Wie Aveniq nach der Fusion aus verschiedenen Firmen eine macht
Mit der Lancierung der Aveniq-Gruppe hat die Schweiz seit Mitte 2021 eine neue grosse IT-Dienstleisterin. Gemeinsam mit den über 600 Mitarbeitenden hat Christophe Macherel, der seit Juni Aveniq-CEO ist, viel vor.
Sie sind seit dem 1. Juni CEO von Aveniq. Was ist Ihr Fazit nach rund sieben Monaten im Amt?
Christophe Macherel: Es ist eine einmalige Gelegenheit, zwei erfolgreich tätige IT-Dienstleister mit über 600 Mitarbeitenden zusammenführen zu dürfen. Das sind beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Weiterentwicklung. Davon profitieren Kunden, Partner und Mitarbeitende. Ich finde, das ist eine sensationelle Geschichte. Und ich kann sagen: Wir sind sehr gut gestartet. Wir konnten im vergangenen Geschäftsjahr viele neue Kunden verzeichnen, insbesondere auch solche, die wir vor der Fusion nicht hätten gewinnen können. Mit unserem erweiterten Angebotsspektrum und unserem zusätzlichem Branchen-Know-how sind wir nun auch für grössere Unternehmen und solche mit komplexeren Anforderungen eine attraktive IT-Service-Providerin geworden. Wir vereinen vertiefte SAP- und Microsoft-Expertise sowie technologische und digitale Kompetenzen unter einem Dach. Aktuell haben wir rund 500 Kunden und werden auch weiter wachsen können.
Warum sind Sie der richtige Mann für den Job?
Ich kann nicht beurteilen, ob ich der richtige Mann für den Job bin. Das müssen unsere Mitarbeitenden und unsere Kunden tun. Aber jeden Tag aufs Neue ist es meine Motivation, gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden unsere Kunden erfolgreicher zu machen und mit nachhaltigen Lösungen zu begeistern.
Was gibt es konkret zu tun?
Wir wollen insbesondere die Synergien und das Beste aus allen Welten nutzen. Beim gesamten Integrationsprojekt haben wir immer und vor allem die Kunden und ihre Bedürfnisse im Fokus. Und natürlich auch die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden, unsere Strategie, unsere Prozesse und unsere Unternehmenskultur. Dies alles unter einen Hut zu bringen, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Ich kann nicht einfach sagen: "Mir nach!" Das wird nicht funktionieren. Wir müssen die Menschen zusammenbringen, sie befähigen und für die gemeinsame weitere Reise begeistern. Ich glaube, dass ich über die Kompetenzen verfüge, die ein solches Vorhaben unterstützen, und sie auch täglich vorlebe.
Wie geht die Integration der Unternehmen voran?
Ich bin der Meinung, dass eine Firmenkultur und das Zugehörigkeitsgefühl massgeblich durch gemeinsame Erlebnisse und viele kleine Interaktionen geformt werden. In Zeiten von Homeoffice ist das allerdings eine Herausforderung. Umso mehr freut es mich, dass wir in den vergangenen Monaten verschiedene Projekte erfolgreich umsetzen konnten, die nur dank der konsequenten Kundenorientierung, des Strebens nach Innovation und des gemeinsamen Engagements der Mitarbeitenden über Geschäftsbereiche hinaus möglich waren. Dafür können wir in der Geschäftsleitung die Leitplanken setzen - gelebt werden muss es aber über das gesamte Unternehmen hinweg. Man kann Kultur nicht befehlen, sondern ihr nur den Raum geben sich, zu etablieren.
Was haben Sie getan, dass das geschehen kann?
Wir haben etwa eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitenden aus allen Geschäftsbereichen, unsere Unternehmenswerte definieren lassen. Diese lassen sich in fünf Adjektiven charakterisieren: gemeinsam, respektvoll, unternehmerisch, flexibel, transparent. Das ist die Quintessenz dessen, wie wir nach innen und nach aussen auftreten wollen.
Wie sieht es auf der administrativen Seite aus?
Klar, auch Harmonisierungen muss es geben, wie beispielsweise bei den Anstellungsbedingungen. Diese haben wir bereits umgesetzt und neue Arbeitsverträge mit den gleichen Bedingungen für alle ausgestellt. Wir müssen ausserdem gemeinsame Strukturen aufbauen und nicht zuletzt die verschiedenen IT-Landschaften konsolidieren.
Auf welche Widerstände und Herausforderungen sind Sie bei der Integration bislang gestossen?
Die grösste Herausforderung war wie bereits erwähnt Covid. Social Distancing und Homeoffice mit Videokonferenzen helfen nicht gerade dabei, eine neue, gemeinsame Firmenkultur zu etablieren. Dennoch: Wir sind auf einem guten Weg. Trotz der Veränderungen, die ein solcher Zusammenschluss mit sich bringt, verzeichnen wir eine tiefe Fluktuationsrate. Ich bin stolz darauf, dass wir so tolle Mitarbeitende haben, die das Unternehmen mit voller Begeisterung mittragen.
Warum war die Fusion der beiden Unternehmen der richtige Schritt?
Mit dem Zusammenschluss erreichen wir eine Verstärkung des Produktportfolios rund um Microsoft und SAP. Ausserdem erweitern wir unsere Präsenz in den Branchen Energieversorger, Gesundheitswesen und Recht respektive Industrie, in denen die einzelnen Unternehmen bereits erfolgreich unterwegs waren. Das hilft auch dabei, die Zyklen im Industriegeschäft zu mildern. Heute können wir - branchenunabhängig - IT aus einer Hand bieten: Vom Consulting über branchenspezifisches Business Process Engineering und Automatisierung zur Umsetzung von Projekten und deren Integration bis hin zum Betrieb. Insbesondere die Nachfrage nach Cloud- und Outsourcing-Dienstleistungen ist massiv gestiegen. Unternehmen wollen ihren Fokus vermehrt auf die Digitalisierung ihres Geschäfts legen. Mit Aveniq finden sie eine starke Partnerin, die ihnen nicht nur die technologische Unterstützung bietet, sondern auch die Geschäftsprozesse der Kunden versteht. Das heisst, wir wissen, wovon wir sprechen und können aus unserer Best-Practice-Erfahrung schöpfen, damit unsere Kunden die für sie beste Lösung erhalten. Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Aveniq ist bereit für die nächsten Herausforderungen. Das ist für die Mitarbeitenden und die Kunden eine wichtige Botschaft. Das schafft Vertrauen.
Wie geht es der neuen Aveniq konkret? Wie hat sich das Geschäft im vergangenen Jahr entwickelt?
Dem Unternehmen geht es sehr gut und ich bin zufrieden - auch vor dem Hintergrund der für die Mitarbeitenden erschwerten Rahmenbedingungen mit Homeoffice. Im Geschäftsjahr 2021 konnte Aveniq 36 Neukunden gewinnen. Ausserdem konnten wir das Geschäft mit bestehenden Kunden ausbauen, was auch ein Vertrauensbeweis ist. Wir sind profitabel gewachsen und haben einen Umsatz von 176 Millionen Franken erzielt. Ausser den erwähnten Cloud- und Outsourcing-Dienstleistungen verzeichnete Aveniq weiteren grossen Zuwachs beim Umstieg auf SAP S/4 Hana sowie bei Digitalisierungsprojekten mit RPA, Chatbots oder der eigenen Lösung Business Process Suite (BPS). Wohl auch "dank" Covid-19, da durch die damit zusammenhängenden Massnahmen der Bedarf an Remote-Workplace-Lösungen massiv gestiegen ist. Das gute Resultat ist auch hinsichtlich der Integration nach dem Merger sehr erfreulich.
Welche Trends sehen Sie in Ihrem Geschäft?
Noch nicht alle Unternehmen verstehen, wie sehr IT alles beeinflusst und wie wichtig es ist, dass sie ihre Infrastruktur reorganisieren und ihre Prozesse digitalisieren. Es gibt hierzulande einen enormen Aufholbedarf. Aveniq verfügt über Expertise in fast allen Themen, die aktuell gefragt sind, und ich glaube, dass wir sehr gut positioniert sind. Wir haben tolle Mitarbeitende und ein ganzheitliches Serviceportfolio. Ich bin glücklich, ein Teil der Aveniq-Story zu sein.
Welche weiteren Pläne haben Sie mit dem Unternehmen?
Wir haben unsere Strategie für die kommenden drei Jahre verabschiedet und werden die Vertikalisierung unseres Angebots vorantreiben. Hier stehen fünf Branchen im Fokus, die wir verstärkt bearbeiten möchten: Versorger, Gesundheitswesen, Finanzdienstleister, Industrie, Recht. Im Mittelpunkt stehen die Weiterentwicklung innovativer branchenspezifischer Lösungen und Funktionen, wobei wir auf modernste Technologien rund um künstliche Intelligenz, Machine Learning, RPA und Business Analytics setzen, um die Automatisierung bei unseren Kunden voranzutreiben. Im Bereich Collaboration investieren wir in innovative Dienstleistungen für den modernen Arbeitsplatz. Auch unsere Hybrid-Multi-Cloud-Kompetenzen werden wir weiter ausbauen. Ein wichtiger Teil unseres Geschäfts bleibt SAP. Hier wollen wir eine führende Rolle im Bereich S/4-Hana-Migrationen einnehmen und Unternehmen dabei unterstützen, diesen Schritt effizient und ohne Bauchschmerzen zu vollziehen. Und natürlich werden wir auch in den weiteren Ausbau von Dienstleistungen im Bereich Cybersecurity investieren und nicht zuletzt unsere strategischen Partnerschaften weiter ausbauen. Akut beschäftigt uns der Fachkräftemangel. Hier werden wir durch eine langfristig angelegte Talent-Akquisitions-Strategie sicherstellen, dass wir in Zukunft wieder über mehr dringend benötigte Fachkräfte verfügen. Aktuell haben wir 46 Stellen ausgeschrieben - wir suchen dringend nach weiteren qualifizierten Fachkräften. Es ist mir natürlich bewusst, dass wir damit nicht alleine sind, es geht der gesamten IT-Branche so. Wir setzen auf Wachstum mit dem Markt und auf Profitabilität etwas über dem Marktüblichen - das wird wohl nicht nur organisch möglich sein.
Also werden Sie weitere Unternehmen akquirieren?
Irgendwann könnte ich mir einen Sprung über den Röstigraben vorstellen. Aktuell gibt es allerdings keine konkreten Akquisitionsvorhaben. Wir werden hier opportunistisch vorgehen.
Persönlich: Christophe Macherel bringt elf Jahre Management-Erfahrung als CEO von zwei KMUs sowie als Senior Manager in einem Weltkonzern mit. Von 2019 bis heute führt er als CEO von Realisator in Dietikon, die Treuhanddienstleistungen und Softwarelösungen anbietet. In den Jahren 2013 bis 2019 war er CEO der IT-Service-Spezialistin Itris Maintenance in Spreitenbach. Von 1999 bis 2012 arbeitete er für IBM (Schweiz), unter anderem als Senior Manager Hardware Service Delivery der Region Zürich. In seiner Freizeit ist der 54-jährige Informatikingenieur ETH und Vater von zwei erwachsenen Töchtern gerne mit seiner Frau in der Natur, auf Ausflügen mit dem Töff oder auf dem Tennisplatz. (Source: Aveniq)