Microsoft-Geräte waren lange ein Reparatur-Albtraum – warum sich das geändert hat
Microsoft-Geräte galten viele Jahre als praktisch unreparierbar. Nun scheint der Windows-Konzern seine konsumentenfeindliche Philosophie überdacht zu haben – allerdings nicht freiwillig.
In den letzten zehn Jahren waren Microsoft-Geräte notorisch schwierig zu reparieren. Komponenten wie Akku und Speicher waren verklebt oder verlötet und liessen sich nicht oder nur sehr aufwendig ersetzen. Populäre Geräte wie das Surface Pro waren daher gewissermassen Wegwerfgeräte.
Mit der neusten Hardware-Generation hat sich dies drastisch geändert. "Wir geben dem Surface Pro 9 respektable 7 von 10 Punkten auf unserem Reparierbarkeits-Index", schreiben die unabhängigen Reparaturprofis von iFixit.
Zum Vergleich: Microsofts Surface Pro 7 bekam vor drei Jahren 1 von 10 Punkten, war also praktisch nicht reparierbar. Beim Surface Pro 8 von 2021 machte Microsoft immerhin Display, Kickstand und den Speicher (SSD) austauschbar. Beim neusten Modell können so gut wie alle zentralen Komponenten ersetzt werden.
Folgende Teile können ausgetauscht werden:
Akku
Display
SSD
Hauptschalter und Lautstärketasten
Kameras (vorne und hinten)
Lautsprecher
Kickstand
USB-C- & Audio-Ports
Surface Connector
WLAN-Modul
Kühleinheit
Gut für Konsumenten und die Umwelt
Der Akku im Surface Pro 9 ist nicht mehr festgeklebt, sondern verschraubt "und dementsprechend kinderleicht auszutauschen", schreiben die Reparaturexpertinnen und -Experten von iFixit.
Um an den SSD-Speicher heranzukommen, muss neu lediglich eine winzige magnetische Klappe vom Gehäuse abgehoben werden. "Eine einzelne Schraube steht zwischen dir und einem Speicher-Upgrade", frohlockt iFixit.
Zweifellos ist dieses Surface das reparierbarste, das wir in dieser Produktlinie je gesehen haben, und es ist offensichtlich, dass das Unternehmen drastische Änderungen am Design vornehmen musste, um das zu erreichen.
- Shahram Mokhtari, iFixit
Früher war ein Speicher-Upgrade bei Laptops völlig normal, aber "in den dünnen Geräten unserer heutigen Zeit haben so praktische Dinge wie leicht austauschbare Speichermodule meistens das Nachsehen", schreibt iFixit. Apple hatte diesen Trend 2008 mit dem für damalige Massstäbe ultradünnen MacBook Air befeuert, die PC-Branche zog nach. Nun scheint bei den grossen Herstellern ein Umdenken einzusetzen.
Microsoft-Geräte werden so nicht mehr zwangsläufig nach einigen Jahren zu Elektroschrott. Dies auch, weil sich das Display nun "vergleichsweise gut ablösen" lässt, wie iFixit schreibt. Dies war bislang nicht der Fall und ist die Voraussetzung, um diverse Komponenten relativ einfach ersetzen zu können.
Bei Microsofts neuem Surface Laptop 5 sieht es ähnlich aus. Der Vorgänger erlaubte den Austausch von SSD, Display und Tastatur. Nun können die oben aufgelisteten Komponenten sowie das Motherboard ausgewechselt werden.
Eine Übersicht, welche Komponenten bei welchen Microsoft-Geräten ausgetauscht werden können, zeigt diese Grafik (PDF).
Gleiches Design, besser reparierbar
Surface Pro 9 und Surface Laptop 5 haben sich äusserlich gegenüber den Vorgängern nicht verändert, das schlanke Design ist geblieben, trotzdem ist es Microsoft gelungen, die Reparierbarkeit zu verbessern. iFixit schreibt, man habe "Microsofts Hardware-Team hinsichtlich reparaturfreundlichem Design beraten" und freue sich, "dass sie anscheinend ein paar unserer Ratschläge umgesetzt haben".
Die Kanten des Displays geben neu etwas nach, damit Brüche beim Ausbau des Displays vermieden werden. (Source: iFixit)
Trotz des Lobes der Reparaturprofis, Luft nach oben besteht weiterhin: "Der RAM-Arbeitsspeicher ist, anders als die SSD, auf dem Motherboard verlötet", konstatiert iFixit. Der Arbeitsspeicher lässt sich also nicht erweitern. Den verlöteten Arbeitsspeicher könne man gleichwohl nicht verurteilen, "weil durch die Nähe zum Prozessor deutliche Stromeinsparungen und eine bessere Arbeitsleistung erzielt werden können", schreibt iFixit.
Reparaturanleitungen und Ersatzteile für Private und Firmenkunden
Microsoft will laut iFixit gegen Ende Jahr damit beginnen, Reparaturanleitungen für seine Geräte auf seiner Website zur Verfügung zu stellen. Auf seinem YouTube-Kanal will Microsoft zudem Videoanleitungen veröffentlichen, wie die Geräte repariert werden können. "Wir bauen ausserdem unsere Angebote aus, um Ersatzteile unabhängigen Reparaturwerkstätten und Konsumentinnen und Konsumenten zugänglich zu machen", schreibt Microsoft.
Einschränkend ist zu sagen: Die neue Bewertung, 7 von 10 Punkten, heisst keineswegs, dass Microsoft-Geräte nun von jedermann spielend leicht repariert werden können. Trotz der jüngsten Bemühungen bleibt somit das Fairphone eines der wenigen Geräte, das auch von absoluten Laien mühelos selbst repariert werden kann. Es hat von iFixit 10 von 10 Punkte erhalten.
Warum Tech-Konzerne umdenken
Auch andere grosse Hersteller wie Apple und Samsung haben zuletzt zumindest einige ihrer Geräte leichter reparierbar gebaut. Dies tun die grossen Tech-Konzerne nicht freiwillig, im Gegenteil. Die führenden Hardware-Hersteller haben jahrelang gegen ein Recht auf Reparatur lobbyiert.
Microsoft, Apple, Samsung und Co. versuchen mit ihrem sehr späten Einlenken lediglich, griffige Gesetze zu verhindern. Denn zuletzt ist der politische Druck in der EU und in den USA massiv gestiegen, Reparaturanleitungen und Ersatzteile auch Privatleuten und unabhängigen Reparaturdiensten zur Verfügung zu stellen.
Seit einiger Zeit kommt deshalb Bewegung in die Branche: In Frankreich müssen Geräte wie Smartphones, Laptops, Fernseher oder Waschmaschinen seit Anfang 2021 ein Label mit einem Reparaturindex tragen. Ein Punktestand zwischen 0 und 10 soll Kunden auf einen Blick zeigen, wie gut ein Gerät reparierbar ist. Da der Wert auf Herstellerangaben basiert, ist seine Aussagekraft beschränkt. Dennoch zeigen sich bereits positive Effekte: Um seine Bewertung zu erhöhen, hat Samsung letztes Jahr als erster der grossen Hersteller damit begonnen, kostenlos eine französische Reparaturanleitung für das Galaxy S21 Plus anzubieten.
In der Schweiz forderte eine Allianz aus drei Konsumentenschutz-Organisationen bereits vor zwei Jahren ein Reparaturlabel für neue Geräte. Ziel sei es, die Nachfrage nach fragwürdigen Wegwerfprodukten zu verringern. Bei Branchenverbänden stiess die Forderung auf wenig Gegenliebe.
Dieser Beitrag ist zuerst auf "Watson.ch" erschienen.