"Das unsägliche D-Wort": Jean-Marc Hensch über die Digitalisierung in der Schweiz
Ausser den Zahlen zum Schweizer ICT-Markt hat der Swico an seiner Jahresmedienkonferenz 2019 auch "das unsägliche D-Wort" thematisiert. Jean-Marc Hensch äusserte sich zu Anspruch und Wirklichkeit der Digitalisierung in der Schweiz.
An seiner Jahresmedienkonferenz 2019 hat der Swico ausser den Zahlen des ICT-Markts auch die Digitalisierung in 2018 und 2019 behandelt. Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer von Swico, sprach vom "unsäglichen D-Wort", da momentan Anspruch und Wirklichkeit zwei ganz verschiedene Dinge seien. In einem Schreiben von Hensch heisst es: "Politiker und Verwaltung setzen sich öffentlichkeitswirksam für die Digitalisierung ein und kündigen ständig neue Initiativen dazu an. Aber in der politischen Alltagsarbeit tun sie alles, um eine erfolgreiche Digitalisierung der Schweiz zu verhindern". Hensch zeigte an der Konferenz acht Beispiele auf, um diesen Missstand hervorzuheben.
1. Firmenansiedlung
Ein Anspruch bzw. ein Wunsch sei, dass die Schweiz weitere Hightech-Betriebe und innovative Firmen ansiedle. In Wirklichkeit würden aber drastische Kontingente verhindern, dass kleinere Firmen die notwendigen Experten ins Land holen könnten.
Die grossen Mitglieder der Swico seien zwar nicht glücklich, wie es mit der Firmenansiedlung und der Migration laufe, aber sie hätten ihre spezialisierten Apparate, um die benötigten Kräfte ins Land holen zu können, so Hensch. Das Thema seien aber kleine Unternehmen und insbesondere Start-ups, welche oft Gruppierungen aus Menschen verschiedener Länder seien. Wenn sie ihre Idee dann in der Schweiz verwirklichen wollten, funktioniere das eben nicht. "Wenn wir also Hightech-Betriebe ansiedeln wollen, wenn wir ein Silicon Valley sein wollen, dann müssen wir auch versuchen, uns da zu verbessern", sagte Hensch. Selbst ausländische Studenten, die in der Schweiz eine hochqualitative Ausbildung erhalten würden, können nach ihrem Abschluss nicht hier bleiben.
2. Forschung und Entwicklung
Die Schweiz soll internationale Entwicklungs- und Forschungsstandorte anziehen, doch in Wirklichkeit zwinge das Gesetz Mitarbeitende zu einer Arbeitszeiterfassung, die für die Fliessband-Arbeit konzipiert worden sei.
Hensch sagte dazu, dass der heutige Umgang mit Arbeitszeiterfassung "herzlich wenig mit der Art und Weise, wie man heute arbeitet, zu tun" hat. Das wäre ein weiterer Hinderungsgrund bei der Entscheidung, in die Schweiz zu kommen.
3. Globalisierung
Ein weiterer Anspruch sei, dass die Digitalisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft den Standort Schweiz attraktiv machen sollte. Doch einzelne Branchen würden die Schweiz abschotten, etwa durch Netzsperren, wie sie zum Beispiel im Glücksspiel angewendet werde. Das helfe diesen Branchen, sich nicht mit dem ausländischen Wettbewerb auseinandersetzen zu müssen. Dabei seien Netzsperren nur eines der Mittel, das auf diese Weise verwendet werde; Hensch erwähnte auch die Fairpreisgeschichten. All das soll Ausländer möglichst ausschliessen. "Dabei ist die Grundlage der Schweiz der Austausch mit anderen Ländern", so Hensch. Das Ausschliessen sei ein gefährliches Spiel.
4. Öffentliche Hand
Die öffentliche Hand soll der Digitalisierung vorangehen und als Vorbild wirken. Doch würde sich der Bund mit absurden Beschaffungsvorschriften und Beschaffungsspannen ständig selbst ein Bein stellen. Damit sei die öffentliche Hand eher das Gegenteil eines Vorbilds, sagte Hensch. Auch wenn es internationale Vorgaben gebe, gehe bei der Umsetzung im Land vieles schief. Ein Beispiel seien Zuschläge, die man als Firma erhält, wobei man aber keinen Umsatzfranken auf sicher habe. Ein weiteres Beispiel sei der Bund, der eigentlich keine Aufträge vergebe, sondern Personal einkaufe und dann nachher entscheide, was er damit anfange. Dabei wolle der Swico dem Bund keine bösen Absichten unterstellen. Aber er habe festgestellt, dass der Bund wegen fehlgeschlagener IT-Projekte aus der Vergangenheit Angst vor weiteren Fehlschlägen habe, weshalb nun extrem formalistisch an Projekte herangegangen werde. Dabei würden gerade in der IT erforderliche Agilität und Flexibilität verlorengehen.
5. Datentresor Schweiz
Die Schweiz soll sich als Datenstandort in führender Position etablieren, doch der Staat erweitere den verdeckten Zugriff auf Daten durch den Geheimdienst und Strafverfolgungsbehörden massiv. Hensch meinte dazu, dass der Datenstandort Schweiz dadurch zwar nicht stark bedroht wäre, aber dennoch mit den zusätzlichen Möglichkeiten des Staats konfrontiert sei, auf die Daten zuzugreifen.
6. Sozialrecht
Obwohl die Politik die Gründung von innovativen KMU propagiere und sich mehr Unternehmer wünsche, wollen die Sozialversicherungen Einzelunternehmer als Arbeitnehmer behandeln. Im Moment bestünde da eine gewisse Blockade, doch glücklicherweise seien nun neue Vorstösse eingereicht worden. Wenn jemand selbstständig sein möchte und auf einer Plattform auch als solcher betrachtet wird, sollten dann nicht die Behörden kommen und ihn wie einen Arbeitnehmer behandeln, sagte Hensch. Ansonsten hätte man nur eine Scheinselbstständigkeit.
7. Risikokapital
Die Schweiz soll zu einem wichtigen Hub für Start-up-Firmen und Venture Capitalists werden, doch verschiedene Kantone würden Bewertungsmethoden anwenden, die Firmengründer vergraulen.
Das Problem sei die Besteuerung. Auch hier ginge es wieder um Unternehmen und Start-ups. Wenn ein Start-up eine Finanzierungsrunde mache, so werde der zugrundeliegende Aktienpreis als Vermögenswert besteuert, "was zu relativ absurden Resultaten führen kann", so Hensch. Doch die Kantone würden langsam merken, dass hier etwas falsch laufe.
8. Cybersecurity
Obwohl die Schweiz wichtige Infrastrukturen und die Wirtschaft vor Cyberangriffen schützen sollte, kombiniere der Bund hier Kompetenzenmangel mit Kompetenzgerangel. Das sei gefährlich.
Auch in der Verwaltung hätten schon viele Leute erkannt, dass es hier Probleme gebe und dass man etwas dagegen tun sollte. Doch sie könnten sich nicht auf eine einheitliche Strategie einigen. Deshalb gebe es überall Initiativen: hier ein paar Cybersoldaten, da irgendein ein Zentrum und so weiter. Da IT von vielen Departementen und weiteren Institutionen als Fürstentum betrachtet werde, fehle es an Koordination, so Hensch. Deshalb brauche es immer viel Schub und Leidensdruck, bevor etwas geändert werde.
Hensch schliesst, dass diese Liste nicht als Gejammer verstanden werden sollte. Vielmehr sollen Pendenzen aufgezeigt werden, von denen der Swico glaubt, dass der Staat sie angehen müsse. Der Verband sei bereit, hier seinen Part zu spielen.
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