lagebild soll Daten aus Einsatzzentralen aller Polizeikorps zusammenbringen und somit die interkantonale Zusammenarbeit vereinfachen.  "Die Schweizer Polizei muss wissen, was die Schweizer Polizei weiss", so Röösli. Daher sei es wichtig, dass sich auch Westschweizer Korps dem Projekt anschliessen. Trotzdem gehe das ILB schon im Früjahr 2024 live.

Das dritte Grossprojekt des PTI ist die mobile Sicherheitskommunikation (MSK). Hier geht es um die Nachfolge des Notfallkommunikationsnetzes Polycom. Diese Ablösung gestaltet sich jedoch schwierig, auch weil Fachwissen beim Umsetzungspartner fehlt, wie Sie hier nachlesen.

Die SPIK 2025 soll am 26. März 2025 über die Bühne gehen, wie Swiss Police ICT Präsident Valentin Bonderer im Anschluss an die Veranstaltung verrät. Zum Programm will er sich nicht weiter äussern, auch weil er gemeinsam mit dem Verbandsvorstand noch einen "Innovations-Workshop" besuchen will, und am nächsten Kongress mit einigen neuen Programmhighlights aufwarten will.

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