Riskant oder nicht?

Was die Polarisierung rund um 5G antreibt

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von Universität Basel, lha

Ein Forscher der Universität Basel hat am Beispiel der Risikowahrnehmung von 5G untersucht, wie die neue Technologie die Gesellschaft spaltet. Dabei ergeben sich Anhaltspunkte, wie auseinandergehende Risikowahrnehmungen entstehen und in Zukunft einer zu starken Polarisierung möglicherweise entgegengewirkt werden kann.

(Source: James Yarema / Unsplash)
(Source: James Yarema / Unsplash)

Der neue Mobilfunkstandard 5G hat bereits vor der Coronapandemie die Gemüter erhitzt: Tausende machten ihre Ablehnung der neuen Technologie an öffentlichen Demonstrationen deutlich und forderten einen Stopp des Netzausbaus. Stark ausgeprägte Risikoeinschätzungen können sich auch durch soziale Medien rasant verbreiten. Die möglichen Folgen: Verhärtete Fronten erschweren die Verständigung - ein Phänomen, das sich auch im Kontext der Coronamassnahmen zeigt. Aber wie kommt es zu derart auseinandergehenden Risikowahrnehmungen, und wie könnte man einer entsprechenden Polarisierung entgegenwirken, um sachliche Debatten über potenzielle Risiken zu ermöglichen?

"Bisher gab es noch keine empirischen Daten, wie sehr 5G die Gesellschaft tatsächlich polarisiert, und was die psychologischen Ursachen dafür sind", sagt der Psychologe Renato Frey von der Universität Basel. Er hat systematisch untersucht, wie gross die Unterschiede bei der Risikowahrnehmung bezüglich 5G sind, wie diese möglicherweise zustande kommen und was einen Wandel der Risikowahrnehmung auslösen kann. Seine Ergebnisse hat er als Fachartikel im Journal "Psychological Science" veröffentlicht.

 

Grosse Mehrheit sieht hohes Risiko und geringen persönlichen Nutzen

Die Studie mit knapp 3000 Teilnehmenden Ende 2019 zeigt, dass es in der Schweiz tatsächlich grosse Unterschiede in der Risikoeinschätzung von 5G gibt. Eine Mehrheit von knapp zwei Dritteln verbindet mit der Technologie ein mittleres bis hohes Risiko. Zudem sah ein ebenso grosser Anteil der Befragten nur einen geringen bis gar keinen persönlichen Nutzen in der neuen Mobilfunktechnologie. Auf der anderen Seite bewerteten 61 Prozent den Nutzen für die Gesellschaft und 76 Prozent den Nutzen für die Wirtschaft als hoch. Eine deutliche Mehrheit sah einen Bedarf für mehr Regulierung (74 Prozent) und mehr Forschung (90 Prozent), und im Falle einer Volksabstimmung hätten zu diesem Zeitpunkt 52 Prozent gegen 5G gestimmt.

Frey analysierte in der Studie insbesondere, welche Faktoren mit Unterschieden in der Risikowahrnehmung zwischen verschiedenen Personen zusammenhängen. Dabei berücksichtigte er zum einen technologiespezifische Faktoren, darunter die subjektive Wahrnehmung einer Bedrohung, das Vertrauen in die Behörden, die 5G regulieren, sowie das eigene Wissen über die Technologie. Zum anderen untersuchte er personenspezifische Faktoren wie die Offenheit einer Person gegenüber Fortschritt, das subjektive Empfinden einer elektromagnetischen Hypersensitivität sowie soziodemographische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Bildung.

In dieser psychologischen Modellierung zeigte sich der stärkste Zusammenhang beim Vertrauen in die Behörden: Je geringer dieses ausfällt, desto wahrscheinlicher stuft eine Person das Risiko von 5G als hoch ein. Ebenfalls bedeutend ist auch das subjektive Empfinden einer Bedrohung beziehungsweise das Gefühl, hilflos der 5G-Strahlung ausgesetzt zu sein und sich ihr nicht entziehen zu können sowie das subjektive Empfinden einer elektromagnetischen Hypersensitivität.

 

Wie und wieso verändert sich die Risikowahrnehmung?

In einer zweiten Erhebung im Februar 2020 hat Frey erneut Daten von denselben Studienteilnehmenden erhoben, um zu untersuchen, wie stabil die Risikoeinschätzung bezüglich 5G über die Zeit hinweg war. In der Zwischenzeit hatte das BAFU einen umfassenden Expertenbericht mit wissenschaftlichen Fakten zu 5G präsentiert, was Frey als Gelegenheit für ein Feldexperiment nutzte: Die Studienteilnehmenden wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt, die vor der zweiten Erhebung entweder per Post Informationsmaterial aus dem Expertenbericht erhielten (teils als mehrseitige Zusammenfassung, teils als einseitige Kurzversion), beziehungsweise kein entsprechendes Material erhielten.

Dieses Feldexperiment zeigte, dass die blosse Aufklärung über die empirischen Fakten keinen direkten Effekt auf die Risikowahrnehmung zu haben scheint. Das heisse aber nicht, dass die Meinung zu 5G in Stein gemeisselt sei, gibt Frey zu bedenken. "Das Wissen über eine Technologie ist bloss einer der Faktoren, die mit der Risikowahrnehmung zusammenhängen. Zudem wurde diese 'Intervention' bewusst dezent gehalten. Zukünftige Informationskampagnen und die Risikokommunikation zu 5G allgemein könnten natürlich pointierter gestaltet werden."

Denn auch wenn der Expertenbericht keinen Einfluss in der durchschnittlichen Risikowahrnehmung der Bevölkerung hatte, veränderten sich die Wahrnehmungen von einzelnen Studienteilnehmenden durchaus. In beide Richtungen. Dabei spielten insbesondere Veränderungen im Vertrauen in die Behörden eine Rolle, sowie Veränderungen im Ausmass der wahrgenommenen Bedrohung. "Die Ergebnisse zeigen, dass man bei diesen technologiespezifischen Faktoren ansetzen könnte, um einer extremen Polarisierung bei der Risikoeinschätzung entgegenzuwirken", resümiert Frey.

Bei der Studie sei es nicht darum gegangen, dass eine hohe Risikowahrnehmung prinzipiell schlecht sei, betont der Psychologe. "Es ging darum, die Mechanismen zu verstehen, wie es überhaupt zu einer Polarisierungen der Risikowahrnehmung kommt." Ein grundlegendes Verständnis der psychologischen Mechanismen sei hilfreich, um informierte Debatten über den Nutzen und die Risiken von neuen Technologien wie 5G zu fördern.

Das Forschungsprojekt wurde finanziell unterstützt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Schweizerischen Nationalfonds. Der Schlussbericht des Projekts auf Deutsch ist auf der Webseite des BAFU verfügbar.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Universität Basel.

 

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